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Rheinischer Merkur |
03/04/2003 |
SANT'EGIDIO
Die Laienbewegung hat beste Kontakte in die arabische Welt, auch in den Irak |
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Die kleine Pforte am ehemaligen Kloster der Karmelitinnen an der Piazza S. Egidio in Trastevere ist so unscheinbar, dass die meisten Touristen, die durch die Stra�en und G�sschen des pittoresken r�mischen Stadtteils schlendern, hier nichts ahnend vor�bergehen. Wie viele solcher Bauten hat doch die Ewige Stadt! Vermutlich k�me wohl keiner auf den Gedanken, dass man durch diese schmale Pforte die �Zentrale� einer Gemeinschaft betritt, die einen geradezu legend�ren Ruf genie�t: Sant'Egidio. Gegr�ndet 1968 durch eine Initiative von Sch�lern, die sich im Rom der nachkonzilaren Zeit um einen der ihren, Andrea Riccardi, geschart hatten, hatte diese anfangs kleine Gruppe nur eines im Sinn: das Evangelium zu h�ren und es im Leben umzusetzen. Die Urgemeinde der Apostel und der heilige Franz von Assisi waren dabei die Vorbilder. Keine Geringeren. Aber aus diesem Anspruch erwuchs keine sich elit�r abschottende Kommunit�t, sondern eine Bewegung von Laien, die bis heute nichts von ihrer inneren Kraft verloren hat � trotz einer Mitgliederzahl von rund 40 000 und einer Ausbreitung in mehr als 60 L�ndern der Erde. L�sung von Konflikten Es ist eine spirituelle Kraft, die aus dem pers�nlichen und gemeinschaftlichen Gebet kommt, der Weitergabe des Evangeliums und dem Einsatz f�r die Armen in den r�mischen Stadtrandvierteln. Es begann mit einer �scuola popolare�, die es heute als Friedensschule in vielen Teilen der Welt gibt. Die Mensen der Gemeinschaft wurden zum Inbegriff. In einem Klima der ungek�nstelten Gastfreundschaft auch den �rmsten der Armen gegen�ber wird hier aufgetischt. Zu den Abendgebeten der Gemeinschaft in der wegen ihrer Mosaiken ber�hmten Kirche Santa Maria in Trastevere kommen nicht nur die Mitglieder. Wer einmal an einem dieser Gebete teilgenommen hat mit ihren an Taize erinnernden Liedern, wird einiges von der Spiritualit�t der Comunit� gesp�rt haben. Die �Leute von Sant'Egidio� kommen aus allen sozialen Schichten und sind alle ehrenamtlich t�tig. Mit dem Wachsen der Kommunit�t und ihrer Ausbreitung �ber Rom hinaus kamen in den Jahren neue Aufgaben hinzu: der Dienst am Frieden und der Humanisierung der Welt sowie der Einsatz f�r den �kumenischen und interreligi�sen Dialog. Die Comunit� Sant'Egidio hat man wegen ihres au�ergew�hnlichen und erfolgreichen Einsatzes bei der �diplomatischen� L�sung von Konflikten in aller Welt als �Uno am Tiber� bezeichnet. Freilich ist dieser Vergleich zurzeit wenig schmeichelhaft. So r�ckt Cesare Zucconi, seit rund 25 Jahren in der Gemeinschaft, denn auch diesen Hinweis mit einem Schmunzeln zurecht: �Ein bisschen mehr Ehrgeiz als die Uno haben wir schon.� Mehr Ehrgeiz f�r den Frieden in einer Zeit, in der wieder einmal die Waffen sprechen. Die Armen als Freunde Religionen haben Verantwortung f�r den Frieden, sagt Zucconi. Doch wenn bei Sant'Egidio von der M�glichkeit die Rede ist, Frieden zu schaffen, dann geht es nicht um Prinzipien, �ber die sich trefflich philosophieren l�sst, sondern es geht um konkrete Eins�tze, die den Ruf von Sant'Egidio als Friedensstifter begr�ndeten: Der mehr als zehnj�hrige B�rgerkrieg in Mosambik wurde nach 27 Monate dauernden Verhandlungen, bei denen die Gemeinschaft die zentrale Rolle als Vermittler spielte, in Rom beendet. Besiegelt wurde der Frieden 1992 im ehemaligen Kloster Sant'Egidio in Trastevere, das die Comunit� zu ihrer �Heimat� gemacht hat. Dieser Friedensschluss f�r Mosambik ist beispielhaft daf�r geworden, wie eine Nichtregierungsorganisation eine zuvor schier unl�sbar erscheinende Vermittlung erfolgreich zu Ende bringen kann. Und heute steht das afrikanische Land wieder im Focus von Sant'Egidio. Aber es sind nicht die Gegner in einem B�rgerkrieg, die an einen Tisch zu bringen sind, sondern es geht um den Kampf gegen Aids. Sant'Egidio startete ein gro�es Programm zur Hilfe. Weitere Beispiele f�r die �Methode� von Sant'Egidio sind die 1994 gebildete Plattform zur nationalen Vers�hnung in Algerien und das Friedensabkommen in Guatemala 1996, Initiativen im Kongo und in Ruanda. Albanien und Kosovo waren weitere Terrains f�r das Engagement um Frieden und Vers�hnung. Das Scheitern dieser Bem�hungen im Kosovo-Krieg von 1999 (und auch an anderen Brennpunkten) konnte und kann den unersch�tterlichen Elan dieser Laienorganisation nicht brechen. In allein 30 afrikanischen L�ndern ist das �Volk von Sant'Egidio� heute vertreten, und neben humanit�rem Engagement sind es auch auf dem schwarzen Kontinent immer wieder Initiativen zur nationalen Vers�hnung. So nahm Sant'Egidio etwa offiziell an den Friedensverhandlungen f�r die Elfenbeink�ste in Paris teil. Und dennoch existiert, wie Zucconi, Sohn eines Diplomaten, sagt, kein �diplomatisches Sant'Egidio�. In Zentrum der stetig wachsenden Gemeinschaft steht das Gebet, das Wort Gottes und die �Leidenschaft f�r die Armen�, die hier nicht als �Kunden� einer Sozialversorgung gesehen werden, sondern als �Freunde�. Und da der Krieg h�ufig die Quelle der Armut ist, schlie�t sich der Kreis. Wer gegen die Armut der Menschen ist, muss auch gegen Krieg sein. Warum sollte es eines Tages nicht m�glich sein, ihn zu �berwinden? Warum sollte das nicht denkbar sein, sagt Zucconi. Es gab ganze Bibliotheken voll von B�chern, in denen stand, dass die Sklaverei nat�rlich sei. Und heute? �Dialog ist der einzige Weg in die Zukunft�, sagt Zucconi. �Wir sind da realistisch.� Er sagt es so �berzeugend, als gebe es gar keinen Menschen, der anders denken k�nnte. Wundert es noch, dass Johannes Paul II. zu den Leuten von Sant'Egidio ein besonderes Verh�ltnis hat? Pessimismus und Resignation absch�tteln, das Unm�gliche m�glich machen � das gef�llt dem Pontifex. Nicht nur er wei�, welches Potenzial in dieser Gemeinschaft vorhanden ist. Sie bereitete auch die gro�en Gebetstreffen von Assisi vor, eine weltweit beachtete Initiative, die dem Papst besonders am Herzen liegt. Auch Kardin�le wie Martini und Etchegaray gingen schon vor Jahren in Trestevere ein und aus. Und immer wieder hat der Heilige Stuhl den Einsatz der Comunit� begr��t, wo er selbst keinen festen Boden unter den F��en sp�rte, in der islamischen Welt etwa. Kein Wunder, dass man � aus Neid oder Bewunderung? � von den �Minensuchhunden� des Vatikan spricht. Es gibt in dessen Mauern auch Kritiker von Sant'Egidio. Sie werfen der Gemeinschaft eine �Naivit�t des Dialogs� vor allem mit dem Islam vor. Deutsche Ableger Nat�rlich sprie�en beim Thema Irak die Ger�chte. Der Korrespondent einer deutschen Zeitung wollte schon einen Patriarchen aus dem Zwischenstromland im Schutz der Dunkelheit zu Friedensgespr�chen in Sant'Egidio gesichtet haben. �Reine Phantasie�, sagt Zucconi. Besagter Kirchenf�hrer liegt seit Monaten krank darnieder. Ansonsten h�lt sich der Gespr�chspartner beim Thema Irak auff�llig zur�ck. Vielleicht ist ja was dran an den Ger�chten, und Sant'Egidio arbeitet schon f�r die Zeit �danach�. In Rom zumindest w�rde das niemanden erstaunen. Sant'Egidio-Gr�nder Andrea Riccardi und seine Comunit� sind auch in Deutschland keine Unbekannten mehr. Ableger haben sich in W�rzburg, M�nchengladbach und weiteren Orten gebildet. Unter anderem hat Riccardi in Paderborn, M�nster und Aachen � auf Einladung der dortigen Bisch�fe � viel beachtete Vortr�ge gehalten. Ende Mai wird er zum �kumenischen Kirchentag in Berlin erwartet. F�r gro�e �ffentliche Resonanz aber wird zweifellos Anfang September das von der Gemeinschaft erstmals in Deutschland (gemeinsam mit der Di�zese) organisierte interreligi�se Treffen in Aachen sorgen. Das Motto der Veranstaltung, zu der Tausende Besucher erwartet werden, lautet: �Zwischen Krieg und Frieden. Religionen und Kulturen begegnen sich�. Im Jahr des Irak-Krieges kommt dieser Begegnung besondere Bedeutung zu.
Rudolf Zewell
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