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Aachener Zeitung |
07/09/2003 |
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Aachen. Man mag es als Gottvertrauen oder auch Optimismus sehen, dass die Gemeinschaft Sant'Egidio auf das Aachener Wetter vertraut. Als ein Ortskundiger mahnt, vielleicht doch ein Dach �ber der gro�en Katschhof-B�hne anzubringen, hei�t es nur: �Brauchen wir nicht, in Palermo hat's auch nicht geregnet.� Und an diesem Sonntag wird ohnehin nur der B�hnenhintergrund als Leinwand f�r die Live- �bertragung aus dem Dom ben�tigt, wo der Er�ffnungsgottesdienst zum Weltfriedenstreffen gefeiert wird. Als um zehn Uhr die Glocken zum Gebet in den Dom rufen, gibt es innendrin schon kaum einen Sitzplatz mehr. Wer in der n�chsten halben Stunde noch kommt, stellt sich entweder an den Rand oder gleich auf den Katschhof, wo es allerdings ebenfalls viel zu wenig St�hle gibt. Die gro�e Beteiligung an der Eucharistiefeier noch vor dem offiziellen Auftakt l�sst selbst die allm�hlich gestressten Veranstalter strahlen. �Ich habe einen sehr positiven Eindruck von der Stadt, die Sympathie der Aachener ist gro߻, sagt unter der Katschhof-Kastanie Sant'Egidio-Sprecher Cesare Zucconi, der schon seit f�nf Tagen in der Stadt arbeitet. �Wir sind alle sehr gespannt auf das, was uns erwartet.� Zun�chst einmal ist das in seinem Falle ein bewegender Gottesdienst, bei dem er in der zweiten Reihe hinter Gemeinschaftsgr�nder Andrea Riccardi und schr�g hinter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sitzt, denen die vordersten Pl�tze im Oktogon zugedacht sind. Rasch reicht ihm das Drehteam, dem er noch ein Interview gegeben hat, T�cher zum Abschminken. Dass vor der Dom-Kulisse der WDR- �bertragungstruck ausgerechnet Werbung f�r die Lindenstra�e macht, mindert den optischen Eindruck ebenso ein wenig wie die gerade erst erfolgte Verkleidung des Domturmes. Doch Roberta di Bella und ihre italienischen Freunde aus der Hafenmetropole Genua st�rt's nicht entscheidend, waren sie doch rechtzeitig f�rs autofreie Dom-Foto angereist. �Der Dom ist wundervoll�, meint die Italienerin, um dann nicht weniger vom Weltfriedenstreffen zu schw�rmen. �Hier ist eine Gemeinschaft gewachsen, die den Geist der Freundschaft ausstrahlt.� Sie und ihre Freunde sind �ber einige Quartiere verteilt, man kennt dennoch �berall Menschen und Gesichter - denn etliche der 500 hochrangigen Kirchenvertreter und 1500 Sant'Egidio-Teilnehmer sind regelm��ig G�ste des Treffens, hinzu kommen diesmal allein rund 2000 Anmeldungen aus der Aachener Region. �Wenn wir um Frieden beten, wenden wir uns an den einen Gott�, predigt im Dom Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff. �Wir wissen: Gott ist nicht katholisch, Gott ist nicht evangelisch, Gott ist nicht orthodox. Gott ist nicht einmal christlich... Gott ist nicht der Gott dieser oder jener Religion, Gott ist der Gott und Vater aller Menschen, Gott will die Rettung aller Menschen.� Wenn beim Weltfriedenstreffen Vertreter der unterschiedlichen Religionen zu Gott f�r Frieden beten, �dann tun wir das mit unterschiedlichen Gottesvorstellungen und in unterschiedlichen Weisen der Gottesverehrung. Wir alle wollen den wahren Gott verehren, aber wir tun dabei nicht das Gleiche. Wir k�nnen uns in unseren Unterschiedlichkeiten der Gottesvorstellungen und der Gottesverehrung gegenseitig respektieren und wertsch�tzen, wir k�nnen auch viel Gemeinsames und Verbindendes entdecken, aber wir unterscheiden uns in Glaube und Religion. Dieses Friedenstreffen will nicht die Vermischung der Religionen, sondern den gegenseitigen Respekt in dem, was uns verbindet und was uns trennt, in der Achtung vor dem religi�sen Profil des anderen.� Der Vertreter des Patriarchen von Konstantinopel in Deutschland, Metropolit Augoustinos, freut sich �ber den Ort der Feier. �Diese Kirche atmet noch die Luft der Einheit, denn sie wurde zu einer Zeit errichtet, als Osten und Westen noch in Einheit verbunden waren.� Zwar h�tten die Menschen die Sprache des Evangeliums, die eine Sprache der Freundschaft und des Friedens sei, noch zu wenig gelernt. Doch Christen d�rften nicht resignieren, und �die Erfahrung dieser Tage, die mittlerweile lange Geschichte der Friedenstreffen, zeigt uns, wie viele Fr�chte die Sprache des Evangeliums hervorbringen kann.� Fast anderthalb Stunden dauert die Eucharistiefeier, die mit dem imposanten Auszug der Geistlichen durch die Wolfst�r endet: Hauptzelebrant Kardinal Walter Kasper, Pr�sident des P�pstlichen Rates zur F�rderung der Einheit der Christen, seine Konzelebranten - neben Bischof Heinrich Mussinghoff unter anderem die Kardin�le Christian Wiyghan Tumi, Erzbischof von Douala/Kamerun, Roger Etchegaray vom Heiligen Stuhl in Rom, Pedro Rubiano Saenz, Erzbischof von Bogota/Kolumbien und Ehrendomherr am Aachener Dom, Dr. Friedrich Wetter, Erzbischof von M�nchen und Freising, und Bischof Vincenz Paglia von der Gemeinschaft Sant'Egidio - sowie 150 weitere Geistliche ziehen �ber Klostergasse, Ritter-Chorus-Stra�e und Katschhof zum Kreuzgang, durch eine Reihe applaudierender Menschen. 1000 haben im Dom, weitere 1200 auf dem Katschhof mitgefeiert. Fr�hlich winkt Kardinal Kasper, fr�hlich registrieren die Organisatoren, dass das Gottvertrauen in Sachen Wetter richtig war. Zumindest an diesem Auftakt-Tag, der mit der offiziellen Er�ffnung im Eurogress sowie dem Eintreffen des Aachener Friedenskreuzes und dem Aufstellen einer symbolischen Br�cke des Friedens auf dem M�nsterplatz durch Pax Christi endet. Weniger vom Wetter abh�ngig sind die City-Seelsorge und die Weltkonferenz der Religionen f�r den Frieden, haben sie doch in der Citykirche St. Nikolaus stets ein festes Dach �ber dem Kopf. Und darunter finden im Gegensatz zu den zentralen Veranstaltungen keine Fachdiskussionen statt, sondern werden grundlegende Informationen �ber Aachener Glaubensgemeinschaften weitergegeben. City-Seelsorger Patrick Wirges registriert zufrieden, dass die Vielzahl der G�ste aus Teilnehmern des Weltfriedenstreffens und auch aus Passanten besteht, die einfach mal hereinschauen, Informationstafeln studieren, zehn Minuten den Diskussionen oder musikalischen Beitr�gen lauschen oder vereinzelt sogar Fragen stellen. �Das ist der Sinn dieser niedrigschwelligen Angebotes�, betont er - auch wenn viele Neugierige nach ein paar Schritten hinein in den Raum wieder kehrt machen. In der Nikolauskirche gewinnen vor allem zwei kleinere Religionsgemeinschaften in Aachen, die jeweils rund 50 Mitglieder z�hlenden Buddhisten und Bahai, Beachtung, sind im Gegensatz zu Christentum, Islam und Judentum der Inhalt und Praktizierung ihres Glaubens doch eher unbekannt. Am Montag von 10 bis 20 Uhr sowie Dienstag von 10 bis 16 Uhr ist die Citykirche St. Nikolaus noch unter dem Leitthema �Wege zum Frieden - Religionen in Aachen� ge�ffnet, ab 12 Uhr gibt es fast zu jeder vollen Stunde kurze Gespr�chsrunden oder Musikbeitr�ge. Dienstag um 21 Uhr beginnt ein Beisammensein mit Musik zum Ausklang des Weltfriedenstreffens. Das Friedenstreffen selbst bietet am Montag um 9.30 Uhr und um 16.30 Uhr - mit Schwerpunkt im Eurogress - Foren zu unterschiedlichen Themen rund um das Leitthema �Zwischen Krieg und Frieden - Religionen und Kulturen begegnen sich� an. Auch Dienstag um 9.30 Uhr gibt es noch zahlreiche Foren; um 17.30 Uhr wird an verschiedenen Orten entsprechend den religi�sen Traditionen ein Friedensgebet gehalten, ehe um 19 Uhr sternf�rmig die Friedensprozessionen zum Katschhof ziehen. Um 19.30 Uhr findet dort die Schlusszeremonie des Weltfriedenstreffens mit Verlesung, Unterzeichnung und �berreichung des Friedensappells 2003 statt.
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