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Aachener Zeitung |
09/09/2003 |
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Aachen. Dem vatikanischen Kardinal Roger Etchegaray und seinen Mitdiskutanten kommt es vor allem darauf an, die Europ�er aus ihrer Nabelschau wachzur�tteln, ihnen klar zu machen, dass, so der Kardinal, "Frieden mehr ist als ein gutes Gef�hl und ruhiger Schlaf". Letzteren hatte offensichtlich ein Simultandolmetscher; denn er fehlt zu Beginn des Forums �ber die Rolle Europas und die Verantwortung der Christen. Die Wartezeit nutzt Elisabeth Raiser, Pr�sidentin des �kumenischen Kirchentages 2003, um spontan die rund 500 Zuh�rer im Saal zum gemeinsamen Singen zu motivieren mit gro�er, Wirkung. So erklingt "Dona nobis pacem" sogar im Kanon und, weil's so sch�n ist, ein lautstarkes "Gloria" gleich hinterher. Danach wird es ernster und Europa vom Pr�sidenten der protestantischen Gemeinschaft Frankreichs, Jean Arnold de Clermont, vor dem Irrglauben gewarnt, man k�nne in der eigenen wohl beh�teten Friedenszone gl�cklich werden, ohne sich gegen die Not und f�r Gerechtigkeit im S�den zu engagieren. Wie das erfolgreich umzusetzen ist, daf�r gelten immer wieder Sant' Egidio und seine sozialen und politischen Initiativen als Vorbild. "Wir m�ssen Europa den Geist von Sant'Egidio einhauchen", sagt der franz�sische Historiker Jean Dominique Durand, und entscheidend daf�r sind nach seiner �berzeugung Gebet, Geduld und Bewusstseinsbildung. Daran kn�pft Bundestagsvizepr�sidentin Antje Vollmer an: Europa habe den Kalten Krieg nicht zuletzt deshalb �berwunden, "weil man den anderen nicht in die Ecke gedr�ngt, sondern zu neuem Denken verf�hrt" habe. Ob das als Vorbild f�r heutige Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt taugt und dort akzeptiert wird, bleibt allerdings die Frage. Uneinigkeit besteht auch dar�ber, ob aktuelle Konflikte religi�se Ursachen haben oder nur in fundamentalistischer Absicht religi�s aufgeladen werden. Der israelische Oberrabbiner Israel Meir Lau stellt klar: "Ich glaube nicht, dass durch die Religion Kriege entstehen. Aber vielleicht haben religi�se F�hrer nicht genug getan, um Kriege zu verhindern." Er erntet eine Woge von Emotionen im Publikum. Mehrfach melden sich Menschen arabischer Herkunft zu Wort zum Teil aggressiv und unsachlich. Manche greifen George W. Bush an, der sie mit der "Achse des B�sen" stigmatisiere. Oberrabbiner Lau: �Das sind genau die Gr�nde, warum wir miteinander reden m�ssen." Andere praktizieren im Eurogress ganz praktisch Kooperation. Der chald�ische Bischof von Bagdad, Shlemon Warduni, �bersetzt die energischen Appelle des irakischen Sunniten Ahmed M. Mohammed vom Arabischen ins Italienische: Die Christen m�ssten dem Irak helfen. "Was in meinem Land geschehen ist, bringt keinen Frieden." Am Nachmittag erntet einer minutenlangen Beifall" weil man an seinen Worten sp�rt, dass er lebt, was er da auf dem Podium predigt: Elias Chacour ist pal�stinensischer Araber, Christ und B�rger Israels. Jahrzehntelang hat er erfahren, dass das Zusammenlebenvon Moslems, Christen und Juden klappt. Das Publikum nimmt ihm ab, wenn er sagt: "Das geht!" Auch wenn seine Vorredner Zweifel angemeldet haben. Wenn Hamed AI-Tamimi, Bruder des Vorsitzenden des Sharia Court der Pal�stinensischen Autonomiebeh�rde, Israels Siedlungs und Mauerpolitik anprangert und Oded Ben-Hur, Botschafter Israels am Heiligen Stuhl, erkl�rt: "Die Araber werden Israel nie akzeptieren." Chacour ist ein Hoffnungstr�ger, wie ihn das Heilige Land so dringend braucht. Er packt das Problem an seinen Wurzeln: Die Welt erwartet von Israel und Pal�stina ein Signal der Hoffnung. Der Frieden hat einen harten Preis, aber beide werden das �berleben." Ben-Hur appelliert: "Denkt an alle M�glichkeiten, kommt ins Heilige Land, in beide Teile. Dann seid ihr neben der �konomischen auch schon eine psychische St�tze der Menschen dort. Ich denke Touristen, ich denke auch an die Unternehmen, die lokale Beh�rden unterst�tzen k�nnten..." Wer ihn wegen seiner Ideen f�r einen Spinner h�lt, dem antwortet Ben Hur mit einem Ausspruch Ben Gurions "Wenn Ihr nicht an Wunder glaubt, seid Ihr keine Realisten�.
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