Comunità di S.Egidio


 

Frankfurter Allgemeine Zeitung

10/09/2003


Regenbogenfrieden
Das Religionstreffen in Aachen

 

AACHEN, 9. September. Die Sehnsucht nach Frieden hat viele Farben, mehr als die des Regenbogens, in dessen Zeichen 500 Repr�sentanten der christlichen Kirchen und der Religionen der Welt mit Politikern und Pers�nlichkeiten aus vielen L�ndern in Aachen zu einem dreit�gigen Weltfriedenstreffen zusammengekommen sind: der wei�e Kopfputz eines Afrikaners, das goldene Brustkreuz auf dem grauen M�nchsgewand des ukrainischen Kardinals, das orangerote Band um den Hals eines buddhistischen W�rdentr�gers, der schwarze Turban auf dem Haupt eines sunnitischen Gelehrten aus dem Irak.

Die Sehnsucht nach Frieden spricht viele Sprachen. Von mehr als 10 000 Teilnehmern aus mehr als 50 L�ndern sprachen die Veranstalter, die katholische, in Italien beheimatete Laiengemeinschaft Sant'Egidio und das Bistum Aachen, voller Stolz. Bis Dienstag abend, als das Treffen endete, d�rfte diese Zahl nochmals gestiegen sein. Zuerst versammelten sich die Teilnehmer und G�ste des 17. Weltfriedensgebetes nach Religion und Ritus getrennt zum Gebet. Anschlie�end bekr�ftigten sie im Schatten des Aachener Domes, in der Mitte des alten Europas, ihren Willen zu Verst�ndigung und Vers�hnung �ber die Grenzen von Religionen und Kulturen hinweg. Auch dort kam man nicht umhin, aus vielen Sprachen zu �bersetzen, damit alle einander nicht nur h�ren, sondern verstehen konnten.

,Doch auch in Aachen machten viele Worte noch lange keinen Frieden. Der Repr�sentant des obersten Gerichts der Pal�stinenser war am Montag nicht m�de geworden, den Islam im Nahen Osten als friedenstiftende Kraft zu r�hmen. Aber der Ton, mit dem er sich am Ende seiner Ausf�hrungen an den Botschafter Israels beim Vatikan wandte, schien seine Rede L�gen zu strafen. Sprach aus seiner Anklage des israelischen Staatsterrorismus, selbst wenn sie von manchen noch als moderat empfunden wird, nicht blanker Ha� auf das j�dische Volk? Oder wollten seine Worte nur deswegen kaum Sinn ergeben, weil sie als Botschaft aus einer anderen Kultur nicht ohne weiteres zu entschl�sseln sind? Der Botschafter lie� sich nicht aus der Reserve locken. K�hl pl�dierte er zur L�sung des Konflikts zwischen Israelis und Pal�stinensern f�r eine "Scheidung in W�rde". Doch was z�hlt das Recht pal�stinensischer Parven�s gegen f�nftausendj�hriges j�disches Leben in Israel, was gegen die W�rde der ewigen Hauptstadt Jerusalem? Aus dem Diplomaten sprach nicht nur das Recht des M�chtigen, er argumentierte mit der Macht seines Rechts.

Elias Chacour, ein Pal�stinenser mit israelischer Staatsb�rgerschaft, klagte nicht an, er argumentierte nicht, er sprach in Bildern. Von Israel war die Rede als einer Frau, die mit Pal�stina schwanger sei. Komme nicht bald eine gute Hebamme zu Hilfe, m��ten beide sterben, die Mutter und das Kind. Der melkitisch katholische Priester sprach mit dem Mut der Verzweiflung. Rabbi David Rosen widersprach nicht. Schon bald redeten nicht mehr �bereinander, son dern miteinander, �ber ihre Religionen, ihren Glauben, ihre gemeinsame Sehnsucht nach Frieden. Beide waren sich schon vor diesem Treffen nicht fremd, beide waren schon einmal bei der Gemeinschaft Sant'Egidio zu Gast. Ist das der Geist von Assisi, den zu bewahren sich die Gemeinschaft vorgenommen hat?

"Dialog hat einen Wert an sich", bekr�ftigte der Moderator, ein norwegischer Friedensforscher. Einmal schon war die Gemeinschaft mit dem Glauben an die friedenstiftende Kraft von Dialog und Diplomatie am Ziel: 1992 wurde an ihrem Sitz in Rom der Friedensvertrag f�r das vom B�rgerkrieg zerst�rte Mo?ambique unterzeichnet.

Nun wollte auch Oded Ben Hur, der Karrierediplomat, diese Sehnsucht nach Frieden erkennen, bei der Mehrzahl der Israelis, bei der Mehrzahl der Pal�stinenser, bei sich selbst. Seine Aufforderung, Millionen Menschen m�chten das Heilige Land besuchen und Geld f�r beide Seiten ins Land bringen, klang bald nicht mehr nur wie eine pflichtschuldige Antwort auf die Bitte der Veranstalter, jeder m�ge mit Vorschl�gen anstelle von Vorhaltungen von sich reden machen. Und konnte nicht Elias Chacour davon berichten, da� er im kommenden Monat die erste christliche Universit�t in Israel er�ffnen werde mit Erlaubnis der Regierung Scharon? Und der Traum des Rabbis, geistliche F�hrer des Judentums, des Christentums und der Muslime k�nnten sich in einer weltumspannenden Initiative �ber das Zusammenleben der Religionen in Jerusalem verst�ndigen, scheint der Gemeinschaft Sant'Egidio geradezu auf den Leib geschneidert.

"Allen, die den Kampf der Kulturen f�r unvermeidbar halten, sagen wir: Macht euch frei von dem bedr�ckenden Pessimismus, der eine Welt voll Mauern und Feinden schafft, in der man nicht in Sicherheit und Frieden leben kann", hei�t es in dem Friedensappell, der das Treffen am Dienstag abend beschlo�. "La�t uns miteinander sprechen, und Gott wird uns erleuchten." Im Licht des Abends erstrahlte die Sehnsucht nach Frieden in mehr Farben als denen des Regenbogens, des Zeichens des Bundes, den der Gott der Juden, der Christen und der Muslime mit den Menschen vor Urzeiten geschlossen hat.

Daniel Deckers