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Christ in der Gegenwart |
18/04/2004 |
Sie retten die 340 vom "Seelenverk�ufer" |
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Es ist menschlich warm hier, obwohl es von der Au�entemperatur her k�hl ist. In der Anicia-Stra�e Nr.7, im r�mischen Stadtteil Trastevere, haben sich viele Menschen im kleinen Flur des Erdgeschosses hingesetzt: Marokkaner, Kurden, Nigerianer, Somalis, Afghanen. Wer schon mal mit illegalen und angsterf�llten Ausl�ndern zu tun hatte, sp�rt sofort: Hier sind sie erst mal beherbergt. Die Leute der Basisgemeinschaft Sant' Egidio hei�en sie willkommen. Sie sind auch nicht durch eine Wand von Scham und Distanz abgetrennt. Nein. Cesare Zucchoni steht unter uns. Er erkl�rt uns dieses Haus, bevor er sich in die wunderbare Kirche verabschiedet zum t�glichen Gebet. Hier werden �ber 1200 Menschen versorgt mit einem E�paket, das nicht v�llig genormt ist. Immer wieder ist etwas anderes darin. Die freundliche Daniela Pompei und ihre Kollegin Cecilia f�hren uns ein in diese Arbeit. Die Mitglieder der Gemeinde machen eine Sozialarbeit, die anders ist als die des Staates. Sie sind alle ehrenamtlich t�tig, tun dies aus freien St�cken neben ihrem Beruf. Sie versuchen, sich um die �rmsten zu k�mmern, wie es das Evangelium verlangt. Und sie untersuchen nicht, weshalb diese Menschen so arm geworden sind. Nicht nur das Essen und Trinken sind ihr Interesse, sondern eigentlich: alles. Sant' Egidio betreut eine riesige Kleiderkammer, die uns Cecilia zeigt. Dahinter gibt es Duschr�ume f�r die Menschen ohne Zuhause. Dann hat die Gemeinde einen eigenen Barbier, der ihnen die Haare schneidet oder den Bart rasiert - nach der Kunst des ber�hmten Barbiers von Sevilla. In der ersten Etage gibt es neun Betten und R�ume f�r diejenigen, die hier einfach so krank ankommen, da� man sie nur unter Todesgefahr weiterschicken w�rde. Eine so warme Atmosph�re von Willkommen und Freundschaft, ist eindrucksvoll und phantastisch zu erleben. Dies ist m�glich, weil die Leute von Sant' Egidio den Geringsten unter ihren Br�dern und Schwestern Achtung entgegenbringen. Ein Heiliger im Paradies Daniela erkl�rt uns das Prinzip des �un santo in paradiso". Man mu� in Italien f�r besonders knifflige Fragen sich einen �Heiligen im Paradies" zulegen. Das ist ein bew�hrtes Prinzip, wonach diese Leute hier die Polizei informieren und ihnen sagen: Wir k�mmern uns um die �Illegalen" - ein h��liches Wort. F�r einen Christen ist jedoch auch ein �Illegaler" ein Liebling Gottes. Und man gibt den Obdachlosen ein Papier, das sie ausweist, damit sie nicht in ihr Herkunftsland zur�ckgeschickt werden. Vor kurzem ist es den ehrenamtlich arbeitenden zwanzig Anw�lten, die Sant' Egidio unterst�tzen, gelungen, eine Entscheidung der italienischen Regierung nicht nur anzufechten, sondern sogar Menschen, die wieder abgeschoben wurden, zur�ckzuholen und ihnen in Italien Asyl zu verschaffen. Der Staat hatte einen Formfehler gemacht. Es ging um eine Gruppe von Roma aus dem Kosovo, die ganz eilig, ohne die Formen der Asylanfrage einzuhalten, einfach in den Kosovo zur�ckgebracht wurden. Sie durften durch das Engagement dieser Anw�lte wieder nach Rom zur�ckkommen. Daniela Pompei, eine herzliche, aktive junge Frau, die zum Stab der Leute von Sant' Egidio geh�rt, lachte laut, als wir ihr sagten: Dann hat sie aber bei dieser Arbeit �multi santi in paradiso" n�tig! Sie haben einfach aus der Geschichte gelernt Ein Freund aus Deutschland, der vor drei�ig Jahren aus der Kirche ausgetreten ist, erz�hlt uns: Wenn er mit einer solchen Kirche gro�geworden w�re, w�re er nicht ausgetreten. Diese Kirche der N�chstenliebe hat Kraft. Sie hat die Kraft der Spontaneit�t, die �ber die Grenzen des Staates und die Wohlanst�ndigkeit der Legalit�t und der Versicherungsordnungen hinweggeht. Wenn in Italien irgendwo die Erde aufbricht, ein Erdbeben passiert, wenn wieder ein schrecklich schlecht ausger�steter �Seelenverk�ufer" sich aufmacht und die 340 illegalen Bootsfl�chtlinge an die K�ste �spuckt", wovon einige vor Ersch�pfung in Gefahr sind zu sterben, dann machen sich p�nktlich in diesem von uns manchmal bel�chelten Italien Christen auf, packen ihre Rucks�cke - unter ihnen auch �rzte und �rztinnen und Sozialarbeiter -, um zu helfen. Deshalb ist Italien das wahrscheinlich einzige Land in Europa, das den �Illegalen" erst einmal willkommen hei�t. Denn das Menschsein und die W�rde des Menschen sind ja nicht an seinen legalen Status und die Berechtigungspapiere gebunden. mit 1259 r�mischen Juden. Die Sant' Egidio-Gemeinde begeht jedes Jahr diesen Tag, weil er ein Versagen der katholischen Kirche darstellt. Sie klagen nicht an, aber sie wollen es besser machen in der Zukunft. Und deshalb erinnern sie sich. Die Nazis schleppten die 1259 Menschen damals aus ihren H�usern in das leer stehende Collegio Militare Italiano im Stadtteil Trastevere. 1022 landeten eine Woche sp�ter in Auschwitz, sechzehn kamen zur�ck. Pietro Terracina ist einer von ihnen: �H�tte Papst PiusXII. sich mit ausgebreiteten Armen vor dem Milit�rkolleg aufgestellt, h�tte die Deportation nicht stattgefunden", meint er. Sant' Egidio gibt uns Christen in einer Zeit, wo �ber den Niedergang der kirchlichen Pfarrgemeinden so viel geklagt wird, ein Vorbild. Eine Vertretung gibt es in W�rzburg. Aber man kann das nachmachen, man braucht nur ein bi�chen Mut. Ein t�gliches Gebet. In Trastevere gibt es das politische Abendgebet, es findet um 20.30 Uhr statt. Das ist wichtig. Leute wie Daniela w�rden nicht verstehen, wenn wir das Gebet als politisches Abendgebet qualifizieren. Es ist f�r sie selbstverst�ndlich, da� man die Sorgen der Menschen mit in die F�rbitten hineinnimmt. Rupert Neudeck, Dr. phil., geboren 1939; Schriftsteller und Journalist, gr�ndete die Hilfsorganisationen �Cap Anamur / Deutsche Not-�rzte"und �Gr�nhelme"; zahlreiche Ver�ffentlichungen.
Rupert Neudeck
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