Comunità di S.Egidio


 

Frankfurter Allgemeine Zeitung

22/08/2005

Zum Abschlu� des Weltjugendtags
Das Katholische sichtbar gemacht

 

21. August 2005 Ein Ereignis ist zu Ende, das hierzulande seinesgleichen nicht hatte und wohl so bald auch nicht haben wird: der Weltjugendtag. Vor drei Jahren hatte Papst Johannes Paul II. die Jugend aus allen Teilen der Welt nach Deutschland eingeladen, um es den Heiligen Drei K�nigen gleichzutun, deren Gebeine der �berlieferung nach im K�lner Dom aufbewahrt werden: Gott zu suchen. Nun kam nicht mehr der Papst aus Polen, sondern Joseph Ratzinger, der erste Papst aus Deutschland seit Jahrhunderten, als Benedikt XVI. Und es kamen Hunderttausende von Gl�ubigen, vorwiegend junge Erwachsene, gerade jene, die in den Kirchen der westlichen Welt so rar geworden sind.

Wer sind sie? Haben sie gefunden, was sie Gott nennen? Gewi�, sie sind gekommen, weil sie bereits glauben, nicht um zu glauben. Das spricht nicht gegen den Weltjugendtag, sondern f�r ihn. Denn wer sich auf den Weg gemacht hat, der ist nicht schon vom Leben satt, sondern versp�rt noch Hunger nach Transzendenz, der ahnt, da� mit dem Haben sich die Frage nach dem Sein nicht erledigt hat und Freizeit allein nicht frei macht. Sie sind die Gottsucher von heute, auf der Suche nach einem Du, das mehr ist als eine Funktion von Religion, mehr als ein Postulat der praktischen Vernunft und mehr als eine Letztbegr�ndung von Recht und Moral.

Was die Jugend von der Kirche erwarten kann

Doch was k�nnen junge Erwachsene in und von der Kirche erwarten? Ohne Tradition und deren Deutung kann es kein Verst�ndnis der Gegenwart und keine tragf�hige Br�cke in die Zukunft geben und ohne Kirche keinen christlichen Glauben. Sie will die Weisheit der Traditionen verb�rgen, die auf Gott verweisen, will Gegenwart schaffen, die sich nicht im individuellen Erfahrungshorizont ersch�pft, und die Sehnsucht nach einer Zukunft in Gott wachhalten nicht nur f�r das Selbst, sondern f�r die anderen, selbst die Toten.

Erfahrungsraum dieser Dreidimensionalit�t ist nicht das Wort allein, sondern die Liturgie, eine Verbindung von Zeichen und Gesten, Symbolen und Sprache. Sie hat die Aufgabe, den Blick auf die �bergreifende Einheit der Kirche freizugeben, im r�umlichen wie im zeitlichen Sinn, von innen wie von au�en betrachtet. Es ist daher nicht hoch genug zu veranschlagen, da� auf dem Marienfeld und vorher in K�ln, Bonn oder D�sseldorf bei aller Offenheit liturgischer Formen kaum Mimikry stattfand. Liturgie wurde katholisch gefeiert, auf die wesentlichen Zeichen und Symbole beschr�nkt. Und in den Tagen zuvor hatten Glaubensunterweisungen ganze Hallen erbeben lassen. Tag und Nacht lie� die Wallfahrt zum Dom das Wort �Pilger� wirklich werden. Und wer es wagte - wenige waren es nicht -, konnte im Sakrament der Beichte Vergebung erbitten und erfahren. Das ist Katholizit�t. Der Weltjugendtag hat sie sichtbar gemacht.

Wem die Massen zujubelten

Unpolitisch - so die g�ngige Klage �ber �die Jugend� von heute wie �ber eine Kirche, die Glauben nicht mit guter Gesinnung gleichsetzt -, unpolitisch ist diese Katholizit�t nicht. �ber der Freude am Glauben wurde die Not der Gegenwart nicht ausgeblendet. Wenige K�lner Kirchen waren in den vergangenen Tagen so belebt wie jene, in der die Gemeinschaft Sant' Egidio die M�rtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts vorstellte - in vielen Sprachen und in bester katholischer, allumfassender Gesinnung, von Dietrich Bonhoeffer und Edith Stein �ber Christen, die im GULag starben, bis zu Bischof Romero aus El Salvador. Wer diese Glaubenszeugen betrachtet, der sollte gefeit sein vor den Verlockungen der Macht und der Mi�achtung des Leides in einer Gesellschaft, die sich mit dem Etikett �Spaߔ adelt.

�Eine bessere Welt ist m�glich� - diese Hoffnung eint die Jugend, sie sich am Sonntag nochmals auf dem Marienfeld versammelte, mit Papst Benedikt XVI. Viele hatten sich vor dem Weltjugendtag gefragt, wie der hochgebildete und feinsinnige Mann in die Spuren seines Vorg�ngers Johannes Paul II. treten k�nne, eines Virtuosen im Umgang mit den Massen. Die Aura angespannter, mitunter distanzierter Zur�ckhaltung vor gro�em Publikum hat Benedikt auch in K�ln nicht abgelegt, nicht ablegen k�nnen. Da� die Massen ihm dennoch zujubelten, d�rfte ihn um so mehr gefreut haben. Denn die Begeisterung, die sich ausbreitete, wo immer er zu sehen war, galt in erster Linie dem Amt, das der Deutsche verk�rpert: da� da einer ist, der die Einheit der �ber die gesamte Welt verstreuten Kirche, vielleicht sogar des Menschengeschlechts nicht nur symbolisiert, sondern auch aktualisiert, der von Amtes und pers�nlicher �berzeugung wegen Gemeinschaft �ber die Grenzen von Sprache und Herkunft stiftet und Erfahrung von Gemeinschaft erm�glicht, heute in Deutschland, morgen andernorts.

Der Prophet im eigenen Land

Vor genau 35 Jahren hatte Joseph Ratzinger in K�ln in einem Vortrag seine Sorge um die Zukunft der Kirche zum Ausdruck gebracht. Was die Kirche heute rette, so sagte er damals, seien nicht die vielfach z�gernden und unsicheren Hierarchen, die sich entweder in Traditionalismus fl�chteten oder Angst h�tten, als konservativ verschrien zu werden. Es sei die Unbeirrbarkeit des Glaubens in den Gemeinden, in denen die Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vorgelebt werde, in der Wirklichkeit eines Lebens heute, das vom Glaubensbekenntnis her bestanden werde. Jetzt stand Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. vor einer solchen Gemeinde - im Weltma�stab. Dank seines Vorg�ngers Johannes Paul II. ist Ratzingers �Theologie des Laientums� von einer Vision zu einer Beschreibung des kirchlichen Daseins geworden.

Doch f�r wie lange? Und das auch in Deutschland? Solange hierzulande �ber fehlendes Geld mehr geredet wird als �ber die Leere in den Kirchen, solange Stellenpl�ne wichtiger sind als Liturgiepl�ne und solange die Einsch�tzung vorherrscht, da� ein Gro�teil der Jugend der Kirche fernstehe und nicht sie der Jugend, so lange k�nnten noch viele Weltjugendtage in Deutschland stattfinden und P�pste dieses Land besuchen. �ndern w�rde sich wenig. Doch vielleicht ist der Satz, da� der Prophet im eigenen Land nichts gilt, am Beispiel von Benedikt XVI. schon widerlegt.

Daniel Deckers