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Frankfurter Rundschau online |
26/12/2005 |
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Ein Stadtf�hrer speziell f�r Wohnsitzlose verr�t in Rom, wo man essen, schlafen und sich waschen kann VON ROMAN ARENS Wer in der r�mischen Via Modesta Valenti gemeldet ist, hat keine guten Karten: Er oder sie ist obdachlos - bei der Via handelt es sich um eine virtuelle Stra�e, in der das Einwohnermeldeamt der Ewigen Stadt Menschen ohne festen Wohnsitz formal ansiedelt. Ein Dach �ber dem Kopf verschafft das niemandem, noch nicht einmal ein bisschen W�rme in diesem kalten Dezember. Wo die siebentausend Penner im Schatten von Petersdom und Kolosseum bleiben k�nnen, das wei� die Comunit� Sant'Egidio ziemlich genau. Diese katholische Basisgemeinde, inzwischen mit Ablegern in vielen L�ndern, darunter auch Deutschland, betreut die an den Rand der Gesellschaft Gedr�ngten seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten Tag f�r Tag auf Stra�en, Bahnh�fen oder in Notunterk�nften. Dabei haben die Aktivisten "die Geheimnisse des �berlebens" kennen gelernt, viele Informationen und Adressen gesammelt und dies alles zu einem umf�nglichen F�hrer f�r Menschen in Not zusammengestellt. Der Titel des wettersicher eingebundenen Taschenbuchs: "Dove mangiare, dormire, lavarsi" - wo man essen, schlafen und sich waschen kann. Das erfahren die Wohnsitzlosen pr�zise auch mit Hilfe von Symbolen f�r jene Benutzer, die der Landessprache oder des Lesens nicht sehr kundig sind. Sehensw�rdigkeiten und mehr Von Roms Stadtstreichern finden dreitausend einen Platz in Unterk�nften der Kommune oder der Hilfsorganisationen, zweitausend in leer stehenden Fabriken oder besetzten H�usern, und ebenfalls zweitausend n�chtigen zwischen Kartons auf Pl�tzen, unter Br�cken oder in Kircheneing�ngen. F�r sie h�lt die Comunit� Sant'Egidio auch einen Stadtplan bereit, auf dem nicht nur alle Sehensw�rdigkeiten f�r den besitzlosen Interessierten verzeichnet sind, sondern ebenso die Punkte, wo es Hilfe jedweder Art gibt. Direkt beim Vatikan steht die Nummer 40. Darunter wird nichts Kunsthistorisches erkl�rt, sondern es hei�t "Haus Geschenk von Maria", Arbeitsplatz von Missionsschwestern, erreichbar mit den Bussen 46, 62, 64, 98. In diesem Haus, �brigens direkt neben dem Palazzo, in dem der jetzige Papst fr�her als der strenge Glaubensh�ter Kardinal Joseph Ratzinger amtierte, gibt es eine �bernachtungsm�glichkeit und t�glich au�er donnerstags ein Abendessen. "Manch einer spricht vom Guide Michelin f�r Penner", sagt Mario Marazziti von der Comunit� Sant'Egidio, "aber es ist ein F�hrer zum �berleben in der gro�en Stadt." Inzwischen gibt es solche Taschenb�cher auch in Florenz, Genua, Neapel und im spanischen Barcelona. Die Stra�enpatin Modesta Valenti, der die r�mische Edition gewidmet ist, hat das �berleben nicht geschafft. Sie streunte in der Gegend des Bahnhofs Termini, als es ihr schlecht ging. Zwar war die Ambulanz rechtzeitig gekommen, aber die Sanit�ter weigerten sich, die Frau einzuladen, weil sie sehr verdreckt war. So starb Modesta Valenti am 31. August 1983 ohne Hilfe. Der Erinnerung an sie und alle wie sie Gestorbenen hat Rom wenigstens die "virtuelle" Stra�e gewidmet. Festessen zur Weihnacht Immerhin: Zu Weihnachten brauchten die Obdachlosen keinen besonderen Wegweiser zu einem warmen Essen. An 35 Stellen war f�r sie der Tisch gedeckt. Seit 1982 werden auch in einer der pr�chtigsten Kirchen, in Santa Maria in Trastevere, die B�nke hinausger�umt. Dort laufen seither die Clochards zum Festessen ein, w�hrend nur einen Kilometer weiter der Papst der Welt seinen Weihnachtssegen erteilt.
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