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06/09/2006 |
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Das ist auch eine Art, des 11. Septembers zu gedenken: mit einem Gegenjubil�um, einem Gegenentwurf zum �Kampf der Kulturen�. Im Herbst 1986 hatte Johannes Paul II. in Assisi Religionsf�hrer aller Couleur, Christen und Nichtchristen, zu einem �Weltgebetstag� |f�r den Frieden versammelt, in einer der spektakul�rsten symbolischen Aktionen seines Pontifikats. Die katholische Laiengemeinschaft Sant'Egidio, die den Religionsdialog Jahr f�r Jahr fortgef�hrt hat, ist zur Feier von �20 Jahren Assisi� nach Assisi selbst, in die Stadt des Heiligen Franziskus, zur�ckgekehrt. Man sieht die violetten K�ppis katholischer Bisch�fe, die Turbane muslimischer Geistlicher, Rabbiner mit steifem Hut, die geschorenen K�pfe buddhistischer M�nche. In der Lobby des Grand Hotel Assisi schwirrt es wie auf einer interreligi�sen UN-Konferenz. Anderthalb Tage Podiumsdiskussionen, dann eine Gebetszeit, getrennt nach Glaubensgemeinschaften, am Ende Prozession und Versammlung auf dem Platz vor der Franziskus-Basilika. Friedens-Open-Air an einem lauen umbrischen Sp�t sommerabend. Als Johannes Paul II. 1986 �sein� Assisi abhielt, herrschten noch Kalter Krieg und Atomwaffenangst. Die Religionen, die der Papst zum Friedensgebet einlud, spielten eine eher marginale Rolle. Heute, seit der Zuspitzung des Konflikts mit dem radikalen Islam, stehen sie im Zentrum. Der interreligi�se Dialog ist politisch brisant geworden - und zugleich gilt er schon wieder als �berholt, gutmenschenhaft, als �gefahrliche Naivit�t im Angesicht kriegerischer und terroristischer Bedrohungen�, wie Andrea Ric-cardi, der Gr�nder von Sant'Egidio, in Assisi selbst die Kritik zusammenfasste. Die Sant'Egidio-Leute sind aber keine blau�ugigen Idealisten, sondern ausgebuffte Techniker und Strategen der internationalen N�chstenliebe, gerade hatten sie bei der Vermittlung eines Waffenstillstands zwischen Regierung und Rebellen in Uganda die Hand im Spiel. Es gab dennoch Momente in Assisi, wo der1 Verdacht auf fromme Problemverschleierung sich aufdr�ngte. Als der israelische Chef-Rabbi-rier Yona Metzger in einem hebr�ischen Statement einen Satz Johannes Pauls II. auf Italienisch zitierte, in dramatischer Betonung: �Der Terrorismus ist der gro�e Feind des Friedens� - da spendete das Publikum, wie demonstrativ, keinen Beifall. Metzger verurteilte die d�nischen �Mohammed-Karikaturen und verlangte von muslimischen F�hrern das Gleiche f�r die Holocaust-Leugnung. Der Rektor der Kairoer Al-Azhar-Universit�t hatte dagegen auf demselben Podium nur h�chst allgemein und ohne Anflug von Selbstkritik �ber den Islam als Religion des Friedens gesprochen. Die ritualisierte, phrasenhafte Vers�hn-lichkeit ist eine Gefahr. Aber �Assisi� ist auch die Geschichte des algerischen Is-lamgelehrten, der 1986 ein frisch ge-backener Absolvent der Universit�t Mekka und voller Scheu vor Andersgl�ubigen war und jetzt, interreligi�s angefreundet, neben einem syrisch-orthodoxen Metropoliten �ber das Erbe Johannes Pauls II. meditiert. �Assisi� ist, dass muslimische Repr�sentanten erst nicht mit Vertretern des Judentums auf einem Podium sitzen wollten - inzwischen tun sie es. Wo dieser Respekt nicht gew�hrleistet ist, da gehen die Sant'Egidio-Leu|te nicht hin, wie nach Damaskus, wo der syrische Pr�sident nur zu gern Gastgeber f�r ein Religionstreffen gespielt h�tte. Die Weltlage, vom Kalten Krieg zum clash of civilizations, ist das eine, was sich seit 1986 ge�ndert hat. Das andere ist - der Papst. Joseph Ratzinger, damals Pr�fekt der Glaubenskongregation, verantwortlich f�r die Reinheit der katholischen Lehre, soll von dem Assisi-Event Johannes Pauls II. seinerzeit nicht begeistert gewesen sein. Ihn muss die Gefahr eines Glau-bensmischmaschs geschreckt haben, einer konturlosen pazifistischen Universal-fr�mmigkeit. Gleich in seinen ersten Amtsmonaten als Papst hat er klargemacht, dass der Religionsdialog f�r ihn mehr eine Art Weltkulturpolitik als eine echte theo-logische Herausforderung sei. Es war daher eine �berraschung, wie deutlich sich Benedikt XVI. jetzt mit dem Assisi-Projekt identifiziert hat - auf seine eigene, vorsichtige, intellektuelle Weise, nicht wie der Gesten- und Symbolmensch Wojtyla. Benedikt XVI. ist nicht nach Assisi gefahren, aber er hat eine Botschaft ge-schickt, kein H�flichkeitsgru�wort, sondern sieben Seiten Selbstgedachtes und Selbstgeschriebenes, die weit �ber das Dialog-Business hinausreichen und den Religionsfrieden in einer universalen Ethik der Liebe begr�nden. Der Papst bleibt nicht beim Stammvater Abraham stehen, auf den sich Juden, Christen und Muslime berufen, er geht bis auf den g�ttlichen Bund mit Noah zur�ck, der alle Menschen umfasst und sich laut Bibel im Regenbogen manifestiert: sch�nste Ratzingersche Glaubens- und Ideen-Musik. Es fehlt nicht die Mahnung, sich vor einer relativistischen Mischfr�mmigkeit in Acht zu nehmen. Aber dass dieser Papst den Religionsdialog ad acta legen und stattdessen vor allem die christlich-abendl�ndische Selbstbehauptung propa-gieren w�rde, was manche f�rchten und manche hoffen - das kann man getrost vergessen.
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