Comunità di S.Egidio


 

13/11/2007

Die Gemeinschaft Sant�Egidio
Christus in den Armen dienen
Interview mit Ursula Kalb, Verantwortliche der Gemeinschaft f�r Jugendpastoral in Deutschland

 

�Niemand ist zu schwach oder zu jung, um nicht einem noch Schw�cheren helfen zu k�nnen�, bekr�ftigt Ursula Kalb, die Verantwortliche f�r Jugendpastoral von Sant�Egidio in Deutschland.

Sie beleuchtet Charisma und Wesen der 1968 entstandenen Gemeinschaft, der in �ber 70 L�ndern mehr als 50.000 Personen angeh�ren. Sie und ihre Freunde setzen sich f�r die Weitergabe des Evangeliums und im Dienst an den Armen ein. Und das tun sie im Bewusstsein, dass �das Evangelium und der Dienst an den Armen eine Einheit bilden und nicht voneinander zu trennen sind�. Seit 1986 organisiert Sant�Egidio ein j�hrliches interreligi�ses internationales Friedenstreffen, an dem Hirten und F�hrer der Weltreligionen zusammenkommen. Die diesj�hrige Begegnung fand in der italienischen Stadt Neapel statt. Zum Auftakt der Veranstaltung hatte Papst Benedikt XVI. zusammen mit den Religionsvertretern gespeist und zu den Arbeiten ermutigt (vgl. Gru�wort).

Durch die Begegnung mit den Armen k�nnten gerade die Jugendlichen den Sinn der Worte Jesu erfassen: �Was ihr den Geringsten meiner Schwestern und Br�der getan habt, das habt ihr mir getan.� Und dann verst�nden sie auch, �dass die Geschichten ihrer �rmeren Freunde im Evangelium vorkommen und dass Jesus eine Antwort auf viele Fragen gibt. So wachsen die Jugendlichen in ein lebendiges Christentum hinein, in dem ihr eigenes Leben vorkommt und seinen Platz hat.�

ZENIT: Zu welchem Zweck wurden die Gemeinschaft Sant�Egidio gegr�ndet? Welche Aspekte waren den Gr�ndern besonders wichtig?

Ursula Kalb: Andrea Riccardi war 18 Jahre alt, als der die Gemeinschaft Sant�Egidio 1968 in Rom gr�ndete. Sein Weg war die Liebe zum Evangelium, die Auseinandersetzung mit der Schrift in der Welt von heute und die Liebe zu den Armen. Er ging mit den ersten Freunden in die Baracken-Viertel von Rom, traf sich mit ihnen in der kleinen Kirche Sant�Egidio in Trastevere zum Gebet und zur Reflexion der Schrift. Von dieser kleinen Kirche in Trastevere hat die Gemeinschaft auch ihren Namen.

F�r Andrea Riccardi stand und steht bis heute die Frage im Mittelpunkt, welche Aufgabe wir Christen in der Welt haben, wie wir als Christen die Geschichte mitbestimmen und ver�ndern k�nnen.

Sant�Egidio ist eine Gemeinschaft, die betet. Jeden Tag l�dt die Gemeinschaft zu einem offenen Abendgebet ein, bei dem das Evangelium gelesen und ausgelegt wird. Wir sind �Laien�: Menschen, die mitten im Leben stehen. Aber wir leben die Berufung, Christen in der Welt und f�r die Welt von heute zu sein. Dies f�hrt uns auf die Stra�en der eigenen Stadt und der Welt. Deshalb arbeitet die Gemeinschaft kostenlos und konkret mit den Armen der eigenen Stadt: mit Obdachlosen, Kindern und Jugendlichen in schwierigen Situationen, mit Fl�chtlingen und Ausl�ndern, mit alten Menschen und Behinderten.

Die �Armen� sind f�r uns wie �Br�der und Schwestern�, mit denen wir eine gro�e Familie leben wollen. Wir kennen jeden pers�nlich beim Namen, wir versuchen zu helfen, wenn jemand in Schwierigkeiten ist und bieten unsere Freundschaft an. Die Liebe zu den Armen in unserer N�he hat uns dann aber auch zu den Armen in die Ferne gef�hrt, vor allem nach Afrika. Dieser Kontinent mit seinen vielen Kriegen, mit der Krankheit Aids und der gro�en Armut liegt uns besonders am Herzen. Am 4.Oktober j�hrte sich �brigens zum 15. Mal der Friedensschluss von Mosambik, den die Gemeinschaft vermittelt hat.

ZENIT: Welche besonderen Akzente setzt Ihre Gemeinschaft bei der Verbreitung des Evangeliums?

Ursula Kalb: Es sind zwei Akzente: das Gebet und die Freundschaft zu den �Armen�. Das ist die Grundlage, die zur Gemeinschaft f�hrt. Denn das Gebet ist neben dem pers�nlichen Gebet vor allem ein gemeinsames Gebet nach den Worten: �Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.�

Die Freundschaft zu den Armen geschieht im gemeinsamen Dienst, bei dem niemand alleine gelassen wird. Wir sehen in der Begegnung mit den Armen vor allem die gro�e Notwendigkeit, die Welt f�r alle menschlicher zu gestalten � auch f�r den, der sich allein nicht mehr helfen kann. Zu diesem Weg laden wir ein.

Wir wollen mitwirken, eine neue Kultur der Menschlichkeit aufzubauen, in der der einzelne durch die Freundschaft eines Menschen die Liebe Gottes erf�hrt. Deshalb sprechen wir in Schulen �ber das Problem der Todesstrafe, �ber das Problem der Kinder in den armen L�ndern, die wir nicht vergessen d�rfen und f�r die wir uns einsetzen k�nnen. Wir laden ein, die gro�en Anliegen zu unterst�tzen, wie zum Beispiel das Programm zur Therapie von aidskranken Kindern, M�ttern und V�tern in Afrika. Wir laden ein, auch gro�e Tr�ume f�r die Welt zu haben und sie in konkreten Schritten zu verwirklichen.

�Niemand ist zu schwach oder zu jung, um nicht einem noch Schw�cheren helfen zu k�nnen.� Das ist eines der grundlegenden Gedanken, mit dem wir vor allem jungen Leuten sagen wollen: �Es ist nicht egal, ob du dich engagierst oder nicht. Jeder kann viel ver�ndern.� Der erste Schritt dabei ist, das eigene Herz zu ver�ndern und zu �ffnen: f�r das Evangelium und f�r die Armen. So laden wir zu gemeinsamen Gebeten ein und dazu, das Evangelium kennen zu lernen.

ZENIT: Sie wirken seit Jahren unerm�dlich in der Jugendarbeit ihrer Gemeinschaft. Was hat Sie dazu motiviert, sich der Gemeinschaft Sant�Egidio anzuschlie�en?

Ursula Kalb: F�r mich ist es der sch�nste Weg, das Evangelium konkret zu leben. Ich habe Sant�Egidio als Sch�lerin kennen gelernt, und was mich �berzeugt hat, war die Selbstverst�ndlichkeit, mit der die jungen Leute der Gemeinschaft in Rom von den Armen als ihren Freunden gesprochen haben und wie selbstverst�ndlich das Gebet und das Evangelium in ihrem Leben eine Rolle gespielt hat. Ich habe verstanden, dass das Evangelium und der Dienst an den Armen eine Einheit bilden und nicht voneinander zu trennen sind. Mir gef�llt, dass dieser tiefe christliche Weg f�r jeden m�glich ist, unabh�ngig von seiner pers�nlichen Lebensform. Es ist f�r mich die M�glichkeit, mich selbst in meinem Leben f�r andere einzusetzen, den Traum von einer gerechteren und menschlicheren Welt zu leben und jeden Tag neu das Evangelium als eine Gute Nachricht lebendig werden zu lassen.

ZENIT: Papst Benedikt XVI. hat die Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen wiederholt gebeten, die Kirche vor Ort nach Kr�ften zu unterst�tzen. Wie setzen Sie das um?

Ursula Kalb: Unsere Gemeinschaften sind in die jeweilige Ortskirche integriert und pflegen engen Kontakt zu den Verantwortlichen der Di�zesen, zu Bisch�fen, Pfarrern und anderen Verantwortlichen. Das offene Gebet ist in vielen St�dten ein Ort der Gastfreundschaft f�r viele geworden. Es bietet jeden Abend die M�glichkeit zur Begegnung mit der Schrift. Doch es ist kein anonymer Ort, sondern ein lebendiges Haus, an dem man einer Gemeinschaft begegnet.

Die gelebte Gastfreundschaft ist dabei ein wesentlicher Teil, wie sie in den alten Ordensregeln von Franziskus und Benedikt beschrieben steht. Nach dem Gebet oder der Eucharistiefeier gibt es immer die M�glichkeit zum Gespr�ch und zur Begegnung. Dar�ber hinaus arbeitet die Gemeinschaft mit vielen Pfarreien zusammen, gestaltet Gottesdienste mit, informiert �ber die internationalen Projekte, bietet M�glichkeiten zur Mitarbeit an.

Bei den sozialen Diensten f�r die Armen arbeiten wir eng mit kirchlichen Institutionen zusammen, zum Beispiel mit den Sozialstationen, wenn es um die Betreuung der alten Menschen geht, denen die Gemeinschaft helfen m�chte, in ihrem Zuhause und ihrer gewohnten Umgebung und Pfarrgemeinde zu bleiben. Wir arbeiten in verschiedenen Gremien und R�ten der Di�zesen mit. Wir begleiten Firmvorbereitungen, und bieten jederzeit unsere Hilfe an.

ZENIT: Welche Initiativen und Apostolate sind f�r Sie mit Blick auf die Jugend jetzt wichtig?

Ursula Kalb: Die Jugendlichen m�ssen zur Person Jesu hingef�hrt werde. Viele kennen das Christentum nicht mehr, vor allem Jugendliche aus den neuen Bundesl�ndern. Viele Jugendliche haben keine Vorbilder mehr, an denen sie sich orientieren k�nnen. Sie sind auf der Suche nach einem Sinn im Leben und nach�authentischem Christentum�. Deshalb brauchen Jugendliche die Begegnung mit Christen, die Zeugen des Evangeliums sein wollen; die das leben, wor�ber sie sprechen. Das christliche Leben muss konkret werden. Deshalb ist die Begegnung mit den Armen der eigenen Stadt sehr wichtig.

Die Jugendlichen lernen �Welten� kennen, die ihnen fremd sind, die Welt der alten Menschen, die Welt von armen Kindern, von Fl�chtlingskindern, die Welt der Sinti und Roma. Sie lernen die Leiden dieser Menschen kennen, die Einsamkeit, die Diskriminierung, die Haltlosigkeit und das Unrecht. Sie merken aber auch, dass sie viel bewirken und ver�ndern k�nnen.

Durch die Begegnung mit den Armen k�nnen sie verstehen, was es hei�t, wenn Jesus sagt: �Was ihr den Geringsten meiner Schwestern und Br�der getan habt, das habt ihr mir getan.� Sie verstehen, dass die Geschichten ihrer �rmeren Freunde im Evangelium vorkommen und dass Jesus eine Antwort auf viele Fragen gibt. So wachsen die Jugendlichen in ein lebendiges Christentum hinein, in dem ihr eigenes Leben vorkommt und seinen Platz hat. Die Jugendlichen m�ssen dabei Gemeinschaft erfahren, und sie d�rfen mit ihrem Leben und ihren Problemen nicht alleine gelassen werden.

In einer stark individualistischen Welt, in der auch die famili�ren Bindungen leider zu oft zerbrechen, leben die Jugendlichen in einer Welt �ohne V�ter und M�tter�, das hei�t, ohne Menschen, die ihnen eine dauerhafte Bindung und Sicherheit geben k�nnen. Umso mehr brauchen sie Orte, an denen sie Gemeinschaft erfahren k�nnen, an denen sie sich orientieren k�nnen. Sie brauchen Orte, an denen sie einer wirklich befreienden und froh machenden Botschaft f�r ihr Leben begegnen, dem Evangelium.