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S�ddeutsche Zeitung |
22/12/2007 |
Die guten Menschen von Rom |
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N�chstenliebe: Zu Weihnachten beschenkt die Gemeinschaft Sant�Egidio die Armen Roms - auch diese junge Romafrau.
Bananen haben es schwer in Rom. Ein trockener kalter Nordwind, zerzaust sie im Winter. Mitten im Stadtviertel Trastevere aber, im Innenhof einer Gemeinschaft der besonderen Art, gedeihen zwei pr�chtige, haushohe Stauden. Fast f�hlt sich der Gast wie in Afrika. "Hier herrscht ein besonderes Mikroklima", sagt Cesare Zucconi und deutet auf die Mauern des Hofs. "Diese haben einst Schwestern, die hier in Klausur lebten, so hoch gezogen, damit die Nachbarn sie nicht sehen konnten." Heute dient das Kloster der internationalen katholischen Laien-Gemeinschaft Sant�Egidio als Hauptquartier.Hier, unter den Bananen, haben schon Pr�sidenten, Diktatoren und Rebellenf�hrer gesessen, um �ber Krieg und Frieden in ihren L�ndern zu diskutieren, erz�hlt Zucconi. Manchmal, im Falle Mosambiks etwa, f�hrte das zu einem Erfolg, an den keiner mehr recht glaubte - zu einem dauerhaften Frieden. Denn nicht nur im Bananenhof, sondern auch in der ganzen Gemeinschaft herrscht ein Mikroklima, das erstaunliche Dinge reifen l�sst.J�ngstes Beispiel: das Moratorium zur Todesstrafe. Diese Woche stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit gro�er Mehrheit f�r einen weltweiten Stopp der Hinrichtungen, und das, obwohl sich die USA und China dagegen stemmten. In den sechziger Jahre von Sch�lern gegr�ndetSant�Egidio hatte seit Jahren an vorderster Stelle auf diesen Moment hingearbeitet. "Das Moratorium ist ein moralischer Sieg", sagt Marco Impagliazzo, der Pr�sident von Sant�Egidio. Wie alle Mitarbeiter wirkt der jugendliche Mann mit den schwarzen Locken hier ehrenamtlich, im Brotberuf ist er Geschichtsprofessor. Der UN-Beschluss zeitige schon praktische Folgen, erz�hlt er. "Am Tag nach der Abstimmung rief mich der Justizminister eines afrikanischen Landes an und bat: �Helft uns, die Todesstrafe abzuschaffen.�" Wieder einmal scheint ein Traum von Sant�Egidio heranzureifen. Die Bewegung war Ende der sechziger Jahre von r�mischen Sch�lern um den Gymnasiasten Andrea Riccardi gegr�ndet worden. In einer Zeit des Aufbruchs und der Proteste wollten sie Engagement und Gebet in einer Bewegung vereinen. Sie trafen sich zu Messen und Bibellesungen und verbrachten viel Freizeit damit, den Armen zu helfen, von denen es in Rom schon immer viele gab. Ende der siebziger Jahre stie�en Impagliazzo und sein Freund Zucconi dazu. "Wir gingen ein, zwei Nachmittage in der Woche in die armen Vorst�dte und halfen den Kindern bei den Hausaufgaben", erinnert sich Impagliazzo. 50.000 Mitglieder in 70 StaatenHeute ist aus diesen Anf�ngen eine Bewegung geworden, die nach eigenen Angaben 50.000 Mitglieder in 70 Staaten hat. "Unser wichtigstes Werk bleibt dabei das Gebet", sagt Impagliazzo, "ob wir uns hier in Trastevere treffen oder in einer Strohh�tte in Kamerun". Doch aus dem Gebet fl�ssen Taten - vor allem die Hilfe f�r die Armen.Allein in Rom k�mmern sich die Freiwilligen um 10.000 Menschen, um Immigranten, Obdachlose, Drogens�chtige oder um die immer zahlreicheren Alten und Familien, die mit ihren Eink�nften im teuren Rom nicht mehr ans Ende des Monats kommen. Sie versorgt Sant�Egidio in seinen Zentren f�nf Mal die Woche mit einem warmen Abendessen. Sie erhalten Sprachunterricht, Anwaltsberatung, �rztliche Hilfe und, wenn sie wollen, einen schicken Haarschnitt oder eine T�nung. "Auch Friseure helfen uns", sagt Impagliazzo, "an ihren freien Montagen." F�r den ersten Weihnachtsfeiertag haben die Aktivisten 10.000 Festessen vorbereitet. Allein in Santa Maria in Trastevere, der vielleicht stimmungsvollsten Kirche Roms, wird 600 Menschen aufgetischt. Sie haben gedruckte Einladungen erhalten, werden Geschenke bekommen und nat�rlich beim Essen bedient. "Schlie�lich behandeln wir die Armen nicht als Bittsteller, sondern als Freunde", sagt Zucconi.International k�mmert sich die Gemeinschaft besonders um Aidskranke in Afrika. 40.000 Menschen hat sie dieses Jahr betreut. "Unser Ziel ist es, dass sie in Afrika eine genauso gute Behandlung bekommen wie in Europa", sagt Impagliazzo. Da der Krieg auch Hilfsprojekte zerst�rt, versucht Sant�Egidio, bei Konflikten in aller Welt, von Guatemala bis in den Kongo, zu vermitteln. "Die kleinen UN von Trastevere", wird die Gemeinschaft genannt. Manchmal kann die unabh�ngige Organisation mehr erreichen als die gro�e Schwester in New York. Derzeit sitzen Leute von Sant�Egidio mit am Tisch, wenn �ber Frieden f�r den Sudan, Nord-Uganda und den Kongo gesprochen wird.Bush bei Sant�EgidioSo r�hrig sind die Menschenfreunde aus Trastevere, dass sie sogar George W. Bush anlockten: Als der US-Pr�sident im Juni Rom besuchte, bestand er darauf, Sant�Egidio zu treffen. "Wir waren �berrascht, aber wir haben ja gesagt", erz�hlt Impagliazzo. "Denn wir nehmen jeden auf." Aus Sicherheitsgr�nden konnte die Begegnung allerdings nicht im Bananenhof stattfinden. So traf man sich in der US-Botschaft. "Wir sagten: Herr Pr�sident, unser Motto bei Sant�Egidio lautet: Der Krieg ist die Mutter aller Armmut", erinnert sich Impagliazzo. "Da ist er stumm geblieben."Impagliazzo und Zucconi haben noch einen gro�en Traum - den Weltfrieden. Deswegen organisiert Sant�Egidio auch die j�hrlichen Friedensgebete der Weltreligionen. "F�r uns ist Krieg nie heilig, nur Frieden ist heilig", sagen die beiden. Nat�rlich wissen sie, dass Sant�Egidio nie den Frieden auf Erden erreichen wird. Aber davon tr�umen wird man unter den Bananen in Trastevere ja noch d�rfen.
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