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Dankgottesdienst zum 50. Jahrestag der Gemeinschaft Sant’Egidio

10. Februar um 17.30 Uhr in der Lateranbasilika des Hl. Johannes

Die ersten Personen sind 2018 durch die humanitären Korridore in Italien angekommen. Die neue Phase des Projektes, das zum Modell der Gastfreundschaft und Integration für Europa geworden ist


 
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13 September 2011 11:00 | KZ-Gedenkstätte Dachau

Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte in Dachau - Franz Rosenbach



Franz Rosenbach


Testimone, Associazione dei Sinti e Rom, Germania

Als einer der Wenigen, die den Völkermord an unserer Minderheit überlebt haben, möchte ich Zeugnis ablegen über die Verbrechen, die unseren Menschen ebenso wie unseren jüdischen Leidensgenossen in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurden.

Ich lebte damals mit meiner Familie in einem Dorf in Niederösterreich, wo ich die Schule besuchte und mein Vater bei einer Baufirma arbeitete. Ich selbst war nach meinem Schulabschluß bei der Bahn angestellt. 1942 wurde mein Vater plötzlich von der Gestapo verhaftet - ich war damals 15 Jahre alt.

Ein Jahr später - im März 1943 - wurde auch ich direkt von meinem Arbeitsplatz von der Gestapo abgeholt und zusammen mit meiner Mutter, meinem Onkel und dessen Kindern in das sogenannte „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Meine drei größeren Schwestern waren bereits zuvor nach Auschwitz-Birkenau verschleppt worden. Von ihnen mußte ich in Auschwitz erfahren, daß mein Vater zwei Tage vor unserer Ankunft von der SS erschlagen worden war.

Das sogenannte „Zigeunerlager“ lag unmittelbar neben dem Abschnitt, wo die Juden untergebracht waren; getrennt waren wir durch einen elektrisch gelandenen Stacheldrahtzaun. In unserer Baracke waren 500 bis 600 Menschen zusammengepfercht - dicht gedrängt lagen wir in den Buchsen. Die Nässe und die Kälte waren kaum auszuhalten.

Bald nach der Ankunft wurde ich eingeteilt zur Zwangsarbeit im Kommando Kanalbau in Birkenau, das nur aus Sinti und Roma bestand. Es gab keine Schuhe, keine Strümpfe - bei Sturm und Regen mußten wir ununterbrochen Lehm schaufeln. Mit großen Stöcken wurden die abgemagerten Häftlinge bis zur völligen Erschöpfung angetrieben; jeden Abend mußten wir Tote heimtragen - wer es nicht selbst miterlebt hat, kann es sich nicht vorstellen. Die Lagerstraße von Birkenau war übersät mit Toten. Nachts, wenn alles gefroren war, wurden die steifgefrorenen Leichen auf Lastwagen geworfen und weggefahren.

Eines Tages kamen wir auf Transport nach Buchenwald zum Arbeitseinsatz, wie es hieß. Meine Mutter weinte beim Abschied und sagte, ich solle auf mich aufpassen. Ich habe sie niemals wiedergesehen. Bei der Auflösung des „Zigeunerlagers“ in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurde sie von der SS in den Gaskammern ermordet - zusammen mit über 2800 unserer Menschen.

In Buchenwald mußte ich im Steinbruch Zwangsarbeit leisten und tagtäglich Steine eine Treppe hochschleppen. Mein Block war unten am Wald - im sogenannten „kleinen Lager“. Ende 1943 wurden wir mit Viehwaggons nach Mittelbau-Dora transportiert, welches damals noch ein Außenlager von Buchenwald war. Im Kommando B 11 mußte ich im Stollen als Bohrer arbeiten und die Trümmer wegräumen. Manchmal kam es zu Fehlzündungen, wobei viele Häftlinge umkamen. Wir arbeiteten in mehreren Schichten: Nach acht bis zehn Stunden schwerster Sklavenarbeit verließen die Häftlinge schneeweiß vor Staub den Stollen, um nach einem kläglichen Abendessen zu Tode erschöpft in den Schlaf zu sinken. Viele waren bis auf die Knochen abgemagert. Diese sogenannten „Muselmänner“ waren der Willkür der SS-Männer besonders ausgeliefert und hatten kaum eine Überlebenschance. Nur wer noch fähig war zu arbeiten, hatte ein Recht zu leben. Wer in Dora nicht mehr arbeiten konnte, der war verloren.

Mancher Häftling hat in seiner Verzweiflung einen Fluchtversuch gewagt - fast immer vergeblich. Ich erinnere mich noch genau, wie die SS einen Sinto, der versucht hatte zu fliehen, grün und blau geschlagen hat. Dieser
                       
Häftling mußte sich direkt an den elektrischen Stacheldraht stellen und
immer wieder rufen: „Hurra, ich bin wieder da!“, bis er schließlich zusammengebrochen ist. Anschließend wurde er auf dem Appellplatz
aufgehängt. Es gab auch Tage, wo wir stundenlang voller Todesangst Appell stehen mußten. Viele sind dabei vor Entkräftung zusammengebrochen und gestorben.

Ende 1944, als die russische Front immer näher rückte, sollten wir in das Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg verlegt werden. Wir sind mit ungefähr 500 Mann von Harzungen losmarschiert - unter eienem Kommando der SS. Tagelang mußten wir - obgleich völlig erschöpft - marschieren. Nachts schliefen wir im Wald. Wer nicht mehr weiter konnte, mußte sich in einen Graben setzen und bekam einen Genickschuß; der Volkssturm hat die Leichen anschließend am Straßenrand begraben. Als wir schließlich in Oranienbaum ankamen, waren wir noch wenige Mann. Wir sollten dort in einem Schützengraben die russischen Panzer aufhalten, während die SS-Männer sich bereits davonmachten. Es ist mir schließlich gelungen, in den Wald zu flüchten und mich bis nach Österreich durchzuschlagen. Bei meiner Befreiung war ich 18 Jahre alt. Doch in meinem Heimatort habe ich zunächst niemanden von meiner Familie wiedergefunden. Erst 1950 habe ich durch einen Zufall in Nürnberg zwei meiner Schwestern getroffen: Wir drei waren die Einzigen von unserer ganzen Familie, die den Völkermord überlebt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns, die wenigen Überlebenden des Holocaust, hat es eine wirkliche Befreiung niemals gegeben. Es gibt Erlebnisse und Erinnerungen an jene Zeit, die man nie wieder los wird - die immer wiederkehren in unseren nächtlichen Träumen.
Über 40 Jahre hatte ich gebraucht, um über die fürchterlichen Erlebnisse von damals sprechen zu können. Heute berichte ich als Zeitzeuge vor Schulklassen, um der jungen Generation zu vermitteln, wohin  - wie es in der Präambel der Bayerichen Verfassung heisst - „eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen“ das deutsche Volk einst geführt hat und um dazu beizutragen, daß sich etwas derartiges auf deutschem Boden niemals wiederholen wird. Deshalb rufe ich euch zu: „Ihr seid die Zukunft Deutschlands, macht etwas Gutes daraus!“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


München  2011

Botschaft
von Papst
Benedikt XVI


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