Silvia Marangoni
Gemeinschaft Sant�Egidio
1. Befindet sich der �weise alte Mensch� in der Krise? Es gibt einen Wert, der durch die moderne Zeit fast anachronistisch geworden ist: die Weisheit. Heute ist es schwierig geworden, zu akzeptieren, dass die Vergangenheit etwas lehren kann. Die Gegenwart stellt immer wieder neue Herausforderungen und Probleme, f�r die es sicherlich noch keine erprobten Antworten gibt. Die Kommunikationstechnik hat den alten Menschen dieser letzten Generation einen gro�en Teil ihrer Zuh�rerschaft entzogen. Der Verlust des Bewusstseins der Kontinuit�t und der gegenseitigen Abh�ngigkeit zwischen den Generationen f�hrt dazu, dass die pers�nliche und die kollektive Erinnerung gedem�tigt wird. Die Trennung zwischen jungen und alten Menschen wird so versch�rft, und am Ende wird ein Lebenssystem geschaffen, welches die alten Menschen entfernt und isoliert. Aber es ist nicht weise, es ist nicht gut, so zu leben, als ob jeder Tag der erste einer neuen �ra w�re. Um uns von dem Risiko eines kollektiven Ged�chtnisschwundes zu befreien, k�nnen wir unsere Aufmerksamkeit auf jenen Vorrat an Weisheit lenken, den die zeitgen�ssische Welt uns schenkt: die Welt der alten Menschen. Obwohl die Weisheit kein standesamtliches Ergebnis ist, werden wir sie, wenn wir auf viele gelebte und erlittene Leben zur�ckgreifen, als Hinterlassenschaft derer erkennen k�nnen, die uns vorangegangen sind, eine Hinterlassenschaft, die man aufnehmen und erforschen sollte. Sich an die Identit�t der anderen zu binden, sich mit dem zu unterhalten, der vor uns gekommen ist, hilft unsere eigene Identit�t aufzubauen und st�rkt in uns den Sinn f�r ein gemeinsames Schicksal. Auch derjenige, der sich in der Bem�hung etwas mitzuteilen, erinnert, erh�lt oft Hilfe, um sich von der Pathologie zu befreien, die eine Erinnerung ohne Austausch, in ihrer Dramatik h�ufig mit sich bringt. Das Nachweinen, das Heimweh, der Groll, die Neigung zum Selbstmitleid, die manchmal die Erinnerung vieler alter Menschen und ganzer Generationen vergiften, k�nnen gelindert und geheilt werden, wenn man der Erinnerung einen allgemeinen Sinn und eine neue Perspektive gibt, die sich der Zukunft �ffnet und zun�chst erlaubt, sich selbst mit wiedergefundner Hoffnung zu betrachten. Sollen wir also diese Leere nicht auff�llen, wenn wir eine Zukunft als Individuen und als Allgemeinheit haben wollen? Und sollen wir nun nicht jeder Altersstufe unseres Lebens wieder Sinn und W�rde geben, von der Kindheit bis zum Alter? 2. Ein neuer Sinn f�r die Langlebigkeit Die beiden Probleme k�nnen sehr entfernt voneinander erscheinen, aber der Titel dieser unserer Diskussionsrunde f�gt sie eng zusammen, indem er uns die Bedingungen einer Strategie vorschl�gt, die den Frieden zum Ziel hat. Frieden als Abwesenheit von Krieg, gewiss, aber auch Frieden als Humanisierung unseres sozialen Lebens. Die Alten lieben, ihnen eine Rolle in unserem Zusammenleben zur�ck zu geben, f�r sie Energien aufwenden, ist ein sch�nes und faszinierendes Unterfangen, an dem man sich versuchen kann, damit ihr Leben sprechen, Frucht geben und uns jene Weisheit geben m�ge, an der uns mangelt. Die zeitgen�ssische Welt hat den Sinn f�r das Alter verloren und damit die Wahrheit �ber das menschliche Leben, die Gott von Anfang an in das Bewusstsein des Menschen eingepr�gt hat. Im 25. Kapitel des Buches Genesis lesen wir: �Das ist die Zahl der Lebensjahre Abrahams: 175 Jahre wurde er alt, dann verschied er. Er starb in hohem Alter, betagt und lebenssatt, und wurde mit seinen Vorfahren vereint.� Hier spricht die Schrift, so wie bei anderen Patriarchen, von der L�nge des Lebens wie von einem Segen und einem Geschenk von Gott. Trotzdem wird der Behauptung, dass ein langes Leben ein Segen sei, im sozialen Verhalten widersprochen, das oft ungastlich oder ver�rgert gegen�ber demjenigen ist, der alt ist. Wenn auch die Langlebigkeit eine unbestreitbare Errungenschaft sein mag, eine der positivsten Fr�chte, die uns unsere Zeit geschenkt hat und die menschliche Lebensverl�ngerung ein revolution�res Ph�nomen ist, das alle Gebiete des Planeten interessiert, macht es die Art und Weise, in der unsere Gesellschaft strukturiert ist, schwierig, die neuen, durch das Alter angebotenen Gelegenheiten aufzugreifen. Unsere Kultur ist gegen�ber der Demographie sehr versp�tet, noch �berwiegt eine negative Deutung des Ph�nomens der Vergreisung. Die Dimension der Schw�che oder der Zerbrechlichkeit wird im allgemeinen, wenn nicht ausschlie�lich, als Niedergang verstanden, wenn nicht sogar als Kostenfaktor, in �konomischer, menschlicher und sozialer Hinsicht. Es w�rde sich lohnen, sich gr�ndlich �ber die Explosion von Todesf�llen, zumeist von �ber 65-J�hrigen, zu befragen, die der eben vergangene Sommer in verschiedenen europ�ischen L�ndern zu verzeichnen hatte, allen voran Frankreich und nicht zuletzt Italien. Schuld daran war ohne weiteres die Zwangslage der Hitze, die mehrere Wochen lang nicht nachlie�: aber sind wir sicher, dass ohne die Komplizenschaft der Einsamkeit, der Verwahrlosung, der Gleichg�ltigkeit die Zahlen so dramatisch ausgefallen w�ren? Aber die Meldung, die von den Nachrichten berichtet wurde, ist gerade erst einige Wochen alt, dass hier in Deutschland eine Bewegung entstanden ist, die darauf ausgerichtet ist, die sozialen und gesundheitlichen Vorteile, die f�r die alten Menschen bestimmt waren, zu reduzieren, um die Geldmittel wieder zugunsten der jungen Leute umzuwandeln. Weiterhin k�nnen wir den wachsenden Konsens in Bezug auf das Thema der Euthanasie nicht vergessen, der vor allem in Europa in der landl�ufigen Meinung vorherrscht, es ist sicher kein Kampf der alten Menschen, sondern vielmehr derjenigen, die das Leben nur in dem Ma�e sch�tzen, in dem es Genuss und Wohlstand bringt und die das Leiden, die Abh�ngigkeit, die Zerbrechlichkeit als unertr�gliche Niederlage betrachten, von der man sich um jeden Preis befreien muss. Der Tod wird zur �geforderten Befreiung�, wenn die Existenz als solche als wertlos angesehen wird. Um dieser Vision entgegenzuwirken und jede neue Generation muss unbedingt eine neue Kultur entwickeln, die nicht das Ziel verfehlt, die Zentralit�t der menschlichen Person und ihrer W�rde zu wiederholen, auch wenn man schw�cher ist. Es ist n�mlich notwendig, dass die eigentliche Herausforderung siegt, eines als Segen und nicht als Fluch angenommenen Alters. Die alten Menschen von heute tragen die Verantwortung, eine Avantgarde darzustellen, die eine w�nschenswerte Art und Weise aufbaut, alt zu sein. Das Risiko f�r die alten Menschen ist es, sich in sich selbst zur�ckzuziehen, sich in der Selbstbemitleidung zu verschlie�en, bis hin zu Haltungen der Selbstisolation. Man muss dem Alter, das man gerade lebt einen Sinn geben; vor allem durch eine Neuauslegung der Vergangenheit, die jenseits von jedem Nachweinen und jeder Nostalgie ein Nachdenken �ber das Gelebte im Kontext einer vertrauensvollen �ffnung gegen�ber den anderen und den Dingen der Welt ist; dann indem man das eigene Alter akzeptiert, es mit seinen Begrenzungen und seinen M�glichkeiten aufnimmt. Im Alter gibt es Winkel der Jugendlichkeit, weite R�ume des Lebens. Man muss den alten Menschen helfen, diese zu entdecken. Dies ist m�glich, wenn die Gemeinschaft in welcher der alte Mensch lebt, ihrerseits das Alter akzeptiert und ihm Bedeutung, Werte und Rechte verleiht, und den alten Menschen dadurch die M�glichkeit gibt, in rechter Weise alt zu werden. Die Kunst zu altern h�ngt nur zum Teil von der Einzelperson ab; im �brigen von dem Umstand, wer um ihn herum ist � die Familie, die Freunde, das soziale Umfeld, die Einrichtungen, die Dienste � sie bieten ihm die Lebensbedingungen, die er selbst sich nicht geben kann. Ohne Liebe sterben die Alten. Man muss die Alten lieben, damit die Tugenden des Alters bl�hen und Frucht bringen k�nnen. 3. Sant�Egidio und die Freundschaft mit den alten Menschen: eine Intuition der Liebe Ich sage es mit einem Bewusstsein, dass aus der Geschichte der Freundschaft der Gemeinschaft Sant�Egidio mit den alten Menschen kommt; einer Geschichte die gerade in diesem Jahr 2003 ihren drei�igsten Geburtsstag feiert. Es ist die Geschichte eines Bundes, den die Gemeinschaft mit den alten Menschen geschlossen hat, als sie ihre Armut, ihre Einsamkeit, ihren Schmerz entdeckt hat, aber auch als sie ihr Geheimnis verstanden und es mit ihnen geteilt hat: den Wunsch zu leben. Viele sind Zeugen und Mitwirkende dieses gro�en Vertrauens: Tausende von alten Menschen, M�nner und Frauen, in vielen Teilen der Erde. Viele haben wieder neu zu leben angefangen, zu lieben; nicht wenige haben gelernt, den anderen zu dienen. Gerade in diesem Jahr erkl�rte Andrea Riccardi, indem er an diese Geschichte erinnerte: �Heute verstehen wir das besser, was eine Intuition des Anfangs war: es war eine Intuition der gelebten Liebe einer Handvoll Jugendlicher, damals Jugendlicher, die ihre Zeit in einer anderen Art und Weise verbrachten als ihre Altersgenossen. Es war eine Intuition der Liebe. Es war eine Liebe auf den ersten Blick. Keine Betreuung, sondern eine Liebe. Jene Jugendliche verbrachten ihre Zeit in dem Mut zu lieben. F�r viele war es damals eine Entscheidung gegen den Strom. Es bleibt auch heute so. Junge und weniger Junge verbringen heute ihr Leben im Mut zu lieben. Sie entdecken, dass sie f�hig sind, zu lieben, Freude zu schenken und Liebe zu empfangen.� Die Liebe zu den alten Menschen ist eine der grundlegenden Entscheidungen, in der die Tatsache zum Ausdruck kommt, dass sich das Leben der Gemeinschaft Sant�Egidio auf die Kostenlosigkeit der Liebe gr�ndet. Nicht der Eigennutz, sondern die Kostenlosigkeit der Liebe. Und die Kostenlosigkeit der Leibe ist fruchtbar. Wir alle sind davon Zeugen. Und die alten Menschen helfen der Gemeinschaft, der Kirche, der Welt. 4. Die Charismen des Alters in der zeitgen�ssischen Welt Die alten Menschen k�nnen der zeitgen�ssischen Welt helfen. Das Vorhandensein vieler alter Menschen ist eine Gabe, ein neuer menschlicher und spiritueller Reichtum. Ein Zeichen der Zeit, das dem heutigen Menschen, wenn es aufgenommen und verstanden wird, helfen kann, den Sinn des Lebens wiederzufinden, der weit �ber die Bedeutungen hinausgeht, die der Markt ihm zuschreibt. Der Aufbau einer befriedeten Menschheit wird nur tragf�hig sein, wenn dabei der Respekt vor dem Leben in all seinen Phasen zugrunde liegt. Der Beitrag, den die alten Menschen f�r den Prozess der Vermenschlichung unserer Gesellschaft und unserer Kultur leisten k�nnen, ist in diesem Sinne um so wertvoller und muss gef�rdert werden, indem man das hervorhebt, was wir als Charismen des Alters bezeichnen k�nnten: Das Alter hat seine Tugenden, wie jedes andere Lebensalter: es geht darum, sie zu erkennen, sie reifen zu lassen, sie mitzuteilen. Zeigen k�nnen, dass das Elter seine Sch�nheiten hat. Das erste Charisma ist das der Erinnerung: �In unserer Zeit,� schrieb Paul VI in Evangelii Nuntiandi, �h�rt der Mensch mehr (...) auf Zeugen als auf Lehrer, er tut das, weil sie Zeugen sind.� (Nr. 41) Es ist wahr, h�ufig r�ckt der kulturelle Unterschied, der Unterschied an Bildung und sozialem Prestige die alten Menschen von den Erwachsenen und den Jugendlichen weg, und er entzieht ihnen das Wort oder zumindest das Wort, das z�hlt, das Orientierung und Sinn gibt. Aber ohne Zeugen, ohne Erinnerung, ohne Mitteilung verleiht man der Geschichte keine Perspektive und wenn man die Geschichte abwertet, bedeutet dies auch auf die Bildung der Jugendlichen zu verzichten: wenn man die Vergangenheit nicht kennt, k�nnte man sie wiederholen, mit ihren Irrt�mern und ihren Gr�ueln. Nicht durch Zufall gibt es einen Bereich, in dem sich die alten Menschen wirklich als weise und hellsichtig erwiesen haben und eine gro�e Intuition gezeigt haben. Es ist der Bereich des Friedens. Wir haben es in diesem Jahr erlebt, w�hrend des Irakkrieges vor kurzem, als der gr��te Teil der alten Menschen vor dem Krieg Angst hatte, zum Frieden geraten und f�r den Frieden gebetet hat. Mit Weisheit sagte ein gro�er Kirchenvater der �stlichen Tradition, der Heilige Johannes Chrysostomos: �Der Krieg, eine so schmerzliche Sache kann nur demjenigen sch�n erscheinen, der ihn nicht erfahren hat�. Jemand begeistert sich f�r den Krieg, der nicht wei�, was der Krieg ist. Die alten Menschen wissen, was der Krieg ist: sie m�gen links oder rechts sein, in Bezug auf die eigenen Waffentaten schummeln, aber die Stunde der Wahrheit kommt, in der sie uns beibringen, den Krieg zu hassen, seine Grausamkeit zu sehen. Wenn sie erz�hlen, sprechen sie als ob sie uns eine Impfung einspritzen wollten. Die pers�nliche Geschichte des alten Menschen, die im Ged�chtnis aufbewahrt wird und dazu bereit ist, wieder erweckt und mitgeteilt zu werden, ist nicht etwas �berholtes, sondern stellt ein Gut an pers�nlicher Erf�llung, an Werten und kollektivem Schicksal dar, das unersetzlich und reich an Keimzellen der Zukunft ist. Das ist die Weisheit, die wir brauchen. Aber diese Weisheit und dieses Gut sprechen nicht von alleine, wenn sie nicht befragt werden. Wir m�ssen lernen, die alten Menschen zu befragen, indem wir jene Gleichg�ltigkeit �berwinden, die so sehr gegen das Leben s�ndigt. Die m�ndlich �berlieferte Geschichte, die pers�nlichen Zeugnisse, die sicherlich l�ckenhafter und subjektiver sind, als die wissenschaftlichen und akademischen, rufen Fragen, Neugierde, Austausch, Interesse, Auseinandersetzung und pers�nliche Errungenschaften hervor. Ich denke immer mit Zuneigung an Settimia Spizzichino, r�mische J�din, Freundin vieler von der Gemeinschaft Sant�Egidio und vieler Jugendlicher, die Auschwitz �berlebt hat. W�hrend der ganzen �brigen Zeit ihres langen Lebens hat sie die Verpflichtung empfunden, zu erz�hlen und wir sind ihr daf�r noch dankbar. Die Erinnerung baut eine Br�cke zwischen Jugendlichen und alten Menschen auf, sie f�hrt den Dialog zwischen verschienen Generationen wieder ein. Und h�ufig besteht zwischen Jugendlichen und alten Menschen viel mehr N�he, als es unser Kult der Jugendlichkeit vermuten lie�e. Wenn wir vom Dialog sprechen, ber�hren wir das zweite Charisma des alten Menschen. Der alte Mensch hat das Charisma der pers�nlichen Beziehung. Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Krise der Beziehungsf�higkeit in vielerlei Weise unsere Lebensumst�nde angegriffen hat. Man tauscht Meldungen in einer Menge und einem noch nie da gewesenen Rhythmus aus, man benutzt schnellste Apparate, aber im Informationsfluss wird der Dialog, die Begegnung immer seltener. Heute sind unsere sozialen Beziehungen k�hler, unbeteiligter, anonymer, austauschbar und sehr stark der Unbest�ndigkeit unterworfen. Und doch gibt es viele Leute, die einen fast verzweifelten Wunsch haben, zu kommunizieren, jemanden zu finden, der ihnen zuh�rt, dem man sich anvertraut. Die alten Menschen lieben es, wenn man ihnen zuh�rt, aber sie haben auch die F�higkeit, zuzuh�ren. Sie sp�ren das Bed�rfnis, Freunde zu haben und Freunde zu sein. Die menschlichen Gesellschaften w�ren besser, wenn sie verstehen w�rden, die gro�en Ressourcen der Zuneigung von alten Menschen f�r das Gleichgewicht der Gesellschaft, der Familien, der Leute zu nutzen. Nicht selten erreichen gerade die alten Menschen ein hohes Ma� an Toleranz und Respekt f�r die anderen und deshalb k�nnen sie sich darum k�mmern, ein neues Verst�ndnis zwischen den Individuen, den Generationen und den V�lkern zu bezeugen, welches das Misstrauen und die Aggressivit�t ausr�umt. Auch in diesem Sinne stellen die alten Menschen die Weisheit des Friedens dar. Ein drittes Charisma ist das der Kostenlosigkeit. Der Alte wird of t als unn�tz angesehen. Die vorherrschende Kultur misst den Wert unserer Handlungen gem�� der Parameter einer Leistungsorientierung, welche die Dimension der Kostenlosigkeit nicht kennt. H�ufig ist der pers�nliche Eigennutz die Motivation zu handeln und in Wechselwirkung zu stehen. Wir nehmen so an einer besorgniserregnenden humanistischen Rezession teil, die alle einbezieht, besonders in den gro�en st�dtischen Ballungsr�umen der westlichen Metropolen. Die Einsamkeit und die Unn�tzlichkeit, zu der viele alte Menschen verdammt sind, offenbaren es uns. Dennoch kann der alte Mensch, der so viel Zeit hat, der die Zeit der Verf�gbarkeit lebt, wieder die Notwendigkeit in das Blickfeld einer zu besch�ftigten Gesellschaft r�cken, jene Gleichg�ltigkeit einzud�mmen, die schon zur Normalit�t geworden ist, welche die Str�mung altruistischer Impulse entmutigt. Die Kostenlosigkeit ist ein wesentlicher sozialer Wert. Die alten Menschen sind nicht nur n�tzlich durch das was sie tun, sondern auch durch das was sie sind. Ihre Weisheit ist in Wirklichkeit auch die, das eigene Bed�rfnis nach den anderen nicht zu verstecken. Die Frage nach Begleitung der alten Menschen ist nicht nur eine Frage des guten Herzens, es ist auch eine n�tzliche Frage. F�r den, der j�nger ist, ist die N�he zu ihrer Schw�che ein Moment menschlichen Wachstums und auch von anthropologischer Wahrheit: wir alle brauchen jemanden, alle sind wir voneinander abh�ngig. Man kann nicht alleine gl�cklich sein, ohne die anderen oder noch schlimmer gegen die anderen. Wir kommen zum vierten und letzten Charisma: das Gebet. Unser Leben, das von der Eile beherrscht wird, ist zerstreut, es vergisst die grundlegenden Fragen �ber die Berufung, die W�rde und das Schicksal des Menschen. Das Alter kann die Jahreszeit der Kontemplation sein, der Innerlichkeit, der vertrauenden Hingabe, des Gebetes. Auch ein alter Mensch, der am Ende seiner Kr�fte ist, kann in seinem Bett wie ein M�nch werden , ein Eremit und mit seinem Gebet die Welt umspannen und besch�tzen. Wir haben es in den vergangenen Monaten gesehen, als viele alte Menschen nicht darauf verzichtet haben, zu Gunsten des Friedens aktiv zu werden. Das Mobilisieren der alten Menschen war vor allen Dingen, sicher nicht nur, ein Mobilisieren im Gebet. Ich m�chte gerne erz�hlen, wie in Hunderten von Altenheimen, in vielen Teilen der Welt, Tausende von alten Menschen nicht aufgeh�rt haben zu hoffen, dass der Friede �ber die Waffen siegen k�nnte und die um den Frieden erbeten haben, die f�r den Frieden gebetet haben, die der L�nder im Krieg gedacht haben. Das kostenlose Gebet derer, die anscheinend nichts verm�gen und zu nichts nutze sind, besch�tzt und macht fruchtbar. Die alten Menschen sind eine Reserve an Milde und bezeugen, dass niemand zu schwach, zu arm oder zu alt ist, um den anderen zu helfen. Die alten Menschen sind ein au�erordentliches Beispiel: sie werden �u�erst schwach, halten nichts mehr aus, aber auch in der gr��ten Schw�che offenbaren sie eine Kraft: die Kraft des Glaubens, die Kraft der Liebe. Das Gebet steigt zu Gott, auch wenn die Beine sich nicht mehr bewegen und m�de sind, wenn es einem nicht mehr gelingt, alles zu tun. Ihr Gebet ist ein liebevoller Umgang, ist Gedenken, ist Sympathie, ist Verantwortung, ist F�rsprache. Die alten Menschen erinnern daran, dass der Mensch nicht dazu geschaffen ist, um sich zu bek�mpfen, sondern um zu leben und sich zu lieben. Die alten Menschen wissen, dass der Friede ein Geschenk Gottes ist, und dass er in ihm seinen Ursprung hat. Die Kraft der alten Menschen ist eine schwache, dem�tige und vertrauensvolle Kraft, die uns wieder dazu aufruft, das als wichtig anzusehen, was unn�tz erscheint: den Kult des Gebetes. Der orthodoxe Theologe Olivier Clement hat geschrieben �Eine Gesellschaft, in der man nicht mehr betet, ist eine Gesellschaft, in der das Alter keinen Sinn mehr hat. Und das ist entsetzlich, wir brauchen vor allen Dingen alte Menschen, die beten, weil das Alter dazu gegeben ist.� Die Ausgrenzung des Alters und die Ausgrenzung des Gebetes gehen im Gleichschritt. Aber das Gebet ist nicht eine �brig gebliebene Aktivit�t. In gewisser Hinsicht gibt es ein vorzeitiges Alter, welches das Evangelium von allen Gl�ubigen verlangt: ohne Unterlass zu beten, ohne jemals zu erm�den. Deshalb f�hrt das Thema der alten Menschen zu einer Reflexion �ber das spirituelle Leben aller. Es ist unsere Aufgabe, als M�nner und Frauen des Glaubens, den Wert dieser schwachen Kraft wiederzuentdecken und zu bezeugen. Es ist die schwache und �berzeugende Kraft der Liebe, die uns st�rker macht, als den Tod. Intelligenter als viele Intelligente auf der Welt. Realistischer. Es ist die Weisheit des Friedens. Sie kommt von den alten Menschen, aber sie kann allen geh�ren.
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