Aachen 2003

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Montag, 8. September 2003 - Eurogress
Die Religionen angesichts der Probleme der Umwelt

  
  

David Rosen
Direktor f�r internationale interreligi�se Beziehungen des American Jewish Committee, Israel
  

"Herr, wie zahlreich sind deine Werke!

Mit Weisheit hast du sie alle gemacht,

die Erde ist voll von deinen Gesch�pfen"

Diese Worte bilden den zentralen Vers von Psalm 104, der voller Bilder des Lobes f�r das Wunder, die Sch�nheit und die Weisheit der G�ttlichen Sch�pfung ist. Das Herz dieses Lobpreises bildet die Erkenntnis, die am griffigsten am Beginn von Psalm 24 ausgedr�ckt ist: "Dem Herrn geh�rt die Erde und was sie erf�llt."

In der Tat ist das Fundament der biblischen Lehre die Aussage, dass unsere Welt von Gott erschaffen ist und somit ihm geh�rt. Menschlicher Besitz beruht dagegen immer nur auf einer Art Pachtverh�ltnis. Gleichzeitig ist aber eine andere zentrale Lehre der Bibel diejenige, dass der Mensch nicht nur der Gipfel dieses �kosystems ist, sondern vielmehr ein Wesen, das von Gott auf so besondere Weise ausgestattet wurde, dass - einerseits - die willk�rliche Zerst�rung menschlichen Lebens die schrecklichste und sch�ndlichste aller Untaten ist, und dass er � andererseits und vor allem � besondere Pflichten, Verantwortlichkeiten und Ziele ben�tigt, die sich eben auf die Sch�pfung selbst beziehen. Die menschliche Person wird im Garten Eden in die Welt gestellt, um ihn �um ihn zu bebauen und zu h�ten� (Gen 2, 15). In der j�dischen �berlieferung wird diese Aufgabe als eine von Gott aufgetragene �Partnerschaft� mit Gott in Seiner Sch�pfung dargestellt.

Die Aufgabe der Menschheit liegt somit darin, die Sch�pfung �zu bebauen und zu bewahren�, also die Sch�pfung, unser �kosystem zu entwickeln und zu sch�tzen. Die Genesis lehrt uns jedoch auch, dass im Herzen der Aufgaben und Ziele der Menschheit der Gehorsam gegen�ber Gottes moralischem Gesetz und seinem Willen liegt, und dass davon Erfolg und Wohlergehen der Menschheit abh�ngen.

Weiterhin hei�t es noch kategorischer in Bezug auf Abraham, den von Gott geliebten, der Vorl�ufer und Vorbild f�r alle ist: �Denn ich habe ihn dazu auserw�hlt, dass er seinen S�hnen und seinem Haus nach ihm auftr�gt, den Weg des Herrn einzuhalten und zu tun was gut und recht ist.� Dementsprechend ist es die Aufgabe der Kinder Abrahams, ja der ganzen Menschheit, unsere Welt physisch, moralisch und geistig zu entwickeln und zu sch�tzen.

Die Verbindung dieser Ideen findet wohl ihre tiefste Verwirklichung im der biblischen Idee des Sabbatjahres.

Das Sabbatgebot zielt genau auf die Erkenntnis ab, dass �das Land mir geh�rt (spricht der Herr) und ihr nur Fremde und Halbb�rger seid� (Lev 25, 23). Diese Erkenntnis findet ihre Ausdruck in drei praktischen Konsequenzen: Im siebten Jahr, bleibt das Land brach liegen (Ex 23,10). Das Land ruht und gewinnt seine nat�rliche Lebenskraft wieder. W�hrend dieses Jahres entf�llt der Besitz des Landes im Sinne eines Rechts auf exklusiven Gebrauch, und das Land und sein nat�rlicher Ertrag stehen allen, inbesondere den Armen zur Verf�gung. In Hinblick auf das Land, das ja in einer b�uerlichen Gesellschaft die wichtigste Quelle des gesellschaftlichen Status� darstellt, zeigt das Sabbatjahr mit Nachdruck, dass Arm und Reich vor Gott gleich sind.

In der zweiten Dimension des Sabbatjahrs, dem Erlass der Schulden (Deuteronomium 15,1), geht die Verbindung zwischen der nat�rlichen und der sozialen �kologie noch einen Schritt weiter. Auch dieses biblische Gebot des Schuldenerlasses dient dem Schutz der Verwundbaren. Es muss nat�rlich vor dem Hintergrund der b�uerlichen Gesellschaft der biblischen Zeit gesehen werden. Diese war keine H�ndlergesellschaft, in der das Geldverleihen integraler Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens gewesen w�re. Vielmehr waren Darlehen nur n�tig, wenn ein Bauer in Schwierigkeiten geraten war, weil er eine schlechte � oder gar keine � Ernte eingefahren hatte, und so nicht mehr die n�tigen Mittel hatte, um den Zyklus von Aussaat und Ernte fortzusetzen. In diesem Fall lieh er sich etwas von jemand anderem, und bei einer guten Ernte konnte er das Geliehene zur�ckgeben. Der Schuldenerlass im Sabbatjahr sch�tzte also jeden Bauern, der nicht so viel Gl�ck hatte und nicht in der Lage ware, diesen R�ckschlag aufzuholen, davor, in der Schuldenfalle gefangen zu bleiben. Der Schuldenerlass sorgte somit f�r die Bewahrung des sozio-�konomischen Gleichgewichts zwischen den mehr und den weniger gl�cklichen und erfolgreichen.

Ein �hnliches Ziel stand auch hinter der Freilassung der Sklaven, die ebenfalls f�r das Sabbatjahr vorgeschrieben war (Exodus 21, 2-6). Ein Hebr�er geriet in der israelischen Gesellschaft normalerweise dann in Sklaverei, wenn er den Lebensunterhalt f�r sich und seine Familie nicht verdienen konnte. Durch die Versklavung verkaufte er sozusagen seine Arbeitskraft einem anderen. Allerdings waren die Anforderung an diejenigen, die solche Sklaven hielten, so hoch, dass der Talmud erkl�rt, dass der �der einen hebr�ischen Sklaven hatte, in Wirklichkeit einen Meister hatte.� Die Bibel weist darauf hin, dass einem unverheirateten Sklaven nicht nur mit allem materiell N�tigen ausgestattet wurde, es wurde ihm sogar eine Frau gegeben. So ist es verst�ndlich, dass im alten Israel viele solche hebr�ische Sklaven sehr zufrieden mit ihrer Situation waren. Jedoch mussten im Sabbatjahr all diese Sklaven befreit werden. �Erkl�rt aber ein Sklave: Ich liebe meinen Herrn und will nicht als freier Mann fortgehen, dann soll ihn der Herr � an den T�rpfosten bringen und ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren.� (Exodus 21, 5-6)

Unsere alten Weisen haben schon vor langem die Frage gestellt , warum das Ohr durchbohrt werden sollte, und warum am T�rpfosten. Ihre Antwort ist: �Der T�rpfosten, an dem Gott vor�berging, als Er die Kinder Israels aus der Sklaverei befreite, und das Ohr, das Ihn am Sinai sagen h�rte �denn mir geh�ren die Kinder Israels als Knechte� (Levitikus 25:55), damit sie nicht die Sklaven von Sklaven seien, sie sollen bezeugen, dass dieser Mann freiwillig seine gottgegebene Freiheit aufgibt.� Selbst dann musste der Sklave gem�� dem j�dischen Gesetz im Jubeljahr in die Freiheit entlassen werden, auch wenn er es immer noch nicht wollte.

So betont das Sabbatjahr nicht nur den Grundsatz, dass Gott der Eigent�mer seiner Sch�pfung ist und dass der Mensch der H�ter der nat�rlichen �kologie ist, sondern auch den Grundsatz der von Gott gegebenen unver�u�erlichen Menschenw�rde aller Mitglieder der Gesellschaft, die die Grundlage einer sozialen �kologie darstellt � die Papst Johannes Paul II als �menschliche �kologie� beschrieben hat.

W�hrend in der Tat das Land selbst und die nat�rlichen Ressourcen der Erde geachtet werden m�ssen und nicht �berstrapaziert, geschweige denn zerst�rt, werden d�rfen, muss diese Achtung und dieser Verzicht auf Ausbeutung vor allem in unserem Verhalten gegen�ber den Mitmenschen seinen Ausdruck finden, in unserer Achtung gegen�ber der Menschenw�rde und in unserer Sorge f�r die Verwundbaren.

Es ist deswegen bedeutsam, dass auf denjenigen Abschnitt der Bibel, in dem das Sabbatjahr am umfangreichsten besprochen wird, Levitikus Kapitel 25, ein Kapitel folgt, in dem folgende Warnung an die Kinder Israels ergeht: Wenn sie auf Gottes Gebote achten, werden sie in ihrem Land in Sicherheit leben, Regen bekommen zur rechten Zeit, den Ertrag der Ernte und die Fr�chte der B�ume genie�en. Wenn sie dagegen die Gebote nicht befolgen, werden sie ihr Saatgut vergeblich s�en, ihr �Land liefert keinen Ertrag mehr und die B�ume im Land tragen keine Fr�chte mehr.� (Levitikus 26:16, 20)

Maimonides, ein j�discher Gelehrter aus dem zw�lften Jahrhundert fasste diese Passagen bildhaft und nicht w�rtlich auf, als eine Bild f�r das Prinzip von Belohnung und Bestrafung. In unserer Zeit wird dagegen zu einem w�rtlichen Verst�ndnis dieser Passagen zur�ckkehren, dass offensichtlicher wird als je zuvor. Denn ein Gro�teil der Verschmutzung und Zerst�rung unseres �kosystems ist das Ergebnis menschlicher Gier, wenn zum Industriebetriebe angesiedelt werden, ohne dass man sich �berlegt, wie sehr die Arbeiter oder die Anwohner betroffen sind, oder auch welche Auswirkungen dies auf die Flora und Fauna um uns herum hat, die auch so wichtig f�r uns Menschen und unser Wohlbefinden ist. Ein Gro�teil der Umweltkrise, der wir heute gegen�berstehen ist die Folge von ungez�gelter Ausbeutung und Arroganz. In der Tat entsteht ein Gro�teil des Schadens an unserem Land, unseren Wasserquellen, unserer Versorgung mit frischer Luft und so weiter dadurch, dass wir nicht auf Gottes ethische Gebote h�ren und nicht seinen moralischen Willen befolgen. Dies hat zur Folge, dass wir nicht mehr, wie die Bibel sagt, �sicher im Land leben k�nnen�, und dass sogar unser �berleben auf diesem Planeten gef�hrdet ist.

Nur wenn wir einander mit Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit begegnen, mit Mitleid und Sensibilit�t, wenn wir Gottes Auftrag einhalten, unsere Welt �zu entwickeln und zu bewahren�, nur dann werden wir die Sch�pfung genie�en k�nnen, die Gott uns gegeben hat, und werden �in Sicherheit im Land wohnen k�nnen.� Es gibt in der Tat eine fundamentale und unaufl�sliche Verbindung zwischen unserem moralischen Handeln und unserem �kosystem, und eine menschliche �kologie spielt eine wesentliche Rolle f�r die Bewahrung der nat�rlichen �kologie insgesamt.

Dies verlangt von uns, dass wir globale Perspektiven zu Ressourcen und Verantwortlichkeiten entwickeln, denn es besteht innerhalb der Menschheit heute eine gr��ere gegenseitige Abh�ngigkeit als je zuvor, ja wir leben heute, wie gesagt worden ist, in einem globalen Dorf. Ein ber�hmter moderner j�discher Denker, Abraham Joshua Herschel, erkl�rte dass �der Provinzialismus unhaltbar geworden ist�. Wir k�nnten dem hinzuf�gen, dass er sogar selbstzerst�rerisch geworden ist. Heute sind wir, die wir in diesem globalen Dorf leben, so sehr voneinander abh�ngig, dass wir buchst�blich nicht mehr in der Lage sind, der moralischen Herausforderung unserer Verantwortung f�r einander aus dem Wege zu gehen. Wenn wir diese Erkenntnis schon nicht als das g�ttliche geistige Gebot erkennen k�nnen, dass sie ist, erweist sie sich nun als sozi�konomische Realit�t, die von uns verlangt, dass wir miteinander die globalen �kologischen Herausforderungen unserer Zeiten angehen. Die unaufl�sliche Verbindung zwischen moralischem und k�rperlichem Wohlergehen ist nie offensichtlicher gewesen.

Dementsprechend haben die Religionsf�hrer die Verpflichtung, in der ersten Reihe zu stehen, wenn es darum geht, durch Bildung und Handeln die �kologischen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, die uns mehr als je zuvor deutlich machen, dass jeder auf diesem Globus unser N�chster ist, und vor allem dass wir nur dann, wenn wir lernen �unseren N�chsten zu lieben wie uns selbst�, auch selbst in der Lage sein werden, wirklich �in Sicherheit im Land zu wohnen."

 

 

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