Ignatios IV Hazim
Griechisch-orthodoxer Patriarch von Antiochien und dem gesamten Orient
Das Thema das mir vorgeschlagen wurde �Orthodoxe und Katholiken: die Herausforderung der �kumene� �ffnet zahlreiche Perspektiven und h�tte auf verschiedene Art und Weisen er�rtert werden k�nnen. Dennoch habe ich nicht lange gez�gert, bevor ich das Thema gew�hlt habe, �ber welches ich mit Ihnen sprechen m�chte. Es ist die br�derliche Liebe. Sicherlich h�tte ich �ber die tiefe Identit�tskrise sprechen k�nnen, welche die �kumenische Bewegung durchlebt, �ber die gro�en Anfragen, mit denen sie sich konfrontiert sieht und �ber die Rolle, die uns in der Bem�hung um gemeinsame L�sungen zukommt. Es h�tte auch viel �ber die Schwierigkeiten des theologischen Dialoges zwischen uns beiden Kirchen und die Steine des Ansto�es die hier oder da ihre Begegnung in der Tiefe behindern. Ich bin von der Notwendigkeit �berzeugt, den theologischen Dialog fortzuf�hren, nicht damit der eine den anderen dazu bekehrt, was er als �seine� Wahrheit ansieht, sondern damit wir uns gemeinsam zu der F�lle der Wahrheit Christi bekehren. Es ist diese Wahrheit, die kein Konzept ist, die uns nicht geh�rt, die immer offen ist und die nur in der Entsagung und in der Liebe empfangen werden kann. Wir sollten damit aufh�ren, uns als die �Besitzer� einer Wahrheit zu betrachten, von der wir nur die dem�tigen Verwahrer sind. Machen wir also nicht mehr eine Waffe der Auseinandersetzung daraus, eine Art sich auf offensive oder defensive Weise zu verteidigen. Fangen wir an, gemeinsam auf das zu h�ren, was der Heilige Geist den Kirchen sagt. Nun aber scheint es mir manchmal, dass sich der Heilige Geist oft in seiner Kirche fremd f�hlt, und dass er klagt, wenn er feststellt, dass diejenigen, die sich auf des Sohnes r�hmen, sich mit dem Status Quo abfinden und durch den offenkundigen Skandal ihrer Trennung kaum peinlich ber�hrt sind. Wir brauchen uns nichts vorzumachen: trotz des oft tr�gerischen Scheines geht die �kumenische Bewegung allm�hlich zur�ck. Sie ist zu einer Einrichtung unter anderen geworden. Was bleibt von dem prophetischen Ereignis der ersten Schritte und von charismatischen Pers�nlichkeiten wie sie Ihre Heiligkeiten Papst Johannes XXIII und der �kumenische Patriarch Athenagoras, unter anderen verk�rpert haben? �Es muss zwar Verf�hrung geben, doch wehe dem Menschen der sie verschuldet.� (Mt18, 7) Die Verf�hrung, das ist die Bequemlichkeit, in der zu leben wir akzeptieren, es ist unsere pharis�ische Selbstgef�lligkeit, unser gutes Gewissen, wenn wir nach dem Gesetz handeln und nach den Normen, die unsere Gewohnheiten verewigen und unsere Angst und Faulheit rechtfertigen. Es ist der Mangel an Ungeduld, uns wiederfinden zu wollen, die Mittel dazu auszudenken, zu akzeptieren, das Risiko der Bruderliebe einzugehen. Der gro�e Skandal ist es, die Worte des Herrn zu vergessen, sie nicht so genau zu nehmen, ohne deshalb aufzuh�ren, sie den lieben langen Tag immer wieder bis zum �berdruss f�r alle zu wiederholen, die sie h�ren wollen. Was brauchen wir noch, um aufzuwachen au�er dem Abdriften der Welt, den allgemeinen Sinnverlust, den Atheismus der Gleichg�ltigkeit oder der Flucht in die Religiosit�t, den Aberglauben oder eine unbestimmte Mystik? Was sonst au�er der Zivilisation des Konsums, des hemmungslosen Profits und der Gewalt? Oder weiterhin, der ma�losen Arroganz der M�chtigen und die Verarmung der halben Menschheit? Was noch au�er der grunds�tzlichen Infragestellung der Werte des Evangeliums? Was brauchen wir noch um zuzugeben, dass unsere Trennungen den Herrn unkenntlich machen, dass sie ihn �zerteilen� (1 Kor 1, 13) und dass sie im Gegensatz zu seinem eindeutigen Wunsch stehen, uns eins zu sehen, �damit die Welt glaubt� (Joh, 17,21)? Wenn diejenigen, die von der trinit�ren Vision von der Einheit in der Vielfalt �berzeugt sind, sich nicht darum sorgen, ihre Einheit in den Tatsachen zu bekunden und dies als erste und unbedingte Anforderung, wie k�nnten sie auf die doppelte Herausforderung durch die zur Globalisierung f�hrende Vereinheitlichung des Planeten und die Steigerung der Unterschiede und der Nationalismen antworten? Wenn jene sich nicht entschlossen daf�r entscheiden nicht mehr als �berhebliche Doktrin�re miteinander zu sprechen, sondern vielmehr die Sprache der Kommunion anstelle der Sprache der Rechtssprechung zu bevorzugen, wie k�nnten sie weiterhin vorgeben, dass sich das Christentum von den Ideologien unterscheidet, welche die Menschen hin und herrei�en und die einen gegen die anderen aufbringen? Mir scheint, dass wir Meister in Er�rterungen und Spekulationen �ber die �kumene und die Notwendigkeit der Begegnung sind, aber wir lassen eine Gelegenheit nach der anderen vor�bergehen, die uns der Herr schenkt um seine Gebote zu verwirklichen, hier und jetzt. Seien wir klar: es geht hier nicht um einen Aufruf zum Synkretismus oder zu irgendwelchen Kompromissen. Dies ist ein Aufruf, die Angst, die Gereiztheit, die kleinlichen Berechnungen unsere Art dagegen zu sein, hintanzustellen. Es geht darum uns in unseren Unterschieden zu lieben, zwischen dem grunds�tzlichen und dem sekund�ren unterscheiden zu wissen, zu entscheiden, ein f�r allemal zusammen zu arbeiten und zusammen unsere gemeinsame Berufung als Diener zu erf�llen. Die wahre Liebe vertreibt die Furcht. Sie f�rchtet sich nicht davor, f�r den Geliebten zu leiden, sich selbst zu sterben, um ihn aufzunehmen, um f�r ihn wieder geboren zu werden. In der Tat, wenn wir wirklich J�nger Jesu, des Herrn, sein wollen, m�ssen wir nicht nur f�r den anderen beten, sondern wir m�ssen zum anderen werden, ihn lieben �wie sich selbst� (Mt 22, 39), ihn annehmen, wie das Sakrament der Vereinigung mit Gott und der Vereinigung mit den Bruder. Deshalb m�ssen wir uns von unseren jahrhundertealten Komplexen befreien, von unseren Hemmungen, von unserem Wunsch, immer recht zu haben, weil wir es immer schlechter fertig bekommen, uns hinter dem Jargon gebr�uchlicher H�flichkeitsfloskeln zu verstecken. Wir m�ssen auf den anderen aufmerksam sein. Wir m�ssen uns daran gew�hnen, das Beste in ihm zu sehen. Wir m�ssen uns dazu verpflichten, nichts zu tun, was ihn in Verlegenheit bringen oder n�tigen k�nnte. Wir m�ssen uns davon �berzeugen, dass er wirklich ein Bruder ist, der Bruder schlechthin, weil wir alle beide, durch Christus die Adoptivs�hne des gleichen Vaters sind. Setzen wir unserer Liebe keine Bedingungen: die Liebe ist nur echt, wenn sie bedingungslos ist. �Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.�. Mit diesen Worten wendet sich Paulus an die Philipper (Phil 2, 4). Auf diese Weise versuchte die Gemeinschaft der ersten Christen zu leben. Wir haben keine andere Alternative als unter uns auf diese Art und Weise zu leben. Nicht nur mit Worten, sondern in Taten, die uns erlauben, nicht nur zusammen zu gehen oder zusammenzuleben, sondern Fortschritte zu machen, gemeinsam Zeugnis abzulegen, indem wir uns gegenseitig auffordern, der �Hoffnung, die uns erf�llt (1 Petr 3, 15), immer w�rdiger zu werden. Die Christen - die Kirchen - sollten eine Art von Ehrenabkommen beginnen. Die Kr�nkung, die mir zugef�gt wurde, verleitet mich zu sagen: �Nicht-Angriffspakt�, da gewisse Verhaltensweisen von Seiten unserer Kirchen, die k�rzlich erfolgt sind oder schon vor langer Zeit, als wirklich aggressiv gegen�ber den Br�dern wahrgenommen werden k�nnen. Aber die Hoffnung und die �berzeugung, dass die �M�chte der Unterwelt� (Mt 16, 18) niemals siegen k�nnen werden, m�chten, dass ein solcher Pakt unsere zwei Kirchen dazu dr�ngt, sich vor Gott und der Schwesterkirche daf�r einzusetzen, nichts mehr zu tun, was dem anderen schaden k�nnte, seine pastorale Pflicht erschweren oder ihm �rgernis bereiten k�nnte. Und das welche Bedeutung auch immer das haben m�ge, was sie in Angriff nehmen m�chte, auch wenn sie denkt, in ihrem guten Recht zu sein oder innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Verantwortlichkeit oder Rechtssprechung. Die Bruderliebe steht an erster Stelle. Die Liebe kommt vor dem Wissen. Sie erlaubt besser von der Wahrheit ergriffen zu werden, die nur in der Kommunion vollst�ndig gelebt werden kann. Ist es notwendig an die alte Norm zu erinnern: �In dem, was �ber jeden Zweifel erhaben ist, die Einheit, in den strittigen Fragen die Freiheit; aber in allen Dingen die N�chstenliebe.� Ein solcher Pakt m�sste von einer unwiderruflichen Entscheidung begleitet sein, �berall wo dies m�glich oder notwendig ist, zusammenzuarbeiten, im Dienst an den �rmsten, in der Verteidigung des Lebens und der Umwelt, in gewissen pastoralen Aufgaben, in der liebenden Begegnung zwischen den Religionen, im Kampf f�r die menschenw�rdige Gestaltung der irdischen Ordnung. W�hrend seines Besuches in Damaskus 2001 habe ich mir erlaubt, es vor Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. so auszudr�cken: �Wir sind berufen, die Tr�nen aller zu trocknen, die weinen�. Zu diesem Thema m�chte ich daran erinnern, dass die Katholischen und Orthodoxen Kirchen des Gebietes um Antiochien seit einigen Jahren entschieden haben, eine derartige Zusammenarbeit in die Praxis umzusetzen, und dass diese beginnt, Fr�chte zu tragen. Wir brauchen dringend prophetische Initiativen, um die �kumenische Bewegung aus den Windungen herauszuholen, in denen sie sich gerade, wie ich f�rchte, verstrickt. Wir brauchen Dringend Propheten und Heilige, um unseren Kirchen zu helfen, sich besser von ihrer irdischen Schwerf�lligkeit zu befreien, um zu wagen, Bu�e zu tun und sich durch die gegenseitige Vergebung wieder neu zu bekehren. Die Hierarchie und das Volk der Gl�ubigen m�ssen darin wetteifern, starke Zeichen zu setzen, mit dem Ziel, die Herzen zu bezwingen und uns alle davon zu �berzeugen, dass das beste Mittel, um f�r Christus in diesen schlechten Zeiten Zeugnis abzulegen, das ist, f�r die Verwirklichung der Einheit unter den Christen zu arbeiten. Das ist wirklich der Wille Gottes. Das ist auch der Wunsch der Gl�ubigen. Lernen wir, besser auf sie zu h�ren! Ich m�chte damit enden, indem ich das wiederhole, was ich vor zwanzig Jahren im Katholischen Institut von Paris gesagt habe: �H�ren wir nicht selbst durch seinen Spott, den Menschen des Nichts uns sagen: Genug! Genug, h�rt auf mit diesem Feuer zu spielen, diesem Geist des Feuers und des Lichtes, von dem ihr sprecht aber der euch kaum zu verbrennen scheint! Man spielt nicht mit dem Feuer. Entweder l�scht man es aus, oder man st�rzt sich darauf, damit es die ganze Kirche und durch sie die Menschheit und das Universum in Glut taucht.�
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