Aachen 2003

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Dienstag, 9. September 2003 - Eurogress
Konflikt oder Dialog zwischen den Religionen?

  
  

Michael Fitzgerald
Katholischer Erzbischof, Pr�sident des P�pstlichen Rates f�r den Interreligi�sen Dialog, Heiliger Stuhl
  

Wir kommen hier als Anh�nger verschiedener Religionen zusammen, geteilt durch unseren unterschiedlichen Glauben und religi�se Praxis, dennoch vereint in der �berzeugung, dass unsere Religionen einen Beitrag f�r die Welt leisten k�nnen. Wir akzeptieren nicht, dass Menschen die zu verschiedenen Religionen geh�ren notwendigerweise in Konflikt miteinander stehen m�ssen, ansonsten w�ren wir nicht hier bei diesem Treffen. Wir sind gekommen, um einander zu begegnen, miteinander zu teilen und zu sehen, was wir gemeinsam mit der Welt f�r die Sache des Friedens teilen k�nnen.

Ich spreche hier als Christ, und zwar als Christ der katholischen Tradition. Ich m�chte gerne einige Wege vorschlagen auf welchen Menschen unterschiedlichen Glaubens ein gemeinsames Zeugnis geben und somit einen Beitrag zum Wohlergehen der Menschheit leisten k�nnen. Drei Punkte werden ber�hrt werden:

� Der Primat Gottes

� Die Verantwortung der Menschen

� Dienst an der Menschheit

Ich bin mir dar�ber bewusst, dass nicht alles, was ich sagen werde, f�r alle akzeptabel sein wird, aber ich hoffe, dass Sie mit mir Geduld haben werden, da ich die Sichtweisen meiner eigenen Tradition darstellen werde.

Der Primat Gottes

Sind nicht diejenigen unter uns, die an Gott glauben, sicher dazu berufen, eine Wahrheit anzuerkennen, die uns �bersteigt? Ist es deshalb nicht unsere Pflicht, dies unsere moderne Gesellschaft daran zu erinnern, dass das menschliche Wesen nicht sein eigener Ma�stab sein kann? Zumindest aus christlicher Sicht, und dies k�nnte vielleicht auch von Juden, Moslems und Sikhs akzeptiert werden, und auch von Leuten einiger anderer Religionen, hat die menschliche W�rde ihre Quelle im sch�pferischen Akt Gottes. Vielleicht ist es gut, hier die Lehre des letzten Abschnittes der Erkl�rung Nostra Aetate in Erinnerung zu rufen.

Wir k�nnen aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die br�derliche Haltung verweigern. Das Verhalten des Menschen zu Gott dem Vater und sein Verhalten zu den Menschenbr�dern stehen in so engem Zusammenhang, dass die Schrift sagt: �Wer nicht liebt, kennt Gott nicht� (1 Joh 4, 8). So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bez�glich der Menschenw�rde und der daraus flie�enden Rechte einen Unterschied macht. (NA 5)

Den Willen des Sch�pfers zu akzeptieren, bedeutet nicht, gegen die Interessen der Menschheit zu sein, sondern vielmehr zu ihrem Vorteil zu handeln, um ihr zu helfen, ihre Bestimmung zu erreichen.

Sind wir nicht als Menschen, die an Gott glauben, dazu berufen, unsere Stimmen in der Gesellschaft auf diese Weise zu Geh�r zu bringen? Sicherlich ist es unsererseits eine Verpflichtung, zu verlangen, dass die grundlegenden Menschenrechte beachtet werden: das Recht auf Leben, auf k�rperliche Unversehrtheit (dies w�rde Widerstand gegen Folter und alle Arten von Bestrafung bedeuten, die mit der Menschenw�rde nicht vereinbar sind), das Recht auf Beachtung des Rufes, das Recht auf alle Mittel, die f�r ein annehmbares Leben notwendig sind, das Recht auf Bildung und Zugang zu kultureller Entwicklung und objektiver Information, das Recht auf Freiheit in der Suche nach der Wahrheit, Gewissensfreiheit und religi�se Freiheit, die auch das Recht beinhaltet, den Glauben nicht nur als Einzelperson, sondern als Mitglied einer Gemeinschaft zu bekennen und zu praktizieren. Hier liegt ein breites Feld f�r gemeinschaftliche Anstrengungen.

Die Verantwortung der Menschen

Auf dem Primat Gottes zu bestehen bedeutet nicht, dass der Mensch zum Status einer Schachfigur auf dem g�ttlichen Schachbrett reduziert wird. Im Gegenteil, der Glaube an den Sch�pfer Gott f�hrt zur Annahme der Rolle, die Gott den Menschen anvertraut hat, n�mlich ein �Mitsch�pfer� zu sein. Wir sind f�r die geschaffene Welt und alles was sie umfasst verantwortlich.

Paulus sagt in seinem Brief an die R�mer: �Denn wir wissen, dass die gesamte Sch�pfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erl�sung unseres Leibes als S�hne offenbar werden.� (R�m 8, 22-23) Dies bedeutet nicht, wie wir sehr wohl wissen, passiv abzuwarten. Es ist unsere Aufgabe, mit dem Geist Gottes zusammenzuarbeiten, in einer Weise zu arbeiten, damit das Reich Gottes, ein Reich der Wahrheit, des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe, anbrechen m�ge.

Dienst an der Menschheit

Ausgehend davon, was eben �ber die menschliche Verantwortung gesagt wurde, ist es ein kurzer Schritt zur Idee des Dienstes an der Menschheit. Als Menschen, die an Gott glauben, sind wir dazu berufen, unseren Glauben an Gott zu bezeugen, aber auch unseren Glauben an die menschliche Person. Gest�rkt durch unseren Glauben an Gott den Sch�pfer, den f�rsorglichen Meister aller, den wir gerne Vater nennen, k�nnen wir der Welt die Hoffnung bringen, die sie braucht. Wir sind davon �berzeugt, dass das B�se, die S�nde nicht siegen werden. Wir glauben, dass Gott uns hilft und uns die Kraft gibt, uns weiterhin f�r das Wohl unserer Br�der und Schwestern zu m�hen. Diese unsere �berzeugungen geben uns Kraft, in guten oder schlechten Momenten, in Zeiten von Sorge ebenso wie in Zeiten des Gl�cks, inmitten von Konflikten oder wenn Friede herrscht, in Zeiten des scheinbaren oder tats�chlichen Versagens und auch in Zeiten des Erfolges.

Wir sp�ren auch das Bed�rfnis nach einem gemeinsamen Zeugnis in der heutigen Welt. Im Oktober 1999 hat der P�pstliche Rat f�r den interreligi�sen Dialog eine interreligi�se Versammlung organisiert, die im Vatikan stattfand, um die Rolle der Religionen im Dritten Jahrtausend zu untersuchen. In der Schlussbotschaft haben die Teilnehmer an dieser Versammlung erkl�rt:

�Wir sind uns dessen bewusst, dass es dringend notwendig ist,

� gemeinsam verantwortungsvoll und mutig den Problemen und Herausforderungen der modernen Welt zu begegnen...

� zusammenzuarbeiten, um die menschliche W�rde als Quelle der Menschenrechte und ihrer entsprechenden Aufgaben zu bekr�ftigen, im Kampf f�r Gerechtigkeit und Frieden f�r alle.

� F�r die gesamte Menschheit ein neues spirituelles Bewusstsein im Einklang mit den religi�sen Traditionen zu schaffen, so dass sich das Prinzip des Respekts der Religionsfreiheit und der Gewissensfreiheit durchsetzt.� (P�pstlicher Rat f�r den Interreligi�sen Dialog, F�r eine Kultur des Dialogs, Vatikanstadt, 2000, S.79)

Die Teilnehmer dieser Versammlung f�gten hinzu:

� Wir wissen dass die Probleme in der Welt so gro� sind, dass wir sie nicht alleine l�sen k�nnen. Deshalb gibt es ein dringendes Bed�rfnis der interreligi�sen Zusammenarbeit. Wir sind uns alle dessen bewusst, dass interreligi�se Zusammenarbeit nicht beinhaltet, unsere eigene religi�se Identit�t aufzugeben, sondern dass sie eher eine Entdeckungsreise ist:

� Wir lernen uns gegenseitig als Mitglieder der einen Menschheitsfamilie zu respektieren.

� Wir lernen sowohl unsere Unterschiede zu respektieren als auch die gemeinsamen Werte zu sch�tzen, die uns miteinander verbinden.

Deshalb sind wir �berzeugt, dass wir in der Lage sind zusammenzuarbeiten in der Bem�hung, Konflikten vorzubeugen und die Krisen zu �berwinden, die in verschiedenen Teilen der Welt bestehen. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Religionen muss auf der Ablehnung von Fanatismus, Extremismus und wechselseitiger Feindschaft, die zur Gewalt f�hrt, gegr�ndet sein.� (Ebd. S. 79-80)

Schlie�lich werden in der Botschaft verschiedene Aufrufe gemacht:

Wir rufen alle religi�sen F�hrer dazu auf, den Geist des Dialoges innerhalb ihrer jeweiligen Gemeinschaften zu f�rdern und selbst bereit zu sein, sich im Dialog mit der b�rgerlichen Gesellschaft auf allen Ebenen zu engagieren.

Wir richten uns an alle F�hrer auf de Welt, was auch immer ihr Einflussgebiet sein m�ge:

� Sich weigern, zu erlauben, dass Religion benutzt wird, Hass und Gewalt zu s�en

� Sich weigern, zu erlauben, dass Religion benutzt wird, um Diskriminierung zu rechtfertigen

� Die Rolle der Religion in der Gesellschaft auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene zu respektieren� (Ebd. S. 80)

Dieser Botschaft wurde gro�er Raum gegeben, weil es m�glich, sogar wahrscheinlich ist, dass sie nicht in weiten Kreisen bekannt ist. Dar�ber hinaus ist es offensichtlich, dass sie nichts von ihrer Bedeutung f�r die heutige Welt verloren hat.

Im Dienst am Frieden

Dieses Statement unterstreicht die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Menschen verschiedener Religionen im Dienst am Frieden. In der Tat wird oft gesagt, dass es solange keinen Frieden auf der Welt geben wird bis Frieden unter den Religionen herrscht. Auf die Religionen wird gedeutet, als seien sie der Ursprung von Konflikten. Man k�nnte in Frage stellen, ob dies so voll und ganz zutrifft. Nat�rlich muss zugegeben werden, dass die Religionen im Laufe der Geschichte Konflikte erzeugt haben und dies auch heute tun k�nnen. Aber solche Konflikte k�nnen eine Vielzahl von Ursachen haben und so ist es nur fair, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die genaugenommen religi�s sind und ihren Ursprung in Glaubensunterschieden haben und jenen, die auf nicht-religi�sen Motiven gr�nden, aber einen religi�sen Anstrich haben.

Ob die Ursachen nun religi�s sind oder nicht, die Anh�nger verschiedener Religionen empfinden die Verpflichtung, einen Beitrag zur �berweindung dieser Konflikte zu leisten und f�r den Frieden zu arbeiten. Sie sind sich dar�ber bewusst, dass Frieden ein Geschenk Gottes ist, das erfleht werden muss, dass aber in gewissem Sinne auch verdient werden muss. Diese �berzeugung hat Papst Johannes Paul II. dazu gebracht, Vertreter verschiedener Religionen nach Assisi einzuladen, um f�r den Frieden zu beten. Er hat dies im Oktober 1986 getan und vor kurzem, am 24. Januar 2002. Lassen Sie mich einige der Worte zitieren, die Johannes Paul II. bei dieser Gelegenheit benutzt hat.

Wenn der Friede ein Geschenk Gotte ist und seine Quelle in ihm hat, wer sind wir, ihn zu erreichen und wie k�nnen wir ihn aufbauen, wenn nicht in einer tiefen und innigen Beziehung mit Gott? Den Frieden in Ordnung, Gerechtigkeit und Freiheit aufzubauen erfordert deshalb eine vorrangige Bindung an das Gebet, welches Offenheit, Zuh�ren, Dialog und schlie�lich Einheit mit Gott beinhaltet, dem ersten Urquell wahren Friedens.

Zu beten bedeutet nicht der Geschichte und den Problemen, die sie darstellt, zu entfliehen. Im Gegenteil, es ist die Wahl, die Wirklichkeit nicht alleine zu betrachten, sondern mit der Kraft, die aus der H�he kommt, der Kraft der Wahrheit und Liebe, die ihre letzte Quelle in Gott hat. Konfrontiert mit dem Verrat des B�sen k�nnen religi�se Menschen auf Gott z�hlen, der absolut das Gute will. Sie k�nnen zu ihm beten, dass sie den Mut haben selbst den gr��ten Schwierigkeiten mit einem Sinn von pers�nlicher Verantwortung zu begegnen, und unnachgiebig f�r Fatalismus oder impulsive Reaktionen. (P�pstlicher Rat f�r den Interreligi�sen Dialog, Peace: a Single Goal an da Shared Intention, Vatikanstadt, 2002, S. 91)

Die Vertreter, die in Assisi an diesem Tag versammelt waren, gingen feierlich eine zehnfache Verpflichtung f�r den Frieden ein, jede Verpflichtung wurde in verschiedenen Sprachen verlesen. Lassen Sie mich einige davon zitieren, welche die Notwendigkeit des Dialoges zwischen den Religionen hervorheben.

1. Wir verpflichten uns, unsere feste �berzeugung kund zu tun, dass Gewalt und Terrorismus dem authentischen Geist der Religion widersprechen. Indem wir jede Gewaltanwendung und den Krieg im Namen Gottes oder der Religion verurteilen, verpflichten wir uns, alles M�gliche zu unternehmen, um die Ursachen des Terrorismus zu beseitigen.

2. Wir verpflichten uns, Menschen zu gegenseitigem Respekt und Wertsch�tzung zu erziehen, um zu helfen eine friedliche und br�derliche Koexistenz zwischen Menschen verschiedener ethnischer Gruppen, Kulturen und Religionen zustande zu bringen.

3. Wir verpflichten uns, die Kultur des Dialoges zu f�rdern, damit das Verst�ndnis und das gegenseitige Vertrauen zwischen Einzelpersonen und V�lkern wachse, weil diese die Voraussetzung f�r echten Frieden sind.

4. Wir verpflichten uns zu einem aufrichtigen und geduldigen Dialog, indem wir uns weigern, unsere Unterschiede als un�berwindbares Hindernis zu betrachten, sondern stattdessen anzuerkennen, dass die Begegnung mit der Verschiedenheit von anderen zu einer Gelegenheit f�r ein st�rkeres gegenseitiges Verst�ndnis werden kann.

Sind wir nicht in diesem Geist hier in Aachen versammelt? Lassen Sie uns fortfahren, uns auf allen Ebenen der Gesellschaft zur Begegnung zu verpflichten, damit wir die Versuchung des Konfliktes �berwinden k�nnen und damit wir durch unser gemeinsames Handeln einen Beitrag f�r Frieden und Harmonie in unserer Welt leisten k�nnen.

 

 

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