Aachen 2003

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Dienstag, 9. September 2003 - Eurogress
Die Abschaffung der Todesstrafe � eine Aufgabe f�r das 21. Jahrhundert

  
  

Misaki Yagishita
Amnesty International, Japan
  

Heute m�chte ich �ber zwei Themen zu Ihnen sprechen: 1) Wir etablieren ein Netzwerk religi�ser Menschen, um zu einem Moratorium in Japan aufzurufen 2) Aktuelle Entwicklungen rund um die Todesstrafe in Japan

1. Etablierung eines Netzwerkes religi�ser Gemeinschaften, �Aufruf zu einem Moratorium - jetzt!�

Das Netzwerk religi�ser Gemeinschaften, �Aufruf zu einem Moratorium - jetzt!� ist ein landesweites, interreligi�ses Netzwerk von Religionsgemeinschaften. Sein Zweck liegt in der Erziehung und Mobilisierung der Glaubensgemeinschaften mit dem Ziel, ein sofortiges Moratorium in Japan zu erwirken, ein Nachdenken �ber die Todesstrafe anzusto�en und vielf�ltige Gelegenheiten zu Diskussionen anzubieten �ber die Frage, was das Leben ist.

Dieses Netzwerk ist entstanden, nachdem die �Gemeinschaft Sant� Egidio� ein Seminar �ber die Todesstrafe mit dem Titel �Together for life� (Gemeinsam f�r das Leben) am 23. Mai 2003 in Tokyo abgehalten hatte.

�ber 100 Personen nahmen an diesem Seminar teil. Bei ihnen handelte es sich um Mitglieder von NGOs, Professoren, Rechtsanw�lte oder Abgeordnete; viele Teilnehmer geh�rten verschiedenen Religionsgemeinschaften an und arbeiteten gemeinsam f�r die Abschaffung der Todesstrafe.

Am Ende des Seminars griffen wir den Vorschlag zur Etablierung eines interreligi�sen Netzwerkes auf. Dessen Hauptaktivit�ten liegen 1) im Informationsaustausch 2) in gemeinsamen Aktionen 3) in der Abhaltung eines Meetings einmal im Jahr.

Die wichtigsten Vertreter der bei dem Seminar anwesenden Religionsgemeinschaften wurden zu f�hrenden Mitgliedern des Netzwerkes, z.B. die Oomoto foundation, die Ohtani Sekte der Shinshu (die eine buddhistische Gruppierung ist), der Seimeizan Schweitzer Temple, einige katholische Gruppen und der Nationalrat der Christen in Japan. Amnesty International Japan kam in das Sekretariat des Netzwerkes.

Wie Sie wissen hat Japan noch die Todesstrafe. Gegenw�rtig gibt es auf internationaler Ebene eine starke und breite Str�mung f�r die Abschaffung der Todesstrafe. Die Mehrheit der L�nder hat die Todesstrafe abgeschafft. Im Blick auf die asiatischen Staaten sind auf nationaler Ebene in S�d Korea und in Taiwan Bewegungen f�r die Abschaffung der Todesstrafe aktiv. Dem Vernehmen nach sind es in S�d Korea religi�se Gruppen, die sich als key player gegen die Todesstrafe stark machen. Wir erwarten, dass das Netzwerk eine ebensolche Rolle f�r Japan spielen wird. Das Netzwerk plant f�r diesen Herbst eine Sammlung von Petitionen mit dem Ruf nach einem Moratorium und die Abhaltung eines Seminars �ber die Todesstrafe am 29. November in Tokyo.

Die Generalsekret�rin von Saint Egidio, Frau Prof. Quatrucci legte dar, dass eine Diskussion �ber die Todesstrafe in Japan in besonderer Weise erforderlich sei, da in unserem Land die Todesstrafe im Verborgenen ausgef�hrt wird.

Wir hoffen auf eine gr��ere Ausdehnung des Netzwerkes und darauf, dass noch mehr Japaner die Gelegenheit erhalten, �ber die Todesstrafe zu sprechen und �ber den Tod nachzudenken.

2. Aktuelle Entwicklungen rund um die Todesstrafe in Japan

Es gibt drei Entwicklungen im Zusammenhang mit der Todesstrafe in Japan:

1) Der Japanische Rechtsanwaltsbund �bergab seine Empfehlungen zum

System der Todesstrafe in Japan im Nov. 2002.

2) Im Juli 2003 bereitete eine Gruppe von Abgeordneten eine Erkl�rung mit der

3) Forderung der Abschaffung der Todesstrafe in Japan vor; nach negativer

Einflussnahme durch die m�chtige Opposition konnte sie diese aber nicht ins

Parlament einbringen.

4) Einige Abgeordnete besuchten die Hinrichtungszelle in der Haftanstalt von Tokio im

Juli 2003. Es war das erste Mal seit 30 Jahren gewesen, dass ein Justizminister

Au�enstehenden die Besichtigung der Hinrichtungszellen gestattete.

Wie Sie wissen w�chst die internationale Kritik an Japans Todesstrafen-system, insbesondere auch, weil die Hinrichungen geheim durchgef�hrt werden und die Insassen der Todeszellen schwersten Haftbedingungen ausgesetzt sind, die eine v�llige Isolierung und strengste Reglementierungen ihrer Kommunikation und Kontakte zu Au�enstehenden beinhalten. Die Todeskandidaten werden in Japan erst am Morgen ihrer Hinrichtung �ber die bevorstehende Vollstreckung informiert, dass sie �ber Jahre hinweg jeden Tag im Schatten des Todes leben bis das Urteil �ber sie rechtskr�ftig ist.

Angesichts dieser Tatsachen forderte der Japanische Rechtsanwaltsbund, das ist eine Organisation, der alle Anw�lte in Japan beitreten m�ssten, im vergangenen November von der Regierung, mehr Informationen �ber das H�chststrafensystem zur Verf�gungzu stellen und stellte die Frage, ob sie beabsichtige, die �ffentliche Meinung als Hauptgrund f�r die Beibehaltung der Todesstrafe anzuf�hren. Der Japanische Anwaltsbund legte im November 2002 einen Bericht mit dem Titel �Recommendations on Capital Punishment System� (Empfehlungen zum H�chststrafensystem) vor. Die Empfehlungen lauten im Detail wie folgt:

1. Inkrafttreten eines Moratoriumserlasses, damit die Frage der Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe ausf�hrlich und tiefgehend in der japanischen �ffentlichkeit diskutiert werden kann und damit notwendige Verbesserungen und Reformen durchgef�hrt werden k�nnen. Dazu im einzelnen:

2 (1)Verbesserung des Strafrechtssystems in Bezug auf die Todesstrafe

(2) Ansto� einer landesweiten Diskussion �ber die Beibehaltung oder Abschaffung der

Todesstrafe

(3) Herausgabe von Informationen �ber die Todesstrafe

(4) Empfehlung alternativer Bestrafungen zur Todesstrafe

(5) Unterst�tzung von Mord-Opferfamilien, Schadensersatzleistungen und Betreibung der Wiedereinsetzung in ihre Rechte

In diesem Sommer bereitete die �Liga der Abgeordneten gegen die Todesstrafe� eine Erkl�rung vor, um einen Schritt hin zur Abschaffung der Todesstrafe in Japan zu unternehmen.

Diese vorbereitete Erkl�rung enth�lt drei Punkte: (1) Einf�hrung der lebensl�nglichen Haftstrafe ohne Bew�hrung (2) Einrichtung einer ad-hoc Kommission zur Kl�rung der Frage, ob Japan die Todesstrafe beibehalten oder abschaffen soll (3) Erlass eines Moratoriums bis zum Abschluss der Kommissionsarbeit

Dies ist die erste Eingabe zur Todesstrafe in das Parlament seit 1956. Die Liga hat 10 Jahre an der Ausarbeitung des Entwurfes gearbeitet. Es gelang ihr allerdings nicht, diesen Entwurf bei der letzten Sitzung einzubringen, da die Opposition innerhalb der Regierungsparteien sehr stark ist, auch wenn der Vorsitzende der Liga selbst ein einflussreiches Mitglied der Regierungspartei LDP (Liberale Demokratische Partei) ist.

Unter den Todesstrafengegnern in Japan ist die vorgenannte Erkl�rung auf unterschiedliche Weise umstritten, da sie eine andere grausame Bestrafung einf�hren will, die lebenslange Haft ohne Aussicht auf Haftentlassung. Herr Kamei, der Vorsitzende der aus 122-Mitgleidern bestehenden partei�bergreifenden Liga �u�erte, die Einf�hrung einer lebensl�nglichen Haft ohne Bew�hrung sei ein Meilenstein auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe in Japan. Tats�chlich zeigen die j�ngsten Umfrageergebnisse vom Februar 2003 eine Zustimmung in H�he von 29.9% zur Abschaffung der Todesstrafe bei gleichzeitiger Einf�hrung bew�hrungsloser lebensl�nglicher Haftstrafen. 45.7% bef�rworten die Beibehaltung der Todesstrafe, und nur 2.1% stimmen einer vorbehaltslosen Abschaffung der Todesstrafe zu.

Als die Liga in der letzten Sitzung die Eingabe ihrer Erkl�rung in das Parlament verfolgte, gestattete das Justizministerium neun Justizausschussmitgliedern des Repr�sentantenhauses die Besichtigung des Hinrichtungsraumes. Diese fand am Morgen des 23. Juli im Gef�ngnis von Tokio statt. Die Exekutionskammern sind in speziellen Haftanstalten, nicht in gew�hnlichen Gef�ngnissen installiert, da die Regierung Todeskandidaten nicht als gew�hnliche Gefangene betrachtet, sondern als zur Hinrichtung bestimmte Personen. Nur wenige Medien berichteten dar�ber; nur einige englisch-sprachige Zeitungen, darunter die Japan Times und die Associated Press brachten die Story. Der historische Besuch der Hinrichtungskammern konnte daher der japanischen �ffentlichkeit keinen Denkansto� �ber die Todesstrafe liefern.

Schlussfolgerung

Es hat einige positive Entwicklungen in Richtung Abschaffung der Todesstrafe in Japan gegeben, doch es ist noch ein weiter Weg bis zur Erreichung dieses Ziels. Als erstes m�ssen wir die Exekutionen stoppen. Wir ben�tigen mehr Unterst�tzung f�r unsere Aktivit�ten, insbesondere von au�erhalb Japans. Das religi�se Netzwerk in Japan nimmt gerade erst seine Arbeit auf, daher brauchen wir auch Ihre Unterst�tzung. Beobachten Sie weiter die Situation der Todesstrafe in Japan und unterst�tzen Sie uns auch weiterhin. Heute legen wir Petitionsunterlagen zur Vorlage beim Justizminister aus, in denen wir die Einf�hrung eines sofort wirkenden Moratoriums fordern. Bitte unterschreiben Sie die Eingabe, wenn Sie diesen Raum verlassen. Vielen Dank f�r Ihre Zusammenarbeit.

 

 

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