Hermann Schal�ck
Pr�sident von Missio, Deutschland
Die Begegnung der verschiedenen Kulturen und ihr Austausch bieten eine Chance f�r gegenseitige Bereicherung und gemeinsame Aktivit�ten angesichts der weltweiten Probleme. Deswegen muss der friedlichen Beherrschung der soziokulturellen Konflikte eine objektive Analyse der Demarkationslinien und Interessen vorausgehen, um auf dieser Grundlage L�sungsvorschl�ge zu suchen, die von gegenseitiger Toleranz gepr�gt sind. Die Rolle der Kirche Die Globalisierung ist eine Eigenschaft aller Weltreligionen. Dies gilt insbesondere f�r die katholische Kirche, die sich wegen ihrer Urspr�nge und ihrer Mission immer als eine universelle Kirche verstanden hat. Als solche ist sie eine weltweite Akteurin, bei weitem �lter als alle internationalen Unternehmen. Das zeigt sich insbesondere in der Geschichte der positiven und negativen Aspekte ihrer Mission. Der aktuelle Prozess der Globalisierung schafft einen neuen Kontext f�r die religi�sen Gemeinschaften, denn es erleichtert die Globalisierung ihrer Anwesenheit und ihrer Aktivit�ten. Sicherlich hat dieses Ph�nomen einen weltweiten Markt der Religionen entstehen und wachsen lassen, dessen Ausma� schwer zu erfassen ist. Auf diesem Markt, stellen sehr bunt zusammengew�rfelte Gruppen, Bewegungen und Organisationen ihre Glaubensansichten, ihre Visionen der Welt und ihre Produkte als neue Religionen oder unter �hnlichem Namen vor. Die traditionellen religi�sen Gemeinschaften finden sich in einer neuen Situation des Wettbewerbs wieder. Umgekehrt bedeutet das fast unvermeidlich f�r alle Religionen und Weltkonzepte, dass viele grundlegende Probleme der Globalisierung, n�mlich der Pluralismus und der Partikularismus, sich in den internen Strukturen der religi�sen Gemeinschaften wiederfinden. Deswegen erlangen der interreligi�se und interkulturelle Dialog eine immer gr��er werdende Bedeutung. Ein anderes Detail: Der Schwerpunkt der katholischen Kirche verlagert sich � zumindest statistisch gesehen �in den S�den, mehr als bei den anderen christlichen Kirchen. Die Tatsache, dass alle diese Religionen ihre Wurzeln nicht im kulturell westlichen Umfeld haben, sondern in Asien, k�nnte dazu beitragen, dass sie in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen werden, die zugleich kritisch und kreativ ist. Die Herausforderungen des Dialogs Es stellt sich eine grundlegende Frage: welche Vorstellung haben die Religionen von sich selbst als weltweite Gemeinschaften; welches Modell der Globalisierung stellen sie dar? Man k�nnte eine lange Erfahrung der Religionen in diesem Bereich erwarten. Dies gilt sowohl f�r ihre Suche nach praktikablen L�sungen als auch f�r ihre praktisch unvermeidbaren Fehler. Bei ihrer Selbstkritik m�ssen die religi�sen Gemeinschaften sich fragen, wie sie ein Beispiel oder ein Modell f�r eine menschliche Globalisierung sein k�nnen. Diese Frage ist wichtig, damit sie in ihrer Anstrengung f�r die Humanisierung der Globalisierung glaubhaft sind. In der Tat k�nnen sie sich nur in die �ffentliche Diskussion dieser Frage einmischen, wenn sie sich bem�hen, in ihren eigenen Gemeinschaften eine Realit�t von Prinzipien zu schaffen, die sie verteidigen. Die Religionen m�ssen besonders sensibel f�r die kulturelle Identit�t in der Vielfalt sein. Aber fast alle gro�en Religionen leiden unter internen Spannungen. Diese Feststellung gilt auch f�r die christliche Tradition. Deswegen ist die �kumenische Bewegung eine Art Bewegung auf der Suche nach der universellen Kirche, die tats�chlich alle Regionen und Konfessionen umfasst. Die �kumenische Bewegung ist eine Ausbildung des Lebens in Gemeinschaft in einer pluralistischen Welt. In dieser Hinsicht stellt die Behandlung von Minderheiten oder wiederstreitenden Meinungen in den religi�sen Gemeinschaften einen wichtigen Pr�fstein dar. Wer die Toleranz in seinen eigenen Reihen nicht praktiziert und im Fall eines Konflikts die Spielregeln ungerecht anwendet, kann sich schwerlich auf glaubhafte Weise und auf weltweiter Ebene f�r Minderheiten und Toleranz einsetzen. Trotz gewisser Fortschritte, die die �kumene zu verzeichnen hat, erleiden diese Anstrengungen jedoch gelegentlich R�ckschl�ge, wie es die schwierigen Beziehungen der katholischen Kirche und des �kumenischen Rates der Kirchen mit den orthodoxen Kirchen in den L�ndern, die im Umbruch sind, zeigen. Heute behaupten alle gro�en Religionen, sie bes��en die Antworten und verk�ndeten die Wahrheiten, die f�r die ganze Menschheit g�ltig sind oder auf jeden Fall nicht weniger g�ltig als die Vorschl�ge anderer Religionen. Damit dies nicht schwere Konflikte zur Folge hat, sondern einen florierenden Pluralismus hervorbringt, ist eine globale �kumene n�tig, die als wesentliches Element den Dialog der Religionen und die Zusammenarbeit von Menschen verschiedener Glaubensrichtungen einschlie�t. Das Zweite Vatikanische Konzil hat neue Weg in diesem Bereich er�ffnet; es hat dazu beigetragen, die Vorstellung zu ver�ndern, die man sich von der Mission machte. Trotzdem hat das Konzil keine zufriedenstellenden L�sungen in bezug auf die Spannungen zwischen Dialog und Mission hervorgebracht. Konfliktbereiche bestehen weiter. Die universelle G�ltigkeit der Menschenrechte stellt auch nicht mehr ein Thema dar, das vor den Kontroversen sch�tzt; vor allem seitdem man ihre Anwendung innerhalb der Religionen und religi�sen Strukturen fordert. Die R�ckkehr zu den Traditionen und eigenen Werten jeder Religion darf nicht in Fundamentalismus ausarten, aber es erleichtert sicherlich das Auftreten dieser Tendenzen, wenn die Umst�nde sich daf�r eignen. Die Religionen beanspruchen alle Bereiche, in denen die Anwendung bestimmter Menschenrechte eingeschr�nkt werden, wenn sie zum Beispiel, zumindest intern, den Frauen Rechte verweigern, die von der Zivilgesellschaft als universeller Wert anerkannt werden. Universalit�t, Partikularismus, Inkulturation Die katholische Kirche befindet sich ganz besonders in einem Spannungsbereich zwischen der Universalit�t einerseits, die von ihr beansprucht wird und die weltweit eine starke Anziehungskraft auf viele Menschen aus�bt und einem Zentralismus mit westlichen und r�mischen Z�gen andererseits, der unvereinbar ist mit diesem Anspruch. Die katholische Kirche m�chte gleichzeitig universelle Kirche sein und den Kirchen vor Ort nicht vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Es handelt sich sicherlich auch um eine theologisches und kirchliches Problem, aber vor allem um ein kulturelles, das daher r�hrt, dass die Botschaft des Evangeliums selbst aus einer Kultur von vielen hervorgeht, der westlichen Kultur. Dieses Problem scheint theoretisch und auch mehr oder weniger prinzipiell gel�st zu sein, indem man das Prinzip der Inkulturation anerkennt, d.h. die Notwendigkeit einer Integration in verschiedenen Kulturen. Es handelt sich also darum, die universelle Botschaft des Evangeliums einerseits und die besonderen Ausdrucksformen andererseits richtig zu assoziieren. Aber das f�hrt notwendigerweise dazu, die folgende Frage zu stellen: in welchem Ma�, in welchem Sinn und auf welche Weise betrachtet sich der christliche Glaube als eine universelle Kultur und auf welche kulturelle Physiognomie der Weltkirche m�ssen die Kirchen vor Ort sich beziehen. Was die konkreten Antworten auf diese Fragen betrifft, hat das Konzil mehr Fragen in der Schwebe gelassen als gel�st und damit ein Konfliktfeld im Inneren der Kirche geschaffen, unter dem heute viele Kirche vor Ort zu leiden haben. Es fehlen vor allem klare und verifizierbare Regeln, die die unvermeidlichen Konflikte in dieser Angelegenheit regeln, in der Auseinandersetzung um Theologien und damit verbundene Formen der Evangelisierung. Die Situation kann von einem Kontinent zum anderen und von einem Land zum anderen sehr unterschiedlich sein. In Asien, zum Beispiel, sch�tzt man die hierarchischen Strukturen und klar zugeordneten Kompetenzen, wie der Papst und die Kurie sie darstellen. Andere Religionen beneiden die Kirche au�erdem um die weltweite Macht der Stimme Roms. Angesichts der schwierigen politischen Situationen bietet die Tatsache, dass der Heilige Stuhl einen Status des Internationalen Rechts genie�t und dass er auf internationalem Wege handeln kann, viele Vorteile f�r die Kirchen vor Ort. Andererseits sind diese und �hnliche Vorteile auch nachteilig, weil sie den Eindruck erwecken, dass die katholische Religion ihre Wurzeln nicht in Asien hat, das sie von Fremden geleitet wird und so oft den Prozess der Inkulturation bremst. Die Rolle der Institutionen wie MISSIO und MISEREOR Die Kirche kann auf keinen Fall eine Form der Globalisierung akzeptieren, die die verschiedenen Formen der �Ausgrenzung� f�rdert. Eine derartige Entwicklung [st�nde] der christlichen Entscheidung f�r die Armen [entgegen]. In der Tat muss die Kirche ihre Aktionen immer so ausrichten, dass sie die Ausgrenzungen �berwindet und jede Person in das soziale Leben aufnimmt. Die Hilfswerke, die mit den Entwicklungsaufgaben und der universellen Mission beauftragt sind, tun dies auf eine besondere Weise. In diesem Bereich spielen die Einrichtungen missio und Misereor, die ihren Sitz in Aachen haben, eine wichtige Rolle in Deutschland. Diese Hilfswerke unterhalten Partnerschaften mit den Kirchen des S�dens. Diese Hilfswerke sind selber auch durch einen Ausbildungsprozess gegangen. Im Laufe der Jahre ist die strukturelle Dimension der Armut in den Vordergrund ger�ckt. Wir sprechen von einer ganzheitlichen Entwicklung, d.h. von einem materiellen und sozialen, aber auch kulturellen und religi�sen Prozess der Menschen. Wir begreifen unsere Mission als untrennbaren Teil der Mission der Kirche, eine Mission die sich auf das Evangelium gr�ndet. Gleichzeitig sind sich die Hilfswerke gewiss, dass sie auf einer reichen spirituellen und humanit�ren Tradition beruhen, die sie mit anderen Menschen teilen wollen. In diesem Sinn hat ihre Arbeit einen missionarischen Wert � sie wollen nicht auf naive Weise die Empf�nger bekehren. Ihre Hilfe richtet sich richtigerweise nicht nur an Katholiken oder Christen. Sie richtet sich an alle Menschen, die der Armut und Not ausgesetzt sind. Ein anderer Aspekt: Wir bem�hen uns um eine m�glichst enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kirchen vor Ort. Die Kontakte sind keine Einbahnstra�e, sondern wie ein gemeinsamer Prozess des gegenseitigen Kennenlernens, wie ein gegenseitiges Geben und Nehmen. In Deutschland selbst braucht die Kirche und ihre Hilfswerke ein Art von Pressesprechern f�r Ihre Partner, die versuchen als ihre Vertreter aufzutreten und sich zu ihren F�rsprechern zu machen: das soll nicht hei�en, dass sie immer die Positionen ihrer Partner akzeptieren und sie ohne Kritik �bernehmen. Sie versuchen vielmehr mit ihnen durch den Dialog die bestm�glichen L�sungen zu finden. Aufgrund der Tatsache, dass wir fast gar nicht von der Politik des Staates abh�ngig sind, k�nnen wir uns auf neuen Wegen engagieren, prophetische Initiativen ergreifen und uns f�r Themen und Probleme engagieren, die ansonsten in den Bereich der politischen Tabus verbannt werden. Auf jeden Fall versuchen wir uns zu F�rsprechern der Armen und der Opfer der Globalisierung zu machen. Fazit Die katholische Kirche in Deutschland und ihre Hilfswerke wie missio und Misereor sind einflussreiche Akteure im Scho� der internationalen Zivilgesellschaft und spielen als solche eine Schl�sselrolle im Prozess des Dialogs und der Vermittlung zwischen dem Norden und dem S�den, dem Osten und dem Westen. Eine universelle Kirche, die Kommunion, Austausch und �Labor des Dialogs� sein m�chte, verk�ndet ein Programm, das Br�cken schlagen m�chte: es ist nichts anderes, als das der eine vom anderen lernt. Sie sind vereint durch die Botschaft des Evangeliums, das ihnen geschenkt wurde, so dass die Kirchen vor Ort in all ihrer Verschiedenheit eine wahre universelle Kirche bilden k�nnen. Dieses Programm, von deren Realisierung die Kirche heute noch weit entfernt ist, k�nnte das Modell f�r eine menschliche Globalisierung werden, mit dem Ziel � wie es Papst Johannes Paul II gesagt hat � �der Globalisierung des Profits und des Elends, eine Globalisierung der Solidarit�t entgegenzusetzen�.
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