Aachen 2003

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Dienstag, 9. September 2003 - Eurogress
Krieg und Frieden in den Medien

  
  

Giulio Albanese
Direktor der katholischen Nachrichtenagentur MISNA, Italien
  

Liebe Freunde,

ich danke der Gemeinschaft Sant�Egidio f�r die Gelegenheit, mit Ihnen ein wenig �ber die Beziehung zwischen Information, Krieg und Frieden nachzudenken. Hier geht es um ein �u�erst wichtiges Thema, das in das Umfeld der Missionarischen Nachrichtenagentur M.I.S.N.A. (Missionary Service News Agency) einzuordnen ist, deren verantwortlicher Direktor ich bin.

Man sagt immer wieder, dass wir in einem �globalen Dorf� leben, in der sich die Nachrichten auf den Fl�geln der modernen Technologien mit Lichtgeschwindigkeit verbreiten. Aber wie kann man dann erkl�ren, dass wirklich nur wenige dazu bereit sind, immer wieder �ber Ereignisse, auch bedeutsame Ereignisse, informiert zu sein, die in Gulu oder in Bujumbura geschehen sind? Das Hafenbecken unserer kleinen Fernsehwelt wird von Programmen kleiner K�stenschiffe verstopft, die sowohl auf informativer Ebene und noch mehr auf Bildungsebene entt�uschend sind. Man hat das Gef�hl, dass der Durst nach Wissen auf Seiten der Nutzer durch eine kollektive Vernebelung abget�tet wird, die mit List und Absicht verbreitet wird, damit das Publikum auf dem Markt der Massenmedien Befriedigungen sucht und findet, die allein der Logik von wirtschaftlichen Interessen folgen und vom ethischen Gesichtspunkt fast immer unannehmbar sind.

Ich habe den Eindruck, dass die westliche Presse immer mehr von einer Art Provinzialismus infiziert ist. Auf dieser Grundlage m�chte man seit l�ngerer Zeit in vielen Redaktionen, die auch ernsthaft und engagiert sind, behaupten und beweisen, dass die Leser nur an den Ereignissen vom Nachbareingang interessiert sind und nicht an denen, die ihnen das Gef�hl von Weltb�rgern vermitteln, mehr f�r Klatsch als f�r Analysen der internationalen Politik. In dieser Logik verstopfen schmerzhafte Nachrichten des Geschehens vor Ort, die aber keine Bedeutung f�r angebliche soziale Entwicklungen oder R�ckentwicklungen haben, wochenlang die Nachrichten und Hintergrundberichte der nationalen �ffentlichen oder privaten Sender, w�hrend gleichzeitig Fl�chenbombardierungen auf Fl�chtlingslager in irgendeinem entlegenen Winkel Afrikas, Hunderte von Tote durch D�rre oder �berschwemmungen in entlegenen Gebieten Asiens, dramatische, politische und blutige Revolten zwischen unterschiedlichen Ethnien unbeachtet bleiben.

Diese Nachrichten gelangen im Allgemeinen nicht einmal in unsere Medien, oder wenn sie ankommen, werden sie in die letzte Nachrichtensendung in der Nacht oder in wenigen Zeilen unter den Kurznachrichten der Tageszeitungen wiedergegeben. Es geht nicht darum, die Perspektive umzuw�lzen: Das Kriterium f�r ein besonderes Gewicht der Nachrichten vor Ort ist richtig, aber das bedeutet nicht, dass die Werte, die aus jedem Individuum eine Person machen, durch Gleichg�ltigkeit oder Banalisierung verwischt werden d�rfen. Andererseits besitzen auch die gro�en internationalen Ereignisse, wie der Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan oder der Krieg gegen den Irak dieselbe F�higkeit, all das vollkommen zu verdunkeln, was in Kolumbien, im Kongo, in Liberia... geschieht, also in einem Teil der Welt, der abweisend dritte Welt genannt wird. Doch dort leben Millionen von Menschen, denen mit der Arroganz der Macht sogar minimale Versorgungsg�ter und auch Medikamente vorenthalten werden. Nicht nur das. Der Marktplatz der Information wird von Sensationsgier �berschwemmt, f�r die man sogar jeglichen Versuch der Suche nach der Wahrheit opfert, bis zu dem Punkt, dass Fernsehereignisse geschaffen werden, die zwischen gef�hrlich und unterhaltsam einzuordnen sind, auch wenn man angeblich Themen vertiefen m�chte, bei denen es um Opfer geht, um Menschen, denen auf die eine oder andere Art das Leben genommen wurde. Und au�erdem gibt es ein Monopol bei der Information aus dem S�den der Welt durch wenige gro�en Agenturen: Associated Press, Reuters und France Press. Es sind die gro�en Agenturen, die als Nachrichtenlieferanten den Radio- und Fernsehstationen sowie der Druckpresse auf der halben Welt die Spielregeln diktieren.

Schon 1840 hat der gro�e Balzac vor der �bermacht der �Herren� der Information gewarnt: �Die �ffentlichkeit glaubt, dass es viele Zeitungen gibt, doch im Grunde genommen gibt es nur eine. Jeder malt die Nachrichten wei�, rot oder blau an, die ihm Herr Havas zuschickt�. Seitdem hat sich nicht viel ver�ndert. Die Nachrichten, die durch den Filter der gro�en Agenturen gelangen und dann fr�h am Morgen mit dem Fr�hst�ckskaffee oder sp�t in der Nacht als Wegzehrung f�r die Nacht gereicht werden, sind Botschaften die politischen oder wirtschaftlichen Interessen dienen, die die Randgebiete der Welt ausgrenzen oder ausl�schen wollen. Wer in der Schaltzentrale sitzt, wei� genau, dass seine Handlungen wirksam sind, wenn sie sich auf Wissen, auf die Kontrolle des Bewusstseins und auf die Manipulierung der Wahrheit st�tzen. Deshalb war Afghanistan bis gestern ein unbekanntes Land und die Taliban waren eine Rockband, w�hrend man heute in allen Richtungen angeblichen Nachrichten �ber Osama bin Laden hinterherl�uft und uns nichts von der Topographie von Mazar-i-Sharif und Kandahar verborgen bleibt.

Niemals wie heute wird der biblische, lehramtliche und theologische Sinn des Wortes �Frieden� immer mehr Anlass zu Missverst�ndnissen auf Seiten der einheimischen Medien; es kommt dabei sogar zu verf�lschter Kommunikation, die Verwirrung und anderes mehr stiftet. Dieses Ph�nomen wird haupts�chlich durch die Verf�lschung der Botschaft verursacht, deren prophetischer und lehrhafter Inhalt h�ufig entleert wird. Die Kirche hat in diesen Jahren zahlreiche Lehrschreiben verbreitet, die den Einsatz f�r die Verk�ndigung und das Zeugnis des Evangeliums des Friedens bezeugen. In dieser Hinsicht war die Ermahnung des Papstes an das diplomatische Korps am Heiligen Stuhl, das am 13. Januar 2003 in der Sala Regina im apostolischen Vatikanpalast versammelt war, weise und gleichzeitig provozierend: �Es m�ge Sie nicht �berraschen, dass ich vor einer Versammlung von Diplomaten einige Aufforderungen vorbringe, die meiner Meinung nach durchgef�hrt werden m�ssen, wenn man verhindern m�chte, dass ganze V�lker und vielleicht sogar die ganze Menschheit in den Abgrund st�rzen�. Und in diesem Zusammenhang hat der Papst sein �Nein� zu allem wiederholt, was teuflisch ist: �Nein� zum Krieg! �Nein� zum Tod! �Nein� zu Egoismus! Diese so direkte und eindrucksvolle Kommunikation scheint leider nicht den ihr geb�hrenden Raum auf dem sogenannten Informationsareopag zu finden. Legionen von Herausgebern verdrehen zu oft den Sinn der Worte und verw�ssern unbequeme Wahrheiten. Doch die Kirche, vom Kopf bis zu den F��en, war noch nie so aktiv unter den Vork�mpfern beim Kampf f�r den Frieden; man denke nur an das Martyrium von Bisch�fen, Priestern, Ordenleuten und Laien, die W�chter Gottes in vielen Randgebieten der Welt waren, vom Nahen Ostern bis Afrika, von Lateinamerika bis Asien. Leider ist der ganze Apparat der Massenmedien einer Kommerzialisierung unterworfen, einige M�chtige auf dem Informationssektor erzwingen, dass man sich immer nach den Klienten richten muss, und es herrscht eine hektische Verbreitung von Nachrichten, die dringlich gemacht werden, weil man nach den Regeln der Kommunikation alles zu der Zeit erfahren muss, in der es geschieht; das alles ist ein gro�es Hindernis f�r eine richtige Verbreitung der kirchlichen Sichtweise des Friedens. Eine Sache ist sicher: Man muss die Welt der Kommunikation evangelisieren. Vor allen Dingen muss man im Bereich der christlichen Gemeinschaften die starken Sozialworte des Lehramtes der Kirche verbreiten, damit sich niemand heraush�lt, wenn die christlichen Werte in Frage gestellt werden.

 

 

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