Aachen 2003

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Dienstag, 9. September 2003 - Eurogress
Katholiken und Lutheraner nach Augsburg

  
  

Ivo Huber
�kumenereferent der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern
  

Ich habe die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erkl�rung zur Rechtfertigungslehre in meiner damaligen Gemeinde in Ansbach miterlebt. Ansbach ist eine kleine, daf�r umso traditionsreichere Stadt in der N�he von N�rnberg, ehemals 100% lutherisch und dem Reformator Martin Luther durch den damaligen Landesherrn, den Markgraf von Asbach-Brandenburg, einem �berzeugten Anh�nger des Reformators, stark verbunden. Noch heute sprechen die Ansbach von ihrer Stadt als dem lutherischen Rom. Das ist sicher stark �bertrieben, zeigt aber doch die eigene Einsch�tzung und Wahrnehmung der Menschen noch heute. Die Unterzeichung der Gemeinsamen Erkl�rung von Ansbach aus zu erleben, war f�r mich deswegen etwas Besonderes.

Nat�rlich hat sich Ansbach nach dem zweiten Weltkrieg ver�ndert. Mittlerweile gibt es immerhin zwei lebendige r�misch-katholische Gemeinden in der Stadt und das Verh�ltnis zu diesen Gemeinden empfinde ich als gut und wichtig.

Obwohl ich mich �ber die Unterzeichnung sehr gefreut habe, musste ich doch feststellen, dass dieses Geschehen nicht wenigen Menschen Unbehagen bereitete. Viele fragten sich, geben wir nicht etwas der r�misch-katholischen Kirche preis, was unsere eigene Identit�t ausmacht? Sie fragten sich vor allem, was kommt danach? Das war nicht absch�tzig gemeint und ist schon gar nicht Ausdruck von Verzagtheit, sondern zeigt eine lebendige Sensibilit�t f�r das eigene Selbst und die Erwartung einer Ver�nderung.

NACH DER UNTERZEICHNUNG:

Die Zeit unmittelbar nach der Unterzeichnung war sicherlich von vielen Erwartungen auf beiden Seiten gepr�gt. F�r die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern fiel die Unterzeichnung zudem in den Wechsel im Bischofsamt zusammen. Die letzte Amtshandlung des scheidenden Landesbischofs war, wenn man so will, die Begleitung der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erkl�rung in Augsburg, entsprechend pr�gte die Unterzeichnung auch den Antritt des heutigen Landesbischof, Dr. Johannes Friedrich, der kurz nach seiner Einf�hrung als Landesbischof auch zum Catholicabeauftragten der velkd berufen wurde.

Obwohl die Erwartungen an beide Kirchen hoch waren, oder vielleicht l�sst sich sogar sagen, gerade weil die Erwartung so hoch waren und zudem die Zeit im Vorfeld insbesondere auf der lutherischen Seite in Deutschland von nicht unerheblichen Auseinandersetzung unter f�hrenden Theologen gekennzeichnet war, geschah das Gegenteil, beide Kirchen, wenn sie mir diese sicher verk�rzte Feststellung erlauben, bedienten in der Zeit nach der Gemeinsamen Erkl�rung eher ihr eigenes Klientel als sich neuen �kumenischen Aufbr�chen zu �ffnen.

Als erstes wurden die Erwartungen an den �kumenischen Kirchentag entt�uscht. Zu dem von vielen geforderten offiziellen gemeinsamen Abendmahl oder der gemeinsamen Eucharistiefeier kam es genauso wenig wie zu einer eucharistische Gastbereitschaft, die f�r diesen singul�ren Moment h�tte einger�umt werden k�nnen.

Doch damit nicht genug, die r�misch-katholische Kirche ver�ffentlichte mit �Dominus Iesus� ein Dokument, das, um es noch einmal sehr direkt zu sagen, den lutherischen Kirchen den Respekt versagte, den die lutherischen Kirchen nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erkl�rung und den vielen nach vorne weisenden bilateralen Gespr�chsergebnissen eigentlich erwarten durften. Man war wieder einmal nicht als Kirche, sondern nur als kirchliche Gemeinschaft angesehen worden. Die im Anschluss gef�hrten Gefechte dergestalt, dass man es nicht n�tig habe, sich die Approbation des eigenen Kircheseins von der r�mischen Kirche sagen zu lassen, ja gar nicht so Kirche sein wolle, wie die R�misch-Katholische Kirche nach ihrem Verst�ndnis Kirche sei, sind in ihren Aussagen sicher nicht falsch, aber lassen gleichfalls keinen Irrtum dar�ber zu, wie entt�uscht und verletzt man gewesen war.

Die Evangelische Kirche in Deutschland lie� mit ihrer Antwort nicht lange auf sich warten. Der Text �Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verst�ndnis� erkl�rte, um es in aller Deutlichkeit auf dem Punkt zu bringen, evangelisches, und damit war klar und deutlich das biblische Kirchenverst�ndnis gemeint, f�r mit dem r�misch-katholischen Kirchenverst�ndnis inkompatibel. �mter oder gar Kirchenstrukturen, die f�r die r�misch-katholische Kirche von gro�er Bedeutung sind, wurden in dem genannten Text als nahezu marginal zur Seite geschoben. Auch dies war starker Tobak. Die Reaktion der r�misch-katholischen Seite war entsprechend.

Zu meinem Bedauern �bersehen beide Kirchen, auf welches Leitbild und welche Methode sie sich mit der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erkl�rung eingelassen und einander zugesagt haben. Das Leitbild der �Einheit in Verschiedenheit� und die damit zusammenh�ngende Methode des �differenzierten Konsenses� verlangt offensichtlich nicht nur theologische Unterscheidungsarbeit, sondern auch eine spannungsreiche Einstellung: Die Anerkennung, dass auch andere Kirchen Heil vermitteln, und gleichzeitig das Engagement in der eigenen Kirche, obwohl diese zun�chst entbehrlich erscheint. Es fordert Verzicht auf die Verabsolutierung der eigenen Kirche ohne jenen �ekklesiologischen Relativismus�, f�r den alle Konfessionen gleicherma�en Kirche Jesu Christi sind, oder der sich f�r die diese (Wahrheits-)Frage �berhaupt nicht mehr interessiert. Dieses Leitbild will, dass man die eigene Kirche mit ihrem Eigenen liebt, aber auch allzu spezifische und entbehrliche Formen zur�ckstellt und gleichzeitig die Anliegen und Formen anderer Konfessionen versteht und achtet, ja diesen Konfessionen sogar eine Korrektur- und Erg�nzungsfunktion zuerkennt .

AUSBLICK:

Der �kumenische Kirchentag, und das m�chte ich ausdr�cklich unterstreichen, war trotzdem nicht nur ein gro�er Erfolg, er war ein missionarisches Signal und eine wichtige Ermutigung. Denn so positiv und im Grunde unkompliziert wie der Kirchentag war, ist das Alltagsverh�ltnis der beiden gro�en Kirchen in Deutschland ja auch.

Leider ist das in der breiten �ffentlichkeit kaum wahrgenommen worden. Das lag ganz einfach daran, dass sich das Medieninteresse auf die Frage der gemeinsamen Eucharistie und die daraus resultierende Auseinandersetzung konzentrierte. Das war schade und hat in der sich nach dem Kirchentag ereignenden Auseinandersetzung leider einen weiteren H�hepunkt gefunden. Die mediale Dominanz der �kumenischen Querelen ist so eminent, dass es den Kirchen mittlerweile insgesamt schwer f�llt, sich mit anderen wichtigen Fragen in der �ffentlichkeit zu positionieren. Ganz gleich zu was sich die Kirchen im Moment �u�ern, sei es die aktuelle Debatte zur Umgestaltung der deutschen Sozialsysteme, die zur Zeit intensiv diskutierte Agenda 2010, oder was auch immer, die kirchlichen Verlautbarung werden meist von den bereits in der �kumenediskussion vergebenen Etiketten vorschnell wieder eingeholt. Fast unreflektiert hei�t es umgehend, die Kirchen seinen nur ihrem eigenen Binneninteresse verbunden, abgehoben, ungerecht und eine christliche Vision fehle sowieso.

Mir scheint als sei die �kumenefrage im Moment das Paradigma schlechthin f�r den allgemeinen Schw�chezustand, in dem sich beide Kirche befinden. Damit meine ich nicht, dass die �kumene und die in ihr ausgetragenen Streitfragen f�r diesen Schw�chezustand urs�chlich w�re. Die momentane Schw�che beider Kirche hat viele Ursachen, auf die ich jetzt nicht eingehen kann. Es ist nur so, dass in der Frage der �kumene in Deutschland vieles exemplarisch kulminiert.

Es wird deswegen f�r die Kirchen von gro�er Bedeutung sein, auf diesem Gebiet erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um miteinander weiterzukommen. Richtschnur muss daf�r die Einheit in Verschiedenheit und die in ihr angelegte notwendige Korrektur- und Erg�nzungsfunktion beider Konfessionen um der gemeinsamen Wahrheit willen sein. Auch wenn viele Fragen, das gilt f�r die gemeinsame Eucharistie und die Frage nach dem Amt ganz besonders, noch erhebliche Bem�hung, oder um mit Kardinal Lehman zu sprechen, gerade zu ein neuer Anfang n�tig sein wird, brauchen wir unmittelbar, allein um neue Handlungsspielraum zu gewinnen, so wie es der Catholicabeauftragte der velkd, Landesbischof Friedrich, j�ngst gefordert hat, neue positive Signale auf einander zu.

 

 

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