Nikolaus Schneider
Pr�ses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Deutschland
M�rtyrer sind nach dem f�r das folgende vorausgesetzte Verst�ndnis zum Ersten Frauen und M�nner, die ihr eigenes Leben bewusst f�r ihre �berzeugung bzw. ihren Glauben opfern. Christliche M�rtyrer aus allen gro�en Konfessionsfamilien � r�misch-katholisch, orthodox, reformatorisch � haben dabei bezeugt, dass sie im Martyrium eins wurden mit Jesus Christus und keine andere Herrschaft �ber ihr Leben anerkannten als die Herrschaft Gottes. Terroristen, die im Namen ihrer religi�sen oder politischen �berzeugung andere Menschen t�ten, sind M�rder, auch wenn sie ihr eigenes Leben riskieren oder hingeben. M�rtyrer stehen zum Zweiten zu ihrer �berzeugung, sie sind innerlich gebunden angesichts von Folter und Tod. Sie verzichten bewusst auf den lebensrettenden Ausweg der Verleugnung, des Widerrufs oder der Flucht. Ihr Weg des Lebens geht durch das Martyrium hindurch zum Leben in der Gegenwart Gottes. Christliche M�rtyrer �berschreiten zum Dritten in ihrem Martyrium nicht nur die Grenzen von Zeit und Raum, sie �berschreiten auch die Grenzen der Kirchen und der Konfessionsfamilien. Sie sind schon eins in Christus, also �kumenische Pers�nlichkeiten. Die M�rtyrer stellen damit zum Vierten eine Herausforderung f�r die Kirchen dar. Sie machen die noch nicht �berwundenen Grenzen zwischen den gro�en Konfessionsfamilien als Ausdruck der mangelnden Einheit mit Jesus Christus deutlich. So wird auch verst�ndlich, was die ehrliche Kenntnisnahme der Kirchengeschichte vermittelt: Kirche ist zum einen selbst T�terin. Sie verfolgte, folterte und t�tete Menschen, deren Glaubens�berzeugung im Widerspruch zur eigenen, offiziellen Lehre stand. Kirche ist zum anderen selbst Opfer. Menschen wurden wegen ihrer kirchlichen Zugeh�rigkeit und ihres kirchlichen Bekenntnisses verfolgt, gefoltert und get�tet. Wichtig ist mir, deutlich zu machen, dass christliche M�rtyrer nicht mit ihrer jeweiligen konfessionellen Kirche in eins gesetzt werden k�nnen. Es konnte n�mlich sein, dass das Martyrium einzelner Glieder der jeweiligen Kirchen von ihnen im Gebet und im Gedenken mitgetragen wurde. Es konnte aber auch sein, dass die Kirchen vom Martyrium abrieten, dass sie sich teilnahmslos verhielten oder ihren M�rtyrer sogar durch offene oder verdeckte Kooperation mit den M�rdern verrieten. Und es konnte sogar sein, dass das Martyrium von Christinnen und Christen von ihren eigenen Kirchen initiiert und vollstreckt wurde. Aus diesem Verst�ndnis der M�rtyrer und ihres Verh�ltnisses zu ihren Kirchen ergeben sich folgende �berlegungen zu ihrem Erbe f�r das 21. Jahrhundert: 1. Politik und Gesellschaft m�ssen Garanten und H�ter der Freiheit des Denkens und des Glaubens der Einzelnen sein. Dies wird durch die F�rderung demokratischer Prinzipien in allen Machtstrukturen am besten gelingen. Der gnadenlose und m�rderische Fundamentalismus sollte in allen religi�sen und weltanschaulichen Gemeinschaften ge�chtet werden. 2. Die christlichen Kirchen sind herausgefordert, �ber ihre Verflechtungen in Strukturen der Schuld und �ber ihr Versagen �ber den M�rtyrern nachzudenken und dabei in konkreter Weise Schuld zu benennen und Schuld zu bekennen. F�r unsere deutschen Kirchen bedeutet das auch die kritische R�ckfrage, ob und wann institutionelle Verflechtungen mit Staat und Gesellschaft oder die Bindung an m�chtige Menschen in Staat und Gesellschaft notwendige Glaubenszeugnisse verdunkeln, verhindern oder gar verraten. Im Gedenken an die M�rtyrer der anderen kirchlichen Konfessionen und im Bewusstsein des Versagens und der Schuld der eigenen christlichen Kirche m�ssen die christlichen Kirchen alle ihre Lebensvollz�ge �kumenisch ausrichten. Insbesondere die theologische Arbeit in allen ihren Dimensionen darf nicht auf Abgrenzung bzw. die Sicherung der eigenen konfessionellen Grenzen ausgerichtet sein. Sie muss vielmehr Br�cken bauen, auf die �berwindung von Grenzen und die Erm�glichung von mehr Gemeinsamkeiten und Gemeinschaft zielen. In der Suche nach der Einheit mit Christus wird sie der Einheit untereinander am besten dienen. 3. Christlicher Glaube und christliche Theologie bleiben geistlos, wenn sie sich in zeitlosen dogmatischen Lehrs�tzen ersch�pfen. Die Wahrheit von Glaube und Theologie ereignet sich durch und an konkreten Menschen in konkreten Zeiten und an konkreten Orten. Glaube und Theologie, die Jesus Christus vergegenw�rtigen, dem Heiligen Geist sich �ffnen und Gott die Herrschaft geben, bleiben unl�sbar verbunden mit Menschen, denen Gott sich offenbart und die Gottes Wort mit ihrem Leben bezeugen. Das macht theologisch-wissenschaftliche Reflexion und Lehrbildung, die Bindung an traditionelle Konfessionen und kirchliche Gemeinschaft nicht �berfl�ssig. Aber es macht studierte Theologen und kirchliche Amtstr�ger bescheiden. Die von uns allen geglaubte eine, heilige, apostolische und katholische Kirche ist von den M�rtyrern der christlichen Kirchen � der r�misch-katholischen, der orthodoxen und der reformatorischen Konfessionsfamilien � schon real vorweg genommen. Die M�rtyrer sind uns als �Wolke der Zeugen� Leitbild und Ermutigung, diese �una sankta� auch heute zu verwirklichen.
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