Dienstag, 7. September 2004
Universit� Cattolica del Sacro Cuore, Aula Vito
Das Gebet: die schwache Kraft der Gl�ubigen

Previous page
Home page

 

J�rgen Johannesdotter
Lutherischer Bischof, Deutschland
  

Als ich h�rte, unter welchem Thema wir uns heute versammeln, war ich versucht zu sagen: Das ist verr�ckt! Aber dieses �Verr�ckte� ist reines Evangelium. Das Gebet ist neben dem �Tun des Gerechten� f�r die Armen und Leidenden unser Beitrag als Menschen aller Religionen f�r Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Das Gebet ist unser revolution�rer Beitrag f�r den Frieden in der Welt. Warum?

Das Gebet als Revolution. Das verbindet uns als Menschen aller Religionen. Uns allen ist gemeinsam: Wir glauben an Gott. Und: Wir d�rfen zu ihm beten. Das Gebet ist kein Selbstgespr�ch. Wir beten zu Gott, dem Allm�chtigen und Barmherzigen. Wir haben die Erlaubnis dazu, unabh�ngig von unserer Hautfarbe und Geschlecht, von unserem Alter und Beruf, von unserem Einkommen und von unserer Religion. Vieles mag uns unterscheiden, das Recht zu beten ist ein fundamentales Menschenrecht aller Religionen. Ja, es ist sogar unabh�ngig von der Zugeh�rigkeit zu einer Kirche. Das Recht zu beten ist der tiefste Ausdruck der Solidarit�t unter den Menschen,. Gott schenkt uns dieses Recht. Von nichts anderem ist es abh�ngig als von dieser Erlaubnis.

Die Ohnmacht des Gebetes

Ohnm�chtig und hilflos zu sein vertragen wir Menschen schlecht. Mit Macht und mit Gewalt k�mpfen wir dagegen an. Das Gebet ist aber nicht Ausdruck der Hilflosigkeit, sondern der Hilfsbed�rftigkeit. Durch den Glauben erkennen wir, dass wir hilfsbed�rftig sind vor Gott � unabh�ngig von unserer sonstigen Macht und unseren Gaben. Zugleich erkennen wir, dass wir mit dieser Hilfsbed�rftigkeit zu Gott kommen k�nnen. Das tun wir im Gebet. Der Philosoph Kierkegaard hat gesagt: �Gottes zu bed�rfen ist des Menschen h�chster Adel.� In Kapitel 12, Vers 9, des 2. Korintherbriefes schreibt der Apostel Paulus als ein Wort des Herrn an sich: �Lass dir an meiner Gnade gen�gen, denn meine Kraft ist in den Schwachen m�chtig.� Seine Gnade gen�gt! Kein Widerspruch! Er fragt nicht, ob wir das auch so f�hlen, ob wir dem zustimmen. Er sagt: Meine Gnade gen�gt!

Jede Art des Betens dr�ckt das aus: Wir falten unsere H�nde zum Beten. Mit gefalteten H�nden k�nnen wir nichts tun. Es ist die Geb�rde der absoluten Tatenlosigkeit, aber mehr noch der Hilfsbed�rftigkeit. Und diese Hilfsbed�rftigkeit vertrauen wir Gott an, dem wir nicht zu gering sind, denn er hat uns Schwachen erlaubt zu beten. Und Jesus Christus hat uns sogar erlaubt, Gott als �Vater� anzusprechen und zu beten �Vater unser�.

Die ohnm�chtige Macht des Gebetes

Wenn das Gebet Ausdruck der Ohnmacht und der Hilfsbed�rftigkeit des Menschen ist, woher kommt dann die Macht des Gebetes? Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die R�mer Kapitel 8, Vers 26: �Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich`s geb�hrt. Aber der Geist vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzern.� Dieser schroffe Gegensatz kennzeichnet das Leben der Kirchen und der einzelnen Christen. Das ist die Folge vom Pfingstfest. Da durchbricht die ungew�hnliche Geisteskraft alle sprachlichen Barrieren dieser Welt � und wir Christen antworten Gott mit Seufzern. �Wir wissen nicht, was wir beten sollen.� Begeisterung und Ern�chterung, das h�lt der Heilige Geist zusammen. Damit h�lt er uns zusammen in der Welt, in der wir leben � in der Welt des Unfriedens, der Ungerechtigkeit und der Gewalt. Aber er will nicht, dass es dabei bleibt, denn er liebt diese Welt. Unser Gebet rechnet mit diesem m�chtigen F�rsprecher, dem Heiligen Geist. Nicht durch uns selbst ist das Gebet m�chtig, sondern durch den, �der unserer Schwachheit aufhilft�. In dieser Schwachheit sind wir solidarisch und stehen miteinander vor Gott, der unserer Schwachheit aufhilft und uns an seiner Gnade gen�gen l�sst. Das ist eine Revolution in einer Welt, die sonst nur die Sprache der Macht und der Gewalt kennt. Das Gebet ist Ausdruck daf�r, dass wir uns mit dieser Sprache nicht abfinden. Wenn wir auch sonst nicht wissen, was wir beten sollen � das k�nnen und sollen wir beten: �Ja, komm, Gott, Heiliger Geist!�

Ein einzigartiges Gebet � Das Vaterunser

Genau in der Mitte der Bergpredigt steht das einzigartige Gebet der Christenheit � das Vaterunser. Wenn die J�nger sagen, sie h�tten von Jesus beten gelernt, dann nimmt uns das Vaterunser in eine n�chterne und glaubensstarke Schule des Betens. Es ist ein neues Beten , in einem neuen Geist und Sinn. Es ist zum gro�en Mantel des hohenpriesterlichen Betens im Namen Jesu geworden. Es verbindet selbst getrennte Christen und Kirchen. Martin Luther hat einmal gesagt, die Welt sei zwar voller Gebete, und doch bleibe das Beten ein seltenes Werk.

Die unerh�rten Gebete sind die Not aller Gebete. Wer auf Wunscherf�llungen wartet, bringt das Beten um sein eigenes Wesen. Das Gebet schreibt Gott unsere W�nsche nicht vor, sondern vertraut sie ihm an. Beim Beten geht es stets um eins, sagen die Worte Jesu: Darum dass ein Mensch dazu kommt, mitten im Gedr�nge des Lebens das Haupt zu heben und �Vater unser im Himmel� zu sagen. Das ist befreites und befreiendes Beten im Namen dessen, in dessen Namen es gelehrt wird und der sich drau�en vor der Stadt f�r Gott ans Kreuz schlagen lie�.

Der Glaube flieht nicht aus der Welt ins Gebet. Er befreit das Beten zu seiner Verborgenheit. Sprich zu dem Vater, der sich im Verborgenen auskennt! La� es ein Reden deines Herzens mit Gott sein, ein Beten ohne Nebenabsichten und Schaueffekte. Jesus steht f�r einen Vater, dessen Wille geschehen soll auch dort, wo er ihn � allein gelassen � nur noch erleiden kann. Er l�sst ihn glauben in der Sch�nheit und allem Leid dieser Welt. F�r diesen Glauben hat Jesus gelebt und gelitten. F�r ihn ist er gestorben und auferweckt worden. In seinem Namen wirkt er unter uns weiter. Der gekreuzigte Sohn, den sch�ne Gebete nicht blenden. Der h�rt, was die Analphabeten stammeln.

In ihm ist unserem Beten eine unerwartete Erh�rung widerfahren. In seinem Namen rufen wir den Vater an, der mitten in unseren N�ten verborgen gegenw�rtig ist. Unsere H�nde schaffen das t�gliche Brot nicht allein; unsere F�uste k�nnen nicht einmal Mangel und �berflu� gerechter verteilen. Nur wo wir t�glich darum bitten, werden wir auch gel�ster, gerechter, barmherziger mit ihm umgehen lernen. Wir k�nnen den Vater im Himmel in seinem Namen nicht anrufen, ohne dass uns dabei bewusst wird, wie sehr wir in seiner Schuld sind, wie sehr wir zertrennt sind. Hat der Ruf zum Vater und die Nichtachtung der Geschwister nebeneinander Raum auf den Lippen? Kann man den Vater im Himmel anrufen und sich weiterhin unger�hrt von den �beln der Welt das Gesetz des Handelns diktieren lassen?

Die ganze Welt ist in diesem Gebet, um diesen Anruf �Vater unser� versammelt. Alle N�te, die wir kennen, aber sie erdr�cken das Herz nicht; der Anruf des Vaters l�sst den Horizont weit werden, l�sst das ganze Leben hinein str�men. Das Beten zu diesem Vater macht uns bereit, das t�gliche Brot zu empfangen und auszuteilen. Solches Beten bringt niemand allein zustande. Doch der Atem des Vaters, der wie im Himmel, so auch auf Erden ins Verborgene sieht, kann es erm�glichen. Mit ihm k�nnen wir immer wieder von vorne beginnen. Der Anruf des Vaters l�sst das Menschenherz seine Sprache wiederfinden, die Sprache der Kinder und des Vertrauens. Er befreit und beh�tet das Reden des Herzens mit Gott.

Das Gebet, das uns Jesus gelehrt hat, buchstabieren wir nie zu Ende. Wir werden Anf�nger bleiben. Wir werden hinein wachsen, aber nie dar�ber hinaus wachsen. Es umf�ngt unser enges Herz mit der Weite des g�ttlichen Herzens. Es h�lt unseren Glauben am Leben und macht unsere Liebe weiter. Der Glaube, der so beten lernt, macht die Welt hell.

Das ist die ohnm�chtige, die schwache Kraft des Gebetes.