Comunità di S.Egidio


 

Frankfurter Allgemeine Zeitung

20/03/2004


Drei Pillen f�r Afrika
Ein Aids-Projekt in Mo�ambique k�nnte als Modell f�r andere L�nder dienen

 

MAPUTO, im M�rz. �Wenn alle in diesem Land sterben, von was bin ich dann Pr�sident?" fragt Afonso Dlakhama seine G�ste - und gibt sich dann doch gleich selbst die- Antwort. "Von nichts!" Deswegen stehe Aids ganz oben auf seiner Agenda. Ohne "die Italiener", wie Dlakhama sagt, w�re eine Behandlung der Immunschw�chekrankheit aber kaum m�glich. Dlakhama spricht viel �ber die Arbeit der Hilfsorganisation Sant'Egidio, die seit bald drei Jahren vor allem in der mo�ambiquanischeu Hauptstadt Maputo aktiv ist. Ihr habe das Volk, das bald das seine werden soll, viel zu verdanken. Die Chancen auf das h�chste Amt im Staate stehen jedoch auch dieses Mal nicht allzu gut f�r den 51 Jahre alten Kandidaten der Oppositionspartei Renamo (Resist�ncia Nacional Mo�ambicana). Darum wohl �berzieht Dlakhama seinen Kontrahenten Armando Guebuza von der im Grunde seit der Unabh�ngigkeit von Portugal im Jahr 1975 regierenden Partei Frelimo (Frente de Liberta�ao de Mo�ambique) mit �blen Vorw�rfen: Korrupt sei der, ein Kriegsverbrecher und Rassist, der Wei�e nicht leiden k�nne.

Von Afonso Dlakhama und der wei� get�nchten Renamo-Villa zur stattlichen Frelimo-Parteizentrale sind es nur ein paar Autominuten. Guebuza, der Nachfolger von Pr�sident Joaquini Chissano werden will, ist ein kleiner, untersetzter Mann. Der Einundsechzigj�hrige, der als sehr reich gilt und mehr als 30 Firmen in Mo�ambique besitzen soll, thront auf einem viel zu gro�en Stuhl, l�chelt ununterbrochen freundlich und redet nur �ber das, was ihm genehm ist. So geht er nicht auf die Frage ein, ob und wieviel Schaden der weit �ber die Grenzen seines Landes hinaus einflu�reiche Pr�sident S�dafrikas, Thabo Mbeki, angerichtet hat, als er vor vier Jahren einen Zusammenhang zwischen dem HI-Virus und der Epidemie Aids in Abrede stellte: "�ber die Aids-Politik eines anderen Landes sage ich nichts."

Die s�dlich des �quators gelegenen L�nder Afrikas haben viel Zeit verloren. Und das nicht nur, weil Politiker wie Mbeki (der seine Meinung inzwischen ge�ndert hat) den Kampf gegen Aids lange Zeit als nicht besonders wichtig ansahen. Auch die Weltgemeinschaft akzeptierte erst vor zwei Jahren, da� die HIV-infizierten Einwohner Afrikas ebenfalls Anspruch auf eine Therapie haben. Die Folge: Nur 70 000 der mehr als 30 Millionen Menschen, die in Afrika mit HIV und Aids leben m�ssen, werden derzeit behandelt. Fast nichts, so scheint es, hat auch die Regierung in Maputo bisher gegen das sich immer schneller ausbreitende Virus getan. Mo�ambique geh�rt zu den Hochpr�valenz-L�ndern. Nach offiziellen Sch�tzungen sind zw�lf bis sechzehn (manche sprechen sogar von bis zu zwanzig) Prozent der rund achtzehn Millionen Einwohner betroffen. Die Lebenserwartung ist von 50 Jahren auf 39 Jahre gesunken.

Anders als in Europa oder Nordamerika wird das HIV-Virus in mindestens der H�lfte aller F�lle durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr �bertragen. Zu weiteren f�nf bis zehn Prozent der Ansteckungen kommt es durch infizierte Bluttransfusionen. Dar�ber hinaus kommen in Mo�ambique t�glich 50 Kinder mit dem Virus zur Welt. Die Vereinten Nationen sch�tzen, da� eine Million mo�ambiquanische Kinder Aids-Waisen sind. Viele von ihnen werden Opfer von Gewalttaten: Sie werden mi�braucht, in einigen Regionen gibt es einen schwunghaften Organhandel. In dem Land, das mehr als doppelt so gro� ist wie Deutschland, gibt es insgesamt nur 400 �rzte, die H�lfte von ihnen lebt in der Zwei-Millionen-Stadt Maputo. Ein Teil praktiziert jedoch schon lange nicht mehr, sondern sitzt im seit 1994 demokratisch gew�hlten Parlament.

Das Hospital Geral da Machava in Maputo - das Allgemeine Krankenhaus im besonders armen Stadtteil Machava - erinnert an eine Kriegsruine. Kaum eine Glasscheibe oder h�lzerne T�r in dem mehrst�ckigen Bau ist unversehrt. Die W�nde sind dick mit Schimmel �berzogen, auf den Fu�b�den sammeln sich stinkende Wasserpf�tzen, auf einem Flur steht ein verrosteter Rollstuhl ohne Schl�uche. In den Zimmern liegen bis fast auf die Knochen abgemagerte Gestalten, die zur St�rkung nur Blutinfusionen bekommen. Die meisten von ihnen wurden von Verwandten und Freunden gebracht, weil sie alleine nicht mehr laufen konnten. Sie leiden an Taberkulose und ahnen oft nicht einmal, da� dies zugleich fast immer eine der h�ufigsten opportunistischen Infektionen der Immunschw�chekrankheit Aids ist. Rund 80 Prozent der Tuberkulose-Patienten sind auch HIV-positiv.

Genau aus diesem Grund hat die Comunit� di Sant'Egidie ein Zentrum neben dem Krankenhaus eingerichtet. Das kleine Haus wirkt wie frisch gestrichen, die R�ume sind klinisch sauber, Hier werden Aids-Tests angeboten (fast 97 Prozent der Menschen, die kommen, sind HIV-infiziert) und auch gleich eine Therapie, die f�r die Kranken kostenlos ist - was in Afrika nicht unbedingt neu ist. Ungew�hnlich aber ist, da� alle Aids-Patienten eine Behandlung bekommen, wie sie sonst nur in Nordamerika und Europa vorgesehen ist: die sogenannte Dreifach-Therapie. Zudem kontrolliert Sant'Egidio regelm��ig die Viruslast und Anzahl der CD4-Lymphozyten und damit das Fortschreiten der Krankheit. Daf�r hat die in Italien gegr�ndete Hilfsorganisation die ersten molekularbiologischen Labors in Mo�ambique eingerichtet und im Laufe der vergangenen zwei Jahre er�ffnet. "Bisher", erz�hlt Mario Marazziti von Sant'Egidio, "war es �blich, da� Afrikaner, vor allem schwangere Frauen, einfach nur ein Aids-Medikament verabreicht bekommen haben, und zwar Nevirapin. Das HI-Virus ist aber schlau und bildet schnell Resistenzen. So k�nnte die Behandlung mit nur einem Medikament bald zu einem Desaster f�r Afrika werden."

Die Comunit� di Sant'Egidio hat ein besonderes Verh�ltnis zu Mo�ambique, brachte die Organisation doch 1990 die beiden Kriegsparteien Renamo und Frelimo an einem Tisch zu Verhandlungen zusammen. Zwei Jahre sp�ter wurde ein Friedensvertrag unterschrieben, der den Weg ebnete f�r eine demokratische Verfassung und erste landesweite Wahlen. Sant'Egidio wurde 1968 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegr�ndet. Die christliche Laienbewegung hat heute knapp 50 000 Mitglieder (davon etwa 3000 in Mo�ambique), die sich meist ehrenamtlich in 62 L�ndern der Weit in den Dienst der Armen gestellt haben. Im September 2001 wurde DREAM (Drug Resources Enhancement against Aids and Malnutrition) in den Elendsvierteln von Maputo und der Nachbarstadt Matola eingef�hrt. Die Finanzierung war zun�chst f�r f�nf Jahre. gesichert, wurde aber bereits mehrfach erweitert. So wurde das Programm auf die St�dte Beira und Nampula im Norden ausgedehnt. Noch in diesem Jahr will Sant'Egidio in sechs weiteren L�ndern Afrikas Aids-Zentren er�ffnen.

In Mo�ambique wurden bisher 10 000 Menschen getestet, 8 000 davon waren HIV-positiv, 4000 werden �rztlich versorgt, 1400 erhalten eine antiretrovirale Behandlung. Finanziert wird DREAM durch Spenden und von Sponsoren: vor allem von der italienischen Bank Unicredito (f�nf Millionen Euro), aber auch vom deutschen Bundesentwicklungshilfeministerium. DREAM ist nach Angaben von Marazziti schon jetzt mit seinen dreizehn Zentren in Mo�ambique das gr��te Aids-Projekt in Afrika. Die Hilfsorganisation versorgt ihre Patienten aber nicht nur mit Medikamenten, sondern auch mit Wasserfiltern (derzeit breitet sich eine Cholera-Epidenrie im Land aus), mit, Moskitonetzen und Lebensmitteln wie Reis, Mais, N�ssen, Erbsen, Soja�l, Zucker und - f�r M�tter - Milchpulver.

M�ttern und Kindern widmet sich Sant'Egidio ganz besonders: unter anderem in einem Zentrum, das sich in der viel �rmeren Nachbarstadt von Maputo, Matola, mit ihren eine Million Einwohnern befindet. Es wendet sich ausschlie�lich an schwangere Frauen, die HIV-positiv sind. In den vergangenen anderthalb Jahren kamen in der kleinen Entbindungsstation 388 Babys zur Welt, nur acht waren mit dem Vierus infiziert. Um eine �bertragung zu ver-, meiden, bekommen die Schwangeren von der 25. Woche an die antiretrovirale Drei-fach-Therapie, dem Neugeborenen wird inerhalb von 72 Stunden nach der Geburt. eine Einzeidosis des Medikaments Nevirapin verabreicht. Damit wird fast europ�ischer Standard erreicht.

"Wir haben ein Modell f�r ganz Afrika. entwickelt", ist sich Mario Marazziti sicher. "Doch ohne die Unterst�tzung der afrikanischeu Politiker geht es nicht." Die allerdings geht nicht immer sehr weit: W�hrend eine Delegation des Deutschen Bundestags und sogar auch schon der Generalsekret�r der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Zentren von Sant'Egidio in Mo�ambique besucht haben, haben sich die beiden m�glichen Pr�sidenten, Guebuza und Dlakhama, noch immer nicht blicken lassen.

Peter-Phillip Schmitt