Aachen 2003

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Sonntag, 7. September 2003 - Eurogress
Er�ffnungsveranstaltung

  
  

Andrea Riccardi
Gemeinschaft Sant�Egidio
  

Seligkeiten,

ehrw�rdige und hochw�rdige Vertreter der christlichen Kirchen und der gro�en Weltreligionen,

Herren Botschafter,

liebe Freunde,

viele Religionsoberh�upter haben sich in Aachen versammelt und dr�cken damit etwas Tiefes aus: Sie zeigen den Willen, sich zu begegnen, sich kennen zu lernen, sich verst�ndlich zu machen, also einen Dialog zu f�hren. Sie bezeugen, dass der Dialog aktuell ist. Sie bringen die �berzeugung zum Ausdruck, dass die Religionen nicht allein leben wollen.

Religionen zwischen Gewalt und Frieden

Seit einiger Zeit sagen wir: In der heutigen Welt k�nnen auch die exklusivsten Gemeinschaften nicht allein und isoliert leben. Die anderen erreichen alle in k�rzester Zeit. F�r die Religionen stellt das Zusammenleben eine der gro�en Herausforderungen unserer Zeit dar: die einen leben neben den anderen. Doch dieser Zustanden von den einen neben den anderen verwandelt sich manchmal in einen Zustand der einen gegen die anderen.

Das Zusammenleben f�hrt dazu, dass man �ber die eigenen Identit�t in neuer Weise nachdenkt. Besonders wenn das Zusammenleben eine neuere Erfahrung ist. Manchmal werden jedoch konfliktvolle Verhaltensweisen hervorgerufen. Manchmal tut man sich schwer, die Sicherheit des eigenen Glaubens mit einem friedlichen Zusammenleben mit Menschen anderen Glaubens in Einklang zu bringen. In manchen F�llen tritt eine fundamentalistische Arroganz auf, fast eine kindische Reaktion gegen�ber den anderen, die zu unterschiedlich aber gleichzeitig zu nah sind. Der Stolz der Einsamkeit wird vom Stolz des Fundamentalismus eingeholt. Im Fundamentalismus gleitet man in Verachtung und Gewalt ab: sie sind Fr�chte einer gro�en spirituellen Leere einer Welt, die von Emile Poulat als Welt, die Gott hinter sich gelassen hat, bezeichnet wurde.

Eine Welt, die heute voller Risse und Konflikte ist, rei�t in ihrer Dynamik des Hasses auch die Religionen mit. Wir bekr�ftigen: Die Religionen k�nnen als Benzin benutzt werden, das auf das Feuer des Krieges gegossen wird, damit der Brand st�rker und grausamer auflodert; sie k�nnen aber auch � und das ist ihre Berufung � Wasser sein, das den Brand ganz und gar l�scht.

Denn im 20. Jahrhundert sind wir nicht nur Zeugen f�r viele Konflikte (die zum Teil religi�se Hintergr�nde hatten) geworden, sondern auch daf�r, dass aus der Tiefe der Religionen eine Friedensbotschaft hervorgegangen ist. Die unertr�gliche Hitze der Kriege hat dazu gef�hrt, dass aus dem Scho� der Religionen eine Friedensbotschaft hervorgegangen ist. Jede Tradition betont das in der eigenen spirituellen Sprache. Doch es gibt eine �bereinstimmung. 1986 in Assisi ist diese Friedensbotschaft sehr deutlich geworden, und damals herrschte noch der kalte Krieg. In Assisi, als die Vertreter der verschiedenen Religionen zum ersten Mal zusammenkamen.

Der Weg von Assisi

Deshalb wollte die Gemeinschaft Sant�Egidio den Weg von Assisi Jahr f�r Jahr fortsetzen, wie eine ideelle Pilgerreise von einer Stadt zur anderen. Assisi enthielt eine Friedensbotschaft, die die Religionen dazu aufrief, ihre Solidarit�t mit dem Krieg aufzugeben, wie Jean-Dominique Durand geschrieben hat. Wie man in den Appellen lesen kann, haben wir immer wieder die �berzeugung ausgesprochen, dass es �keinen heiligen Krieg gibt, und dass nur der Frieden heilig ist�. Und wir sind wirklich davon �berzeugt, dass die Worte immer noch g�ltig sind, die wir in Warschau zum f�nfzigsten Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges verk�ndet haben, dass sie nach einer f�nfzehnj�hrigen Erfahrung sogar noch wahrer sind: �Jeder Krieg ist ein Verlust f�r die ganze Menschheit�.

Auf diesem Weg von Assisi ist ein spirituelles Klima von Dialog und Freundschaft unter Mitgliedern verschiedener Religionen gewachsen: Johannes Paul II. hat gesagt: �Das Klima durchbricht die fatale Kette der Trennungen, die Erbe der Vergangenheit sind oder durch moderne Ideologien erzeugt wurden; es ist der Beginn einer Zeit, in der man der Stimme der Weisheit Geh�r schaffen muss�. Mit R�hrung denke ich an ermutigende Worte, die Johannes Paul II. viele Male an uns gerichtet hat, mit denen er der Gemeinschaft Sant�Egidio �f�r den Mut und die Ausdauer gedankt hat, mit denen sie den Geist von Assisi aufgenommen hat�. An diesem alten Papst, der gerade 25 Jahre seines Dienstes feiert, denken wir und sind ihm dankbar.

Ich m�chte auch nicht vergessen, an viele Pers�nlichkeiten zu erinnern, die uns in diesen Jahren auf diesem langen Weg von Assisi unterst�tzt haben. Und viele von ihnen sind heute hier.

Verschiedene Religionen und eine universale Verbundenheit

Aus den Quellen der Religionen ist bei jeder Rast wie bei einem Fluss diese Friedenskraft hervorgequollen. Frieden bedeutet auch, eine Spiritualit�t des Zusammenlebens, die Wurzeln in den verschiedenen Religionen hat. Es gibt unterschiedliche Motive. Doch keine Religion leugnet oder ignoriert sie. In unserer zerrissenen Welt muss diese Spiritualit�t des Zusammenlebens wachsen, sie muss in den schwierigen Ecken unserer Gesellschaften weiterentwickelt werden, in den gro�en anonymen Peripherien, wo Feindseligkeit Wurzeln schl�gt, und auch in den Beziehungen der ethnischen und religi�sen Gruppen.

Die Religionen sprechen eben deshalb von Einheit, weil sie unterschiedlich sind. R�gis Debray, ein Nichtgl�ubiger, der sich f�r religi�se Fragen interessierte, hat geschrieben: Die Religionen haben die Berufung, �aus einem zerrissenen Menschen, ein Wesen zu machen, das mit sich selbst, mit den anderen und mit dem Kosmos in Einklang steht. Der immer willkommene Sinn ist ein Ergebnis der Verbindung, nicht umgekehrt. Eine Verbindung aufbauen l�sst die sch�ndlichen Kr�fte der Zersetzung scheitern, die man einmal teuflische Kr�fte genannt hat�. Ja, wir treffen immer mehr M�nner und Frauen, die gebrochen sind, die sich in der Anonymit�t der gro�en Welt verlieren und die an einer tiefen Einsamkeit erkrankt sind. Doch die Religionen sprechen von einer Verbindung, die den Menschen mit der Welt, mit den anderen und mit Gott vereint.

Diese Verbindung sp�ren wir in dieser Versammlung hier in Aachen: im Zusammensein mit ehrw�rdigen Pers�nlichkeiten der gro�en Religionen, denen ich allen f�r ihre Anwesenheit danken m�chte. Durch sie dringt das Wehen des Lebens vieler gl�ubiger M�nner und Frauen zu uns. Diesen ehrw�rdigen Religionsoberh�uptern schlie�en sich bedeutende Vertreter der humanistischen Gedankenwelt an, Botschafter verschiedener L�nder, Vertreter aus Kultur und Presse. Diese Versammlung bringt die Verbindung von religi�sen M�nnern und Frauen zum Ausdruck, aber auch unter Menschen: sie spricht von Einheit.

Wie Bundespr�sident Rau geschrieben hat: �Der Dialog ist f�r unsere Welt so wichtig, wie die Luft zum Atmen, und er bedeutet nicht, dass man auf die eigene Identit�t verzichtet�. Das Universale ist kein abstraktes Geb�ude aus dem Labor, sondern man findet es, indem man in die Tiefe gr�bt: Es befindet sich am Grund des eigenen Brunnens � wenn man die F�higkeit hat, Menschen mit Tiefgang zu sein, die wirklich graben � dort wird ein universaler Horizont aufgezeigt und dort findet man den Frieden. Faule M�nner und Frauen bleiben an der Oberfl�che und vergessen die tiefgr�ndigen Sch�tze des Friedens und der Universalit�t, die Bestandteile der eigenen religi�sen Tradition sind. Wer dem�tig im Geist ist, findet in der Tiefe des eigenen Brunnens die Universalit�t. Ein gro�er und geistlicher Russe, der heilige Serafin von Sarov, sagte: �Wenn du den inneren Frieden aufgenommen hast, werden Tausende um dich herum das Heil finden�.

Frieden: ein globales Wort

Die Verbindung unter den Religionen spricht vom Frieden. In diesen Tagen werden wir viele Male das Wort Frieden h�ren. Wir sind bedr�ckt, weil die Konflikte zu viel zugrunde richten k�nnen und weil die Anwendung von Gewalt allgemein akzeptiert wird. Wir sprechen �ber Frieden in Hinsicht der Architektur des menschlichen Lebens, die sein Herz und sein Handeln betrifft. Das Wort �Frieden� klingt wie das Ende des Schreckens des Krieges; aber es spricht auch von Entwicklung der V�lker; es spricht auch von Spiritualit�t, von Herzen, von Befreiung vom Hass, von Liebe.

�Frieden� ist ein Schl�sselwort in der Sprache der Religionen, er kommt aus der Tiefe des menschlichen Herzens, er durchquert das Leben der Gemeinschaften, er hat mit dem Alltagsleben der L�nder und der V�lker zu tun. �Frieden� ist ein heiliges Wort, ein sehr verbreitetes und allgemeines Bestreben. Frieden wird in verschiedenen heiligen B�chern der Religionen unterschiedlich geschrieben. Frieden ist ein altes Wort, wie viele religi�se Traditionen, aber es ist auch voller Aktualit�t. Frieden ist das erste, was durch die S�nde der Gl�ubigen oder ihrer spirituellen Nachl�ssigkeit verletzt wird. Der Frieden stellt auch die Frage nach denen, die in Unsicherheit leben, die vom Krieg bedroht werden, die durch Gewalt und Terrorismus Leid erfahren. Frieden ist ein globales Wort, es umfasst also das spirituelle und politische Leben, die Beziehungen unter den Menschen und L�ndern, und Frieden spricht auch von Gebet und Spiritualit�t und verschm�ht auch die konkrete Geschichte der V�lker nicht.

Frieden ist der Ruf, den wir in vielen Teilen der Welt geh�rt haben. In der Elfenbeink�ste in diesem und im vergangenen Jahr (und es ist eine ansehnliche Delegation aus der Elfenbeink�ste anwesend: Sant�Egidio hat die Geschehnisse in diesem Land sehr beteiligt verfolgt. In Liberia, wo man am Rande der Katastrophe stand. In Kolumbien, einem lateinamerikanischen Land, das durch ein hartes Schicksal von Gewalt von zu vielen Jahren gezeichnet ist. Zwischen Israelis und Pal�stinensern in jenem Land, das vielen von uns am Herzen liegt, aufgrund des religi�sen Ged�chtnisses und aufgrund der Liebe, die wir f�r die beiden V�lker empfinden, die es bewohnen.

Frieden und Dialog

F�r uns dr�ckt diese Versammlung von Vertretern und Gelehrten der Religionen den Reichtum des Friedens aus, der in den Religionen versteckt ist und vor allem den Beitrag, den die Religionen f�r den Frieden leisten k�nnen. In jedem Jahr � im vergangenen Jahr waren wir in Palermo in Sizilien, im Herzen des Mittelmeerraumes � schlagen wir sie wieder an verschiedenen Orten der Welt vor und sind verf�gbar, Pilger des Friedens zu werden. Die Gemeinschaft Sant�Egidio, vor 35 Jahren im Jahre 1968 entstanden, in verschiedenen europ�ischen L�ndern, in Afrika und anderen Kontinenten verbreitet, die eine starke Bindung an die Welt der Armen lebt, konnte Zeuge der engen Verbindung zwischen dem Frieden und der Religion werden: wie die Religionen den Hass und die Feindschaft ausl�schen k�nnen, Konflikte l�sen, aber auch wie sie von den Konflikten selbst besiegt werden k�nnen, gefangen davon bleiben, bis dahin, dass sie die Konflikte segnen und f�r heilig erkl�ren.

Es ist der �Geist von Assisi�. Es ist jener �Geist von Assisi�, der in vielen verschiedenen religi�sen Gemeinschaften weht, weit entfernt von jeglichem Synkretismus. Ausgehend von Assisi haben wir uns jedes Jahr getroffen, es waren unterschiedliche weltpolitische Situationen: in der Welt des Kalten Krieges, im schmerzhaften Umfeld von Jerusalem, in der Welt, die nach dem schrecklichen Attentat vom 11. Septembers 2001 (und seitdem sind jetzt gerade 2 Jahre vergangen) unter Schock stand.

Es ist der Dialog, der den Schatz des Friedens aus den Religionen hervorgehen l�sst. Wir haben die Fr�chte dieser Kunst des Dialoges gekostet, die so schwierig ist, aber gleichzeitigkonstruktiv, denn sie bringt den Frieden der Herzen zum Ausdruck und stellt eine Verbindung zwischen den Menschen her. Der Dialog ist die Kunst, trotz Verschiedenheit verbunden zu sein; es ist die Kunst jene friedenschaffende Kraft hervorzubringen, die den Religionen innewohnt.

Aachen spricht von Europa

Heute sind wir in Aachen zusammen, in dieser Stadt, die an das alte Europa erinnert, an die Christenheit im Mittelalter, die heute weit zur�ckliegt, aber zugleich zum Ausdruck bringt, dass beim Aufbau der Einheit die V�lker eine geistige Grundlage brauchen. Diese Frage ist wichtig, liebe Freunde, hier stellt sich das Problem eines Europas, das zu einer starken Union wird. Die europ�ische Einigung hat insbesondere Frieden bedeutet: Frieden zwischen V�lkern, die sich bek�mpft haben, und auch Aachen war Zeuge dieser schwierigen Beziehungen zwischen Europ�ern. Aber heute, in einer fortgeschrittenen Phase des Aufbaus von Europa, fragen wir uns, welches Europa man bauen will; denn dazu ben�tigt man starke Gef�hle, tiefe Wurzeln und gemeinsame Leidenschaften, um aus den Europ�ern �berzeugte B�rger zu machen. K�rzlich, im Mai 2003, hat sich eine Versammlung der griechisch-orthodoxen Kirche die Frage gestellt, ob man von den gro�en europ�ischen Werten sprechen kann, ohne auf ihre spirituellen Wurzeln zur�ckzugreifen. Es ist ein Thema das uns in diesen Tagen besch�ftigt, angesichts eines Textes des europ�ischen Abkommens, der vielleicht zu sehr die spirituellen und christlichen Wurzeln vergessen hat und der keinerlei Hinweise auf das europ�ische Drama der Shoa enth�lt. In diesen Tagen werden viele Religionsvertreter hier in Aachen �ber das Thema von Europa sprechen.

In diesen Tagen wird Aachen zum Platz der Moschee, der Synagoge, der Kirche, des Tempels. An diesem Punkt m�chte ich gern dem Bischof von Aachen, Mons. Mussinghoff, f�r die tatkr�ftige und feinf�hlige Aufnahme dieses Treffens zu danken (und mit ihm der ganzen Di�zese), das heute gleichzeitig europ�isch und weltumfassend wird. Und zusammen mit Mons. Mussinghoff sei es mir gestattet, den Freunden der Gemeinschaft Sant�Egidio zu danken, aus Deutschland und anderen L�ndern, die ehrenamtlich f�r die Verwirklichung dieser Begegnung gearbeitet haben. Weiterhin m�chte ich den zivilen Beh�rden des Landes Nordrheinwestfalen und der Stadt Aachen danken. Ich m�chte auch mit Dankbarkeit das Interesse unterstreichen, das diese Begegnung in der religi�sen Welt Deutschlandes geweckt hat, die hier so bedeutend vertreten ist.

Ein Hoffnungszeichen

Diese Versammlung ist ein Hoffnungszeichen. Tats�chlich besteht angesichts dieser unserer Welt die Versuchung der Religionen darin, sich in sich selbst zu verschlie�en, den Nachbarn zu �bersehen, sich von Misstrauen und Interesselosigkeit allgemeinen Problemen gegen�ber leiten zu lassen. Es ist eine Haltung, die die verbindliche Tragweite der Berufung zum Frieden seitens der Religionen vermindert. In der christlichen Welt wird von der Krise der �kumene gesprochen. Einige fragen sich ratlos, welches die Ergebnisse von jahrzehntelangem �kumenischen Dialog seien. Andere beobachten besorgt die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den gro�en religi�sen Gemeinschaften, sogar das Heranreifen von Haltungen der Aggressivit�t oder der Exklusivit�t. Der interreligi�se Dialog sei zu einer nutzlosen �bung ohne Ergebnisse geworden.

Aber vielleicht muss man hinzuf�gen, dass es in dieser unserer Zeit Anlass zu gr��ter gibt: Es fehlt das Vertrauen in die Kunst des Dialogs, die fast nur als �politisch korrekter Umgang� betrachtet wird. Dies gilt nicht nur f�r den Bereich der Religionen, sondern auch auf dem Feld der internationalen Beziehungen. Der Verfall des Dialogs verbindet sich mit der Krise der Tr�ume, der Leidenschaft f�r die Ver�nderung und Verbesserung der Welt. Es gibt zu viel Pessimismus um uns herum. Pessimismus ist eine schlechte Schule f�r die Jugendlichen. Pessimismus ist ein schlechter Ratgeber bei den Entscheidungen. Der Pessimismus wird zu einer Denkweise, die als Realismus eingeschmuggelt wird. Pessimismus angesichts der Unvermeidbarkeit des Krieges. Pessimismus angesichts eines zu gro�en Teiles der Welt, der vom Wohlstand ausgeschlossen und zur Armut verurteilt ist. Es ist der Pessimismus angesichts von Konflikten, die ganz festgefahren sind und die den Mut erfordern, neue und ehrliche Wege zu gehen, wie im Fall des israelisch-pal�stinensischen Konfliktes.

Diesen Pessimismus atmen wir in Afrika ein � und es sei mir erlaubt, das noch einmal zu betonen. Die Gemeinschaft Sant�Egidio besteht in mehr als zwanzig afrikanischen L�ndern und sie nimmt diese Einstellung bei den Jugendlichen wahr. Diesen Pessimismus haben wir im Fall der AIDS-Krankheit mit Hoffnung und dem Beginn der Behandlung bek�mpft, w�hrend diese Epidemie die afrikanischen Jugendlichen umbringt und die Zukunft vieler L�nder der Welt vermint. Wir sind davon �berzeugt, dass Afrika f�r die internationale Politik ein Pr�fstein ist. Johannes Paul II. hat im vergangenen Jahr an unser Treffen in Palermo in seiner Botschaft geschrieben, dass Afrika �der Kontinent ist, der das Ungleichgewicht zwischen Norden und S�den des Planeten inkarniert�. Das Elend in vielen Gebieten dieses Kontinents ist ein Ackerfeld der Unmenschlichkeit f�r das Leben zu vieler, und es ist auch ein gef�hrliches kulturelles Umfeld f�r Extremismen aller Art. Das wiederholen wir auch in diesem Jahr 2003, w�hrend wir uns darauf vorbereiten, den zehnten Jahrestag des Genozids in Ruanda zu begehen, der 1994 stattfand: Im April 1994 wurden 800.000 Afrikaner abgeschlachtet, vor allen Dingen Zivilisten, und 44% von ihnen waren Frauen und Kinder.

Pessimismus verursacht bei zu vielen Resignation und Machtlosigkeit. Er tritt nach dem Schiffbruch vieler Utopien und Ideologien auf: Nach einem Optimismus, der die Welt in einfacher Weise ver�ndern wollte, der mit Blut befleckt war oder die Welt schlechter machte als sie vorher war. Machtlosigkeit: man empfindet sie sicherlich angesichts der eisernen Gesetze des Marktes. Denn man stellt fest, dass der Mensch wenig z�hlt, nichts z�hlt, angesichts einer sehr gro�en Welt, die ungastlich ist, die wenig Aufmerksamkeit kennt... Welchen Nutzen hat schon der Dialog? Man hat den Eindruck, dass es kaum m�glich ist sich zu �ndern, zu bessern. Das sind pessimistische Gef�hle und Gedanken, die in den Herzen verbreitet sind.

Ich habe einen Traum

Vor genau vierzig Jahren hat Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington vor dem Lincoln Denkmal und w�hrend eines gro�en Marsches von Afroamerikanern seine Rede �ber den Traum gehalten, die im kollektiven Ged�chtnis verhaftet geblieben ist; er sagte: �Ich sehe vor mir einen Traum, dass auf den roten H�geln von Georgia die Kinder der fr�heren Sklaven und die Kinder derer, die die Sklaven besessen haben, in der Lage sein werden, am Tisch der Br�derlichkeit zusammen zu sitzen... Ich sehe vor mir einen Traum�. Und am Ende der Rede sagte er: �Mit diesem Glauben werden wir dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung entrei�en.... Wir werden die schreienden Zwistigkeiten unserer Nation in eine wundersch�ne Symphonie der Br�derlichkeit verwandeln k�nnen. Mit diesem Glauben werden wir zusammen arbeiten k�nnen�. So weit Martin Luther King.

F�nf Jahre sp�ter wurde der amerikanische Pastor ermordet: am 4. April 1968. Seine Geschichte ist die Geschichte von der Kraft eines Traumes, der mit dem Preis des Lebens bezahlt wurde. Es ist eine wichtige Geschichte f�r die Vereinigten Staaten, f�r den Westen und f�r die ganze Welt. Es ist die Geschichte eines Traumes, der auf dem Acker des religi�sen Glaubens gekeimt und gewachsen ist, der sich auch mit anderen spirituellen Erfahrungen auseinandergesetzt hat, wie der Erfahrung von Gandhi. Es ist die Geschichte des Martyriums aus Treue. Ja, liebe Freunde, das 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass die Gl�ubigen in all ihrer Schw�che eine Kraft besitzen: Es war erf�llt vom Martyrium von vielen, wie man in Europa, im Osten und vor allen Dingen in Russland gesehen hat.

Angesichts von so viel Pessimismus in der Welt von heute stellt sich die Frage nach der Hoffnung. Viele wollen die Hoffnung sehen. Das ist der Traum in der Bibel: die Hoffnung sehen. Diese Hoffnung ist keine neue Politik; sie ist keine Ideologie, die sich oft als ein stummer und gefr��iger G�tze erwiesen hat. Die Religionen sind ein Ackerfeld, auf dem Hoffnungen wachsen: Sie sind ein Ackerfeld, auf dem die Hoffnungen Wurzeln schlagen. Man muss den Mut aufbringen, unsere heutige Welt mit Hoffnung zu erf�llen. Man muss den Mut aufbringen, zum Tr�umen zu bringen: dass die Menschen vom Frieden tr�umen, und das ist der sch�nste und realistischste Traum der Menschheit.

Schlussfolgerung

Auch wir haben einen Traum. Aus ihm ist das Treffen von Aachen hervorgegangen. Als Gl�ubige sind wir aufgerufen, �alle gewaltt�tigen Gef�hle und die Waffen des Hasses abzulegen�, so hei�t es in einem unserer Appelle. Angesichts der Verwirtschaftlichung der Welt � wie Serge Latouche einmal gesagt hat � bringen die Gl�ubigen einen Windsto� von Spiritualit�t und Menschlichkeit, der die Herzen aufr�ttelt, die vom reinen Konsum vulg�r geworden sind, Herzen, die vor dem Pessimismus resigniert haben. Wir brauchen einen starken Wind � einen Wind von Spiritualit�t und nicht von Verwirtschaftlichung, einen Wind des Friedens und nicht der Gewalt, der die Tiefen der Gedanken und Gef�hle aufr�ttelt. Ein Wind, der die Resignierten beunruhigt und in ihnen neue Gef�hle des Friedens hervorruft, damit sie Gedanken der Solidarit�t haben in einer Welt, in der man den Eindruck hat, dass 20% der Menschheit nicht auf die �brigen 80% angewiesen sind.

Durch die Kunst des Dialogs und ein Zeugnis des Friedens k�nnen die Religionen mit der Kraft von jahrhundertealten Erfahrungen bei vielen den Traum des Friedens st�tzen. M�ge in uns das Bewusstsein wachsen, dass die wahren Diener Gottes auch dem Frieden dienen. M�gen die Diener Gottes mit einer neuen Ausdauer ausger�stet sein, um Freunde des Friedens zu werden. �Der Mensch ist nicht f�r den Krieg geschaffen, und der Krieg ist ein �bel auf der Erde der Menschen� � das haben wir schon 1988 erkl�rt. Die Religionen m�ssen bezeugen, dass die M�nner und Frauen f�r den Frieden geschaffen sind und dass der Frieden ihr Schicksal ist.

 

 

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