Gezwungen, innezuhalten
Die Erfahrung der Inhaftierung, auch wenn sie in vielerlei Hinsicht destruktiv ist, zeigt sich für einige Menschen als eine Gelegenheit, die zum Nachdenken zwingt. Nicht selten leben Männer und Frauen, die zum Innehalten gezwungen sind, Momente der intensiven existentiellen, manchmal auch spirituellen Suche. Häufiger als in einem anderen Kontext stellen sich Reflexionen und Fragen über das Leben ein, die menschlichen Beziehungen, die Gesellschaft und anderes. Die Realität der Institution Gefängnis hat Mühe, diese Problematik, die doch so häufig ist, wahrzunehmen, und auf diese Weise wird der eigentliche Zweck der Strafe, die Rehabilitation, nicht verwirklicht.
Außerdem bringt das Gefängnis mit sich, daß man jeden Tag mit der Armut seiner Mitgefangenen konfrontiert wird. Es gibt Zellengefährten, die nichts haben. So kann es kommen, daß man auf den Rücksicht nehmen muß, der das Paket mit Kleidern oder mit Essen nicht bekommen hat und das teilen muß, was man hat. Freundschaft und Solidarität werden zu täglichen Erfahrungen, die manchmal intensiver sind als man sie draußen gelebt hat. Diese starken Gefühle haben auf Menschen, deren Lebensweg von sozialem Wohlstand geprägt war und durch den Aufenthalt im Gefängnis unterbrochen wurde, eine starke Anziehungskraft ausgeübt und tun dies noch immer. Bekannt sind die Geschichten von Menschen, die sich nach einem Gefängnisaufenthalt für die Verbesserung der Rechte innerhalb der Institution Gefängnis eingesetzt haben.
Liebe M.,
wir warten auf euer Gruppenfoto. Wenn du einige Briefmarken zur Hand hast, ist uns das nützlich, auch weil bei uns Gefangene sind, die überhaupt nichts haben, und die mich bitten, Gesuche zu verfassen und einige Briefe für sie zu schreiben; sie haben kein Schreibzeug und kein Porto. Wenn wir die Pakete mit Kleidung bekommen, werden wir manche Kleidungsstücke den anderen Gefangenen geben, die überhaupt keine Unterstützung einer Familie haben. Wir denken mit Freundschaft und Sympathie an dich und danken dir.
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