Eine gute Nachricht für die Italiener. Wer das Gefängnis früher verlässt, begeht weniger Verbrechen. Die schlechte Nachricht lautet, dass man länger im Gefängnis bleibt, bis zum Ende der Strafe und unter immer unwürdigeren Bedingungen. Wenn man dann frei kommt, begeht man mehr Verbrechen und kehrt ins Gefängnis zurück. Es ist ein verzweifelter und abzulehnender Teufelskreis.
In Italien liegt die Rückfallquote bei 68,45%. Bei einem Strafnachlass liegt die Quote bei 33,92%, also bei der Hälfte. Ende 2008 waren es 29,14% (Universität Turin). Wenn man die Zahlen genauer betrachtet, ist dieser Trend noch deutlicher: Bei einem Strafnachlass und gleichzeitig anderen Maßnahmen (Therapien, Hausarrest oder anderes) lag die Rückfallquote bei 22%, also dreimal niedriger als bei normalen Gefangenen, die die ganze Strafe abgesessen haben. Ein Paradox? Nein nur die Realität. Das muss geändert werden, unabhängig von juristischen Streitereien.
Das Ergebnis ist für alle eindeutig: Die Zahl der Gefangenen liegt seit dem Krieg auf einem Höchststand von 70.000. Das ist eine Überbelegung von 100% in vielen italienischen Gefängnissen. Die Gelder werden bis zu einem Drittel gekürzt durch Sparmaßnahmen und die Überbelegung. In einigen Abteilungen gibt es dreifache Stapelbetten, es kommt zu Selbstverstümmelungen und zur Todesstrafe durch Suizid, da auch angemessene Krankenbetreuung fehlt. Um einem Strafurteil von Straßburg zu entgehen, werden in vielen Haftanstalten mit Überbelegung die Türen der Zellen offen gelassen und die Korridore mit einberechnet bei der Pro-Kopf-Belegung, sonst würde die Mindestgrenze unterschritten, und es käme zu Sanktionen.
Die Arbeitsbedingungen des Personals sind auch alarmierend, weil nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen. Da ist keine Lösung in Sicht.
Wenn zwei von drei Gefangenen im Gefängnis sind und die steigende Kriminalisierung die Zahl der vom Gefängnis Gefährdeten erhöht, dann ist es keine Überraschung, dass in nur drei oder vier Jahren und zusätzlich durch die Wirtschaftskrise die Zahl der Gefangenen stark gestiegen ist, wie es in der Geschichte Italiens noch nicht vorgekommen ist. Das entspricht auch nicht der Kriminalitätsrate, denn mit wenigen Ausnahmen nimmt seit ca. zwei Jahrzehnten die Zahl fast aller Vergehen ab.
Diese Lage ist schädlich für das Land, das Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und nicht vermindert und zu häufig die Menschenwürde der Gefangenen und auch derer, die mit ihnen zu tun haben, verletzt. Das ist unangemessen für ein Land wie Italien mit einer großen Kultur und auch einer hohen Rechtskultur.
Ausgehend von der Krise des Systems müssen einfache und mutige Entscheidungen getroffen werden: Amnestie für geringfügige Vergehen und vorzeitige Entlassung vor Strafende. Alternative Maßnahmen für die Kranken und älteren Gefangenen, die kaum Zugang zum nationalen Gesundheitssystem haben, weil die Mittel und das Personal fehlen. Geringere Strafen und alternative Maßnahmen, die bei Vergehen hilfreich sind, die die Allgemeinheit nicht gefährden und keine Inhaftierung erfordern. Das wäre bei leichten Vergehen der Fall, bei denen das Gefängnis nur eine Gewöhnung an schlechtes Verhalten fördert.
Die Gemeinschaft Sant'Egidio ist bereit, einen Katalog für dringende Maßnahmen und sofortige und umfassende Veränderungen mit dem Justizminister und den Verantwortlichen der Justizkommission aus Abgeordnetenhaus und Senat zu erarbeiten.
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