Der Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio Impagliazzo: Er wird der Papst der Geschwisterlichkeit. Die Kirche hat spirituelle Stärke bewiesen
Die Gemeinschaft Sant'Egidio "freut sich über die Wahl eines Papstes, der die spirituelle Stärke der Kirche zeigt. In einem schwierigen Augenblick hat sie in Kardinal Bergoglio eine herausragende Persönlichkeit gewählt". Der Präsident der Gemeinschaft, Marco Impagliazzo, spricht mit ANSA über Papst "Franziskus, der die Kirche mit Demut und spiritueller Stärke führen wird und bei diesem Wirken die Begleitung des Volkes Gottes suchen wird, um die er auch heute Abend auf dem Petersplatz gebeten hat".
Impagliazzo fügte hinzu: "Die Kirche war fähig, banales Gerede über Alter beiseite zu lassen, denn es geht nicht um das Alter, sondern um die Heiligkeit einer Person".
"Es wird der Papst der Geschwisterlichkeit aller Menschen, aufmerksam für das Bedürfnis der Letzten, der Armen", betont Impagliazzo und erwähnt, dass Kardinal Bergoglio die Gemeinschaft Sant'Egidio gut kennt und an vielen ihrer Initiativen teilgenommen hat, an interreligiösen Dialogtreffen oder am Gebet, das jeden Abend in Santa Maria in Trastevere stattfindet.
Der neue Papst hat in Buenos Aires auch am traditionellen Weihnachtsmahl für die Armen teilgenommen, das Sant'Egidio jedes Jahr in Rom in Santa Maria in Trastevere und in Kirchen der Hauptstädte zahlreicher Länder der Welt organisiert, wo die Gemeinschaft Sant'Egidio anwesend ist". (ANSA)
Andrea Riccardi: «Die Kirche geht wieder vom Evangelium aus und findet Mut"
ROM - «Ich habe ihn allein in einer Kirche in Rom vor dem Konklave 2005 beten gesehen, bei dem Benedikt XVI. gewählt wurde. Ich habe ihn wieder allein beten gesehen in derselben Kirche nach dem Konklave, in dem er viele Stimmen bekommen hatte. Ich denke an sein Lachen und an die Worte, die er zu mir sagte: "Es ist nicht die Zeit für eine nichteuropäischen Papst".
Andrea Riccardi, der Minister für internationelle Zusammenarbeit und Integration, wichtige Figur der Gemeinschaft Sant'Egidio, sagt, dass die Kardinäle "einen heiligen Papst wählen wollten". Es ging nicht zuerst um Lehrfragen, so fährt er fort, man achtete auch nicht auf politische Bedürfnisse: "Die Kirche geht wieder vom Evangelium aus und findet Mut". Am vergangenen Samstag war Kardinal Bergoglio in Santa Maria in Trastevere, in der die Gemeinschaft Sant'Egidio Zuhause ist. Riccardo sagt ohne Übertreibung, dass er ihn "ziemlich gut kennt".
Ist also jetzt die Zeit für einen nichteuropäischen Papst gekommen
"Die Kirche hat in diesem historischen Moment, in ihrer bedrängten, schwierigen Lage einen Bischof aus einem fernen Rand der Welt gerufen".
Können Sie etwas über seine besondere Fähigkeit sagen?
"Eine große spirituelle Freiheit. Eine tiefe Spiritualität".
Er gehörte nicht zur ersten Reihe der "Papabile" dieser Tage?
"Ich habe eine Überraschung erwartet, ich hatte dieses starke Gefühl. Und eine Überraschung ist gekommen, die ich mit der von 1978 vergleiche, als Karol Wojtyla, Johannes Paul II. gewählt wurde".
Man konnte Bergoglio in seiner Diözese Buenos Aires im Bus oder in der Metro begegnen.
"Dafür ist er bekannt. Man konnte ihm in den 'Villas' von Buenos Aires begegnen, wo Tausende in Baracken leben mit Mauern aus Karton und Matratzen".
Es wurde geschrieben, dass er ein Freund der Armen ist.
"Ja, Bergoglio glaubt an die Kirche der Barmherzigkeit ohne pauperistische Schauspielerei. Es ist ein überzeugter Hirte, doch mitfühlend mit den Leuten".
Was soll man sich vorstellen, wohin er die Kirche führt?
"Ich glaube, er wird sich als ein Mann zeigen, der regiert. Er hat die Fähigkeit, die Kurie zu reformieren. Doch er wird kein einsamer Papst sein: er glaubt nicht an leadership und hat großes Vertrauen in die Kollegialität".
Was hat Sie bei seinem ersten Auftritt als Papst beeindruckt?
"Die Bitte an das Volk, für ihn zu beten. Diese Verbeugung vor den jubelnden Menschen. Damit wird die Figur des Papstes als Bischof von Rom hervorgehoben".
Der Kardinalvikar Vallini stand neben ihm.
"Er wollte ihn bei sich haben, er hat ihn erwähnt. Alles ungewöhnliche Und unvorhergesehene Gesten".
Was bedeutet die Wahl des Namens Franziskus?
"Dieser Name weist auf den Primat des Geistes hin. Der Name Franziskus bedeutet eine Verbundenheit zur Ekklesiologue, zur Kirchengeschichte. Er möchte ein Gespür für die Kirche des Evangeliums zum Ausdruck bringen".
Warum hat der neue Papst das Vaterunser und das Ave Maria gebetet?
"Er wollte familiär und pastoral sein bei seinem ersten Auftritt vor der Menge auf dem Petersplatz. Ich glaube, er hat die Vision einer johannäischen Kirche, auf der Ebene von Johannes XXIII. Bergoglio ist ein Mann des Konzils. Einfachheit und Stärke".
Wird er ein ökumenischer Papst?
"Ich bin sicher, er wird ein ökumenischer Papst sein. Ich weiß es durch Gespräche, die ich mit ihm hatte. Ganz anders als man von Lateinamerikanern meint, auf die katholische Kirche konzentriert. Er hat zum Beispiel ein besonderes Gespür für das Judentum, das durch die bedeutende jüdische Gemeinde von Buenos Aires gereift ist".
Ist die Mitgliedschaft in der Gesellschaft Jesu wichtig?
"Weniger als die Tatsache, dass der neue Papst vor allem ein freier Geist ist".
Wird er die Kirche mit Franziskus verändern?
"Ich glaube, dass dieser Papst beachtliche Überraschungen bringen wird".
Andrea Garibaldi
"Ein barmherziger Mann, der regieren kann und in der Lage ist, sich bei der Leitung der Kurie helfen zu lassen"
Riccardi: "Ich habe ihn kennengelernt, er will die Rückkehr zum Evangelium"
ROM - "Ich habe ihn kennengelernt. Er ist ein überzeugter und guter Mann. Er wird ein Papst der Barmherzigkeit, ein regierender Papst". Andrea Riccardi, amtierender Minister für internationale Zusammenarbeit und Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, ist der erste (und sehr wahrscheinlich der einzige) Vertreter der italienischen Regierung, der Franziskus kennt. Er zeigt sich begeistert über die Wahl der Kardinäle: "Er ist eine bedeutende Persönlichkeit".
Minister, sind Stil und Sprache des neuen Papstes bei der Vorstellung vor dem Volk schon ein Indiz für seine Amtsführung? "Sie haben es auch gesehen. Er hat sich mit einem ‚guten Abend' vorgestellt, ganz einfach und direkt. Ein direkter Bezug zu den Leuten. Er hat vor allem die pastorale Dimension seines Bischofsamts von Rom hervorgehoben".
Wie ist diese Betonung zu interpretieren? "Der Primat der Pastoral ist der Primat der Barmherzigkeit, eine für diesen Papst charakteristische menschliche Betrachtungsweise".
Die Wahl des Namens ist bedeutsam in einem heiklen Moment für die Kirche: Franziskus: "Ja, sie bringt den Wunsch der Rückkehr zum Evangelium zum Ausdruck, zum armen Christus, zu einer Kirche, die den Glauben und die Liebe lebt. Franziskus I. wird ein einfacher Mann nahe bei den Menschen sein".
Wo haben Sie ihn kennengelernt? "Ich bin ihm in Buenos Aires und dann in Rom begegnet. Ich kennt sein Interesse für die Armut. Buenos Aires ist eine Stadt mit großen Widersprüchen, Reichtümern und großem Elend. Er hat dort auch unter der Militärdiktatur gelebt".
Haben sie einmal mit ihm darüber gesprochen? "Nicht ausdrücklich, aber er hat die Stange gehalten, er ist ein mutiger Mann, ein freier Geist, eine wunderbare Figur von Heiligkeit und Spiritualität, bescheiden und tief".
Sein erster Auftritt scheint ihn mit dem einfachen Abschied von Ratzinger zu verbinden, der allen eine "gute Nacht" wünschte. Franziskus I. scheint von dort aufzubrechen, von dieser direkten Ansprache... "Das ist sein Stil, ein normaler Mensch ohne Führungsanspruch, ohne persönlichen Ehrgeiz, allergisch gegen Ichbezogenheit, ein Mann Gottes".
Wie wird Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit dieses Papstes mit dem Establishment des Vatikans aussehen, das auch als ein teilweise zu irdisches Machtsystem beschrieben wird? "Es wird eine entschiedene Zusammenarbeit sein mit Rücksicht auf die Personen. Die Charakteristik des Menschen wird dazu führen, dass er sich isoliert. Jorge Mario Bergoglio hat nach meinem Wissen und nach meiner Kenntnis immer an Zusammenarbeit und Kollegialität geglaubt. Er ist ein guter und auch sehr überzeugter Mann".
Wie wird er sich angesichts der komplexen Welt verhalten? Der Dialog mit den Religionen ist eine wesentliche Aufgabe aller Pontifikate. "Im Allgemeinen sind die Südamerikaner nicht sehr geübt im Umgang mit diesem neuralgischen Thema, doch Franziskus I. nicht. Buenos Aires ist eine Großstadt, in der mehrere Religionen zusammenleben, es gibt Christen anderer Konfessionen und eine große jüdische Gemeinde. Der neue Papst wird ein ökumenischer Papst sein. Dafür habe ich schon Beweise".
Sie sagen, dass die Charakteristik des Mannes darin besteht, Überzeugungskraft mit Solidarität und gutmütiger Haltung zu verbinden. Er muss der gute Steuermann der Kirche in einem stürmischen Augenblick sein. "Ich glaube, dass er sein Regierungsprogramm auch von der Kurie geteilt wird und dass er sich helfen lässt".
Viele haben bemerk6t, dass er Ratzinger in den ersten Sätzen seiner Ansprache herzlich ehren wollte. "Er hat immer Worte großer Hochachtung für Ratzinger gehabt, ich bin sicher, dass er das bedeutende Lehramt von Benedikt XVI. umsetzen wird".
Eine Neugierde. Waren auch sie überzeugt, dass der neue Papst ein Italiener sein konnte? "Ich habe die Äußerungen der Presse in diesen Tagen gelesen, doch sie waren selbstbezogen. Die Kardinäle haben überlegt, wer am meisten geeignet ist für ein Pontifikat des Wiederaufbaus, wer das Alter und die Erfahrung besitzt, um die Kirche zu leiten. Franziskus wird ein großer, demütiger und starker Papst sein".