Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio vermittelt bei internationalen Konflikten und engagiert sich für Flüchtlinge. Am 7. Februar vor 50 Jahren wurde die Organisation von einer Gruppe Schüler in Rom gegründet.
Touristen lassen die kleine Barockkirche San Callisto auf dem Weg nach Santa Maria in Trastevere in Roms gleichnamigem Ausgehviertel meist links liegen. Deshalb bemerken sie nicht, dass sie in den Wintermonaten tagsüber geschlossen ist. Im Mittelschiff und in zwei winzigen Seitenkapellen haben freiwillige Helfer der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio Betten für Obdachlose aufgestellt.
Die Hilfe für Obdachlose gegen die winterliche Kälte ist nur eines von vielen Angeboten der Gemeinschaft, die am 7. Februar vor 50 Jahren von einer Gruppe Schüler in Rom gegründet wurde.
Fünf Menschen ohne nächtliche Bleibe sind diesen Winter in Rom bereits erfroren. Rund um Santa Maria in Trastevere, der Kirche mit ihren berühmten mittelalterlichen Mosaiken, hat Sant'Egidio in mehreren Gebäuden kleine Schlafsäle eingerichtet.
Sozialangebote
"Angefangen hat alles mit den Volksschulen in den Barackensiedlungen", erinnert sich Francesco Dante. Im Jahr 1968 waren Sozialangebote für Bedürftige in Rom noch knapper als heute. "Bildung ist die Voraussetzung, um der Armut zu entkommen", sagt der 70-jährige, dessen Frau Agata nachts Obdachlose am Hauptbahnhof Termini und an anderen Nachtlagern unter freiem Himmel besucht, um ihnen Lebensmittel zu bringen.
Von den Kindern in den Barackenvierteln weitete die heute nach eigenen Angaben 70.000 Mitglieder weltweit zählende Gemeinschaft ihre Arbeit auf die Roma-Lager an Roms Stadtrand aus. Denn für die Kinder dort gibt es weder einen Schulbus noch reguläre Verkehrsmittel.
Abends trafen sich die römischen Mitglieder der Gemeinschaft anfangs in der kleinen Kirche Sant'Egidio in Trastevere zur Andacht.
Mittlerweile musste das tägliche Abendgebet wegen des großen Andrangs in die monumentale Basilika Santa Maria in dem römischen Stadtteil verlegt werden. Einen herzlichen Umgang pflegen die Mitglieder nicht nur untereinander. Auch in der Suppenküche in einer Seitenstraße werden die Bedürftigen freundlich begrüßt und bekommen ihr Essen auch an langen Tischen serviert.
"Self Service gibt's bei uns nicht, diese Leute müssen immer alles selbst machen, wenigstens das Essen servieren wir ihnen", erklärt Dante. Für jede Mahlzeit zahlt die Stadt Rom 5,50 Euro, die Räumlichkeiten der Suppenküche erwarb die Gemeinschaft mit Hilfe von privaten Krediten ihrer Mitglieder.
Internationale Friedenstreffen
Ob Sprachkurse für Migranten und Flüchtlinge, Hilfe bei der Erledigung von in Italien besonders komplizierten Behördengängen oder Unterstützung von aidskranken Schwangeren in Afrika mit Medikamenten, die die Übertragung an deren Kinder verhindern: Mit einer bis hin zu Friedensverhandlungen in Afrika reichenden Palette an Aktivitäten gewann die Gemeinschaft nicht nur das Vertrauen von Päpsten sondern auch von Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie besuchte den Hauptsitz von Sant'Egidio in Rom und nahm im vergangenen September bereits zum zweiten Mal am internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft in Münster teil.
Sie habe "recht enge Beziehungen zu Sant'Egidio", erklärte die CDU-Politikerin vor dem Friedenstreffen der Gemeinschaft. "Der Ansatz, im Gespräch zu bleiben und sich immer wieder für Frieden einzusetzen und dann auch vor Ort zu helfen, der hat meine allergrößte Hochachtung."
Karlspreis für Gründer Riccardi
Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi wurde für den Einsatz seiner Gemeinschaft für Frieden und Versöhnung 2009 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet. Der aus dem gehobenen römischen Bürgertum stammende Professor für neuere Geschichte bekleidete in der Regierung von Ex-EU-Kommissar Mario Monti das eigens für ihn geschaffene Amt des Ministers für internationale Zusammenarbeit.
Kontakte zu Staats- und Regierungschefs pflegt die Gemeinschaft ebenso wie zu Obdachlosen und verarmten Rentnern in Rom und Aidskranken in Afrika. "Für mich ist Sant'Egidio eine große Familie, mein Bezugspunkt", sagt Mohamadou Siradio Thiam. Nach seiner Ankunft in Rom lernte der Senegalese vor 20 Jahren bei einem Sprachkurs der Gemeinschaft Italienisch. Wie viele andere, die einst Unterstützung annahmen, hilft der Familienvater heute bei den Angeboten für andere Bedürftige.