Bekannt wurde die Bewegung engagierter christlicher Laien durch ihr soziales Engagement. Längst macht die "Uno von Trastevere" internationale Friedenspolitik - auch mit der deutschen Regierung.
Ein Besuch in Trastevere steht nicht selten auf dem offiziellen Programm einer Romvisite deutscher Politiker. Doch längst nicht mehr allein wegen der Restaurants im pittoresken römischen Stadtteil unweit des Vatikan. Ziel ist vor allem die Gemeinschaft Sant'Egidio; benannt nach einem ehemaligen Kloster, wo sie ihren Hauptsitz hat.
Die Deutsche Botschafterin am Heiligen Stuhl, Annette Schavan, pflegt beste Kontakte und zuletzt schauten die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Torsten Albig (SPD) vorbei. Vor allem aber hegt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Sympathien für die ökumenische Gemeinschaft und kennt den Gründer Andrea Riccardi persönlich. Dabei mag sie die Verbindung von gelebtem christlichem Glauben und konkreter Politik faszinieren, die Sant'Egidio prägt.
Bekannt durch soziales Engagement
Trotz engen Terminkalenders nahm Merkel sich vor kurzem fast eine Stunde Zeit, um Riccardi und eine Delegation mit dem Leiter von Sant'Egidio, Marco Impagliazzo, sowie Generalsekretär Cesare Zucconi, im Kanzleramt zu empfangen. Themen: Der Frieden, die Zukunft Europas und die Entwicklung in Afrika. Wie Merkel gehört auch Riccardi zum erlauchten Kreis der "Karlspreisträger". Riccardi lud die CDU-Chefin abschließenden zum Internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft in Münster und Osnabrück vom 10. bis 12. September ein. 2011 sprach Merkel bereits auf einer solchen Veranstaltung in München.
Bekannt wurde Sant'Egidio zunächst durch soziales Engagement. Die "Freundschaft zu den Armen" gehört ebenso zur Grundlage wie das Gebet. In einem Leben aus dem Evangelium widmen sich inzwischen weltweit 60.000 Mitglieder in 70 Ländern der karitativen Arbeit, von der Sorge um Obdachlose, Alte und Einsame über Armenküchen und Flüchtlingshilfe bis zu Kinderbetreuung. In Deutschland sind es 5.000, ihr Zentrum befindet sich in Würzburg.
Weltgebetstreffen
Dabei bilden religiöses Leben, soziales und politisches Engagement eine Einheit. Am Sinnfälligsten wird dies bei den Friedenstreffen im Gefolge des Weltgebetstreffens in Assisi 1986. Längst ist die 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung zu einer politischen Größe von internationalem Rang geworden. Für Schlagzeilen sorgte 1992 die Vermittlung des Friedensvertrags in Mosambik, nach 16 Jahren Bürgerkrieg. Als Moderatoren oder Beobachter waren Vertreter der Gemeinschaft an Friedensverhandlungen in Guatemala, im Kosovo, in der Elfenbeinküste, im Südsudan oder Algerien beteiligt.
Das diplomatische Engagement des zivilgesellschaftlichen Akteurs findet nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit statt, sondern hinter den Kulissen. Es ist das mühsame, manchmal jahrelange Ringen um vertrauensbildende Maßnahmen an Krisenherden, bei denen staatliche Diplomatie an ihre Grenzen stößt.
Vorbildfunktion
Früher schaute die vatikanische Diplomatie bisweilen argwöhnisch nach Trastevere und fürchtete eine parallele Außenpolitik. Für Franziskus gehört die Gemeinschaft hingegen zu den Vorbildern eines kirchlich getragenen Engagements katholischer Laien in Politik und Gesellschaft. Mehrere Flüchtlinge, die er im Vatikan aufnahm, kamen über den "humanitären Korridor", den Sant'Egidio gemeinsam mit der katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen in Italien initiierte und dem sich auch Frankreich anschloss. Rund 800 besonders Schutzbedürftige syrische Flüchtlinge konnten auf diese Weise sicher nach Italien gelangen.
Auch das Außenamt in Berlin schätzt den Einsatz. Dabei geht es um die Themenfelder humanitäre Hilfe, Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge. Sant'Egidio ist in Burkina Faso bei der Registrierung der Bevölkerung tätig, vermittelt in Libyen zwischen rivalisierenden Stämmen und versucht durch interreligiösen Dialog dem Islamismus und der Ausbreitung von Sekten in Afrika zu wehren. Grund genug für Außenamts-Staatssekretär Walter Lindner nun mit Zucconi, dem Generalsekretär der Gemeinschaft, in einer Vereinbarung "die lange und intensive Zusammenarbeit zwischen der deutschen Regierung und der Gemeinschaft Sant'Egidio auf internationalem Niveau" zu bekräftigen.