Es wird eine illustre Runde. Am Montag spricht Außenminister Sigmar Gabriel im Auswärtigen Amt in Berlin vor geistlichen Würdenträgern und Gelehrten aus aller Welt - vor Islamgelehrten aus Iran und Afghanistan, vor jüdischen Repräsentanten aus Jerusalem, katholischen Erzbischöfen, orthodoxen Geistlichen und evangelischen Pastoren, Anglikanern und Kopten, Bahai und Sufi und Drusen, Schiiten und Sunniten und auch: vielen Männern, wenigen Frauen.
"Die Teilnehmenden verfügen über Einfluss und Autorität in ihrer Gemeinschaft und engagieren sich in der Arbeit für den Frieden in und zwischen den Gesellschaften", heißt es in der Ankündigung des Auswärtigen Amtes. Damit ist das Thema der Konferenz benannt, das den gut 100 Gästen gleichzeitig auch Auftrag sein soll: Die "Friedensverantwortung der Religionen".
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Mit dieser Konferenz geht die deutsche Diplomatie bemerkenswert über den Rahmen staatlicher Akteure auf dem internationalen Parkett hinaus. Außenpolitik mit nicht-staatlichen Akteuren als ergänzendes Mittel der klassischen Diplomatie. Im Auswärtigen Amt wird dazu ein eigenständiger Arbeitsbereich etabliert.
Der 11. September 2001
Die Vorgeschichte der Konferenz reicht zurück bis zu den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington. Diese veränderten die Diplomatie weltweit. Der damalige Außenminister Joschka Fischer setzte 2002 erstmals einen "Beauftragten für den Dialog mit der Islamischen Welt" im Range eines Botschafters ein. Nach dem Regierungswechsel 2005 wurde daraus ein "Sonderbeauftragter für den Dialog zwischen den Kulturen" im Außenamt (AA).
Das US-Außenministerium etablierte vor gut zehn Jahren eine Abteilung zum Themenfeld Religion. Auch einzelne Ministerien europäischer Länder gingen diesen Weg.
Millionen Menschen sind weltweit wegen Religionskonflikten auf der Flucht
Erstmals strukturierter Austausch
Nun also auch Berlin. Die jetzige Konferenz und der neue Arbeitsbereich im Haus seien "keine Erweiterung, sondern ein Neuansatz", heißt es im AA. Es gehe um Partnerschaften und Projekte im zivilgesellschaftlichen, quasi vor-politischen Bereich. Es geht erstmals auch um einen strukturierten Austausch mit religiösen Akteuren.
Die Heidelberger Sozialwissenschaftlerin Ines-Jacqueline Werkner, zu deren Themenschwerpunkten internationale Politik und Friedensforschung zählen, verweist in diesem Zusammenhang auch auf den "Vertrag von Lissabon". In diesem Grundlagenvertrag von 2007 verpflichtete sich die EU eher nebenbei zu einem offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den Kirchen - auch das zeigte die Wertschätzung nichtstaatlicher Akteure. Die Politikwissenschaft rate seit langem dazu, solches Potenzial zu nutzen.
"Die einzigen relevanten Player"
"In der Öffentlichkeit", sagt Werkner der Deutschen Welle, "wird das Thema bislang sehr einseitig wahrgenommen" - angesichts von Religion als Konfliktursache. Aber die Friedensverantwortung von Religionen habe für Diplomaten auch eine sehr positive Bedeutung. Gerade in Konfliktgebieten seien religiöse Akteure "die einzigen relevanten zivilgesellschaftlichen Player" - mit Kenntnis der Problemlagen, Einbindung und Anerkennung in der lokalen Bevölkerung.
Einigendes Gelb - Kirchen und Moscheen in Nairobi wurden als Zeichen des Friedens gelb gestrichen
Bei der an diesem Sonntagabend beginnenden Konferenz des Auswärtigen Amtes findet sich dafür ein Muster-Beispiel. Zu den Gästen zählt auch Mauro Garofalo, der bei der katholischen Gemeinschaft Sant‘ Egidio die internationalen Beziehungen verantwortet. 1992 gelang kirchlichen Laien-Akteuren, woran internationale Diplomatie gescheitert war: Nach 16 Jahren Bürgerkrieg mit fast einer Million Toten vermittelten sie in Mosambik einen Friedensvertrag zwischen den Bürgerkriegsparteien.
Das gilt bis heute als Meilenstein, wenn es um zivilgesellschaftliches Engagement auf diplomatischem Parkett geht. Der Friedensforscher Markus Weingardt legte 2014 in seinem Buch "Was Frieden schafft" zehn weitere Beispiele mit Akteuren verschiedener Religionen vor, unter anderem in Sierra Leone, dem Kongo oder Kambodscha.
Theater und Diplomatie
Ganz passend also, dass ins Auswärtige Amt auch kommunale Religionsvertreter geladen sind. Aus dem einst multireligiösen Sarajevo beispielsweise, das sich immer noch etwas von dieser Tradition bewahren will, reisen der Großmufti von Bosnien-Herzegowina und der Präsident der jüdischen Gemeinschaft des Landes an. Aus Guinea der Erzbischof von Conakry und der dortige Großimam. Und aus Kamerun werden eine Vertreterin der katholischen Kommission "Justitia et Pax" und ein führender Islam-Vertreter erwartet. Das Auswärtige Amt schaut eben auch, wo es solche Initiativen vor Ort stärker unterstützen kann.
Pastor Wuye und Imam Ashafa in Akltion - an ihrem interreligiösen Zenturm in Kaduna, Nigeria
Auch auf kulturellem Gebiet will das Berliner Außenministerium vermitteln. 2016 starteten das Amt und das Berliner Gorki-Theater die "Berliner Korrespondenzen", eine Debatten-Reihe über die neue Welt-Ordnung und -Unordnung. Zum Auftakt sprach Frank-Walter Steinmeier, damals noch Außenminister, und stellte die Frage nach den "Kräften, die die großen tektonischen Verschiebungen unserer Ordnungsmodelle und -vorstellungen bewirken."
Steinmeier warb für die "schwierige Arbeit an einer gemeinsamen Ordnung", die die großen Narrative und Erzählmuster einbinden solle. Eine bemerkenswerte Rede. Das war übrigens am 22. Mai 2016. Ein Jahr später setzt Sigmar Gabriel das, was Steinmeier im Theater als Versuchs-Labor erörterte, auf das große diplomatische Parkett um.