„Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen“ (Lk 22,15), sagt Jesus seinen Jüngern zu Beginn des Letzten Abendmahles. Für Jesus ist das wirklich ein inständiger Wunsch. Auch an diesem Abend will er mit seinen Jüngern zusammen sein, mit den Jüngern von gestern und von heute, auch mit uns. Es ist sein letzter Lebenstag, sein letzter Abend, das letzte Mal, dass er mit seinen Jüngern zusammen ist. Er hatte sie erwählt, für sie gesorgt, sie geliebt und sie verteidigt. An diesem Abend sehnt sich der Herr sehr danach, mit uns zusammen zu sein. Und wir? Sehnen wir uns danach, ihm nahe zu sein – zumindest ein wenig? Sind wir in der Lage, ihm die wenige Begleitung und Zuneigung anzubieten, zu der unser Herz noch fähig ist? Wenn wir der Wahrheit ins Auge schauen, müssen wir sagen, dass es immer er war, der alles getan hat, um uns nahe zu sein und uns an das Evangelium zu binden. An diesem Abend, dem letzten Abend seines Lebens, fährt Jesus fort, sich mit einem äußersten Maß an Liebe endgültig an die Jünger zu binden.
Wir haben im Evangelium gehört, dass Jesus sich mit den Zwölf zu Tisch begab, das Brot nahm, es austeilte und sagte: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Ebenso nahm er den Kelch mit Wein: „Dies ist mein Blut, das für euch vergossen wird.“ Es sind die gleichen Worte, die wir bald am Altar wiederholen werden, und es ist der gleiche Herr, der jeden von uns einlädt, sich vom verwandelten Brot und Wein zu nähren. Jesus hat in gewisser Weise das Unmögliche erfunden, um bei uns zu bleiben und den Jüngern aller Zeiten nahe zu sein. Kann nicht wahre Liebe Unmögliches möglich machen? Jesus ist den Jüngern nicht nur nahe, sondern er ist sogar in ihnen: Er wird zur Speise für uns, Fleisch von unserem Fleisch. Dieses Brot und dieser Wein sind die Nahrung, die vom Himmel zu uns herabgestiegen ist – zu uns Männern und Frauen, die wir Pilger sind auf den Straßen dieser Welt. Dieses Brot und dieser Wein sind Medizin und Hilfe für unser armes Leben: Sie heilen die Krankheiten, sie befreien uns von unseren Sünden, sie nehmen uns Angst und Traurigkeit. Und nicht nur das. Sie machen uns Jesus ähnlicher, sie helfen uns, so zu leben, wie er lebte und das zu erhoffen, was er erhoffte. Dieses Brot und dieser Wein lassen in uns Gefühle der Güte, des Dienens, der Zuneigung, der Zärtlichkeit, der Liebe und der Vergebung aufkommen – die Gefühle Jesu.
Das Evangelium der Fußwaschung, das uns die heutige Liturgie verkündet, zeigt, was es für Jesus bedeutet, das Brot zu sein, das gebrochen, und der Wein, der für uns und für alle vergossen wird. Am Ende des Mahls stand Jesus vom Tisch auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel, wandte sich einem der Zwölf zu, kniete vor ihm nieder und begann, ihm die Füße zu waschen. So tat er es bei jedem Jünger, auch bei Judas, der ihn verraten sollte. Jesus wusste dies genau, aber er kniete trotzdem nieder und wusch ihm die Füße. Petrus war vielleicht als Letzter an der Reihe. Er reagierte sofort, sobald Jesus sich ihm näherte: „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“ Der arme Petrus hatte immer noch nichts verstanden! Er hatte nicht verstanden, dass Jesus sich nicht für die Art von Würde interessiert, die sich die Welt wünscht und die sie verbissen sucht. Jesus erklärt es ihm noch einmal: „Welcher von beiden ist größer: Wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,27). Jesus liebt seine Jünger und jeden von uns mit einer grenzenlosen Liebe, und das ist ganz wörtlich zu verstehen: wirklich ohne Grenzen. Seine Würde besteht für ihn nicht darin, aufrecht vor den Seinen dazustehen. Seine Würde liegt darin, die Jünger bis ans Ende zu lieben und sich zu ihren Füßen hinzuknien. Es ist seine letzte große Lektion als Lebender. Am Ende der Fußwaschung sagt er: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,12–15).
Die Welt erzieht die Menschen dazu, aufrecht dazustehen und fordert jeden zu dieser Haltung auf. Wenn der Raum dazu fehlt, rechtfertigt sie es, wenn wir diejenigen beiseitestoßen, die uns dabei hinderlich sind oder im Wege stehen. Das Evangelium des Gründonnerstags leitet die Jünger an, sich hinzuknien und einander die Füße zu waschen. Dies ist ein neues Gebot. Wir finden es nicht unter den Gewohnheiten der Menschen. Es entsteht nicht aus unseren Traditionen, die diesem Gebot ganz und gar nicht entsprechen. Ein solches Gebot kommt von Gott. Es ist ein großes Geschenk, das wir heute Abend erhalten. Jesus hat es als Erster umgesetzt. Selig sind wir, wenn wir es verstehen! In der heiligen Liturgie des heutigen Abends ist die Fußwaschung nur ein Zeichen, ein Hinweis auf den Weg, den es zu gehen gilt: Waschen wir einander die Füße, angefangen bei den Schwächsten, den Kranken, den alten Menschen, den Ärmsten, den Schutzlosesten. Der Gründonnerstag lehrt uns, wie wir leben sollen und wo der Ausgangspunkt für unser Leben ist. Das wahre Leben ist nicht das, bei dem man aufrecht steht, verschlossen im eigenen Stolz. Ein Leben nach dem Evangelium bedeutet, sich den Brüdern und Schwestern zuzuneigen, angefangen bei den Schwächsten. Es ist ein Weg, der vom Himmel kommt, und dennoch ist es der menschlichste Weg, den wir uns wünschen können. Wir alle brauchen Freundschaft, Zuneigung, Verständnis, Aufnahme und Hilfe. Wir alle brauchen jemanden, der sich uns zuneigt, so wie wir es auch nötig haben, uns den Brüdern und Schwestern zuzuneigen. Der Gründonnerstag ist wirklich ein menschlicher Tag: der Tag der Liebe Jesu, der sich hinabbeugt bis zu den Füßen seiner Freunde. Und alle sind seine Freunde, auch der, der ihn verraten wird. Für Jesus ist niemand ein Feind. Die Füße zu waschen ist keine Geste, sondern eine Art zu leben.
Als das Mahl beendet ist, begibt sich Jesus zum Ölberg. Von diesem Moment an kniet er sich nicht nur zu den Füßen seiner Jünger nieder, sondern er steigt noch tiefer herab, um seine Liebe zu zeigen. Am Ölberg kniet er erneut nieder, ja er wirft sich zu Boden und schwitzt Blut aus Schmerz und Angst. Lassen wir uns zumindest ein wenig auf diesen Menschen ein, der uns mit einer Liebe liebt, wie sie noch nie auf Erden zu sehen war. Sagen wir ihm unsere Zuneigung und unsere Freundschaft zu, während wir vor dem Grab stehen bleiben. Wie bitter sind diese Worte, die er zu den Dreien sagt, die mit ihm am Ölberg waren: „Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?“ (Mt 26,40). Heute braucht der Herr mehr als wir Begleitung und Zuneigung. Hören wir seine Bitte: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26,38). Beugen wir uns über ihn und versagen wir ihm nicht den Trost unserer Nähe. Herr, in dieser Stunde werden wir dir nicht den Kuss des Judas geben. Wie arme Sünder knien wir zu deinen Füßen nieder und fahren fort, sie liebevoll zu küssen, wie es Maria von Magdala getan hat.
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