Ich heiße Jean (Name geändert), bin 1991 in Ruanda geboren und Hutu. Im Juli 1994 bin ich mit meinem Vater in den Kongo geflüchtet. Ich war erst drei Jahre alt und konnte nicht weit laufen. Daher hat mir mein Vater ein Fahrrad besorgt, auf das er einen Karton befestigte, um mich auf den langen Märschen zu transportieren. Auch im Kongo brach der Krieg aus. Wir flohen von einem Ort zum anderen. Schließlich landeten wir im Busch, wo ich meinen Vater verloren habe. Ich erinnere mich an die Angst und Traurigkeit dieser Tage.
Ich floh von einer Stadt in die andere, von einem Busch zum anderen, während die Kämpfe wüteten, bis ich mit einem Flüchtlingsflug wieder nach Ruanda gebracht wurde. In der Stadt, in die ich ging, lebte ich auf der Straße und schnüffelte Klebstoff und Canabis, damit ich nicht so fror. Mit einer Gruppe Straßenkindern bettelte ich und arbeitete als Träger, um etwas zu verdienen. Ich schlief unter dem Vordach eines Restaurants.
Auf der Straße habe ich die Jugendlichen der Gemeinschaft kennengelernt, die uns Essen brachten. Ich kann mich gut an Jean-Baptiste erinnern. Ich verstand sofort, dass er Tutsi ist. Anfangs hatte ich Angst vor dem Kontakt mit ihm. Ich wusste, dass die Tutsis uns Hutus nicht mögen, weil das mit dem Genozid passiert ist. Auch ich gab den Tutsis die Schuld dafür, was mit uns geschehen ist: Flucht, Tod meines Vaters, ständige Vertreibungen… Doch Jean-Baptiste schien es nichts auszumachen, welche Ethnie man hat. Er fragte nur, wie ich heiße.
Mich beeindruckte sofort die Tatsache, dass er mich von da an immer mit Namen ansprach und mit mir wie mit einem guten Freund sprach. Als er mir vorschlug, eine Schule zu besuchen, war ich sofort einverstanden. Ich wollte der Beste in der Klasse sein. Ich war Jean-Baptiste dankbar, dass er mir diese Chance gab. Ich lernte viel, machte immer die Hausaufgaben unter der Straßenbeleuchtung, weil ich keine Wohnung hatte.
Mit anderen Straßenkindern wurde ich bei einer Polizeirazzia festgenommen. Durch die Freunde der Gemeinschaft wurde ich freigelassen, sie haben für mich Garantien abgegeben und in eine Wohngemeinschaft gebracht, die für uns eingerichtet worden ist.
Das Lernen in einem Zuhause ist viel einfacher, meine schulischen Leistungen wurden sofort besser. Ich kann sagen, dass ich in diesem Zuhause neu geboren wurde. Seitdem gehöre ich zur Gemeinschaft Sant'Egidio, ich helfe den alten Menschen im Stadtviertel und den Kindern, die wie ich schutzlos auf der Straße gelandet sind. Ich möchte ihnen all die Liebe schenken, die auch ich empfangen habe, und dafür kämpfen, dass kein Kind mehr unter dieser großen Ungerechtigkeit leiden muss.
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