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Unterstützung der Gemeinschaft

  
9 Oktober 2017 | ROM, ITALIEN

Der deutsche Bundespräsident Steinmeier zu Besuch bei der Gemeinschaft Sant'Egidio: „Die Welt zu einem Ort des Friedens machen“

 
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„Ihr Wirken ist eine Inspiration und eine Ermutigung für alle, die dem Ziel verpflichtet sind, diese Welt zu einem friedlicheren Ort zu machen.“ Das waren die Worte von Frank Walter Steinmeier beim heutigen Besuch in Sant'Egidio nach der Audienz im Vatikan bei Papst Franziskus. 

Der deutsche Bundespräsident sprach zur Gemeinschaft nach einem Gespräch mit Andrea Riccardi und dem Präsidenten Marco Impagliazzo über Fragen des Friedens, des Prozesses der europäischen Einigung, der Migranten und der Armut in Europa und Afrika. 

In seinem Grußwort erinnerte Impagliazzo an die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Sant'Egidio, „eine Gemeinschaft von gläubigen und engagierten Männern und Frauen, die vor allem eine Familie für diejenigen sein möchte, die keine Familie haben“. Steinmeier betonte die Bedeutung von menschlicher Nähe, um auch komplexe politische Probleme zu lösen.  

Wie schon beim Besuch von Bundeskanzlerin Merkel wurde der Empfang für die Gäste von der Gaststätte „Die Freunde“ organisiert. Es handelt sich um ein von der Gemeinschaft Sant'Egidio geführtes Restaurant, in dem Menschen mit Behinderung arbeiten, die Steinmeier am Ende grüßen wollte, um sich zu bedanken.

Dieser Besuch erfolgte wenige Wochen nach dem von Sant'Egidio organisierten Internationalen Friedenstreffen in Münster und Osnabrück statt – wo auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen hat. Dadurch wurde die mittlerweile bewährte Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Gemeinschaft Sant'Egidio in verschiedenen Bereichen vertieft, der sich auf den Einsatz für Frieden und interreligiösen Dialog bis zu Projekten der Entwicklungshilfe in Afrika in den Bereichen Gesundheit, Registrierung beim Einwohnermeldeamt und Armutsbekämpfung erstreckt. 

 

TEXTE

 

Rede von Präsident Frank Walter Steinmeier bei Sant'Egidio

Es war mir ein besonderes Anliegen, meinen Besuch beim Heiligen Stuhl mit einem Besuch hier im Kloster Sant’Egidio zu verbinden. In meinen vielen Jahren in der Außenpolitik waren wir eng miteinander verbunden und umso mehr bin ich dankbar für die Gelegenheit, mich mit Ihnen auszutauschen und dabei die wichtige und beispielhafte Friedensarbeit der Gemeinschaft Sant’Egidio zu würdigen..

Vor wenigen Wochen war in der deutschen Presse anlässlich des internationalen Friedenstreffens, das die Gemeinschaft in diesem Jahr in Münster und Osnabrück veranstaltet hat, von den ""Vereinten Nationen von Trastevere"" zu lesen. Das ist ein sehr weltlicher, aber gleichwohl treffender Vergleich: Die Ziele der Charta der Vereinten Nationen – Frieden und internationale Sicherheit, Prävention von Konflikten und Beilegung internationaler Streitigkeiten, Entwicklung freundschaftlicher, gleichberechtigter Beziehungen zwischen den Völkern und Nationen, und internationale Zusammenarbeit, um wirtschaftliche, soziale, kulturelle und humanitäre Probleme zu lösen –, das sind die Ziele, denen auch Ihre Gemeinschaft sich verschrieben hat.

Mit unverrückbarem Optimismus und tatkräftigem Engagement verfolgen Sie seit Jahrzehnten Ihre Friedensarbeit – in aller Regel weitab der öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit – und wohl gerade deshalb so erfolgreich. Aber erfolgreich wären Sie nicht ohne Ihre Beharrlichkeit, die nötig ist, wenn man Entfremdung und Feindschaft überwinden will. Das Bild hinter mir erinnert uns an den Friedensvertrag, dessen Unterzeichnung hier in diesem Saal, dem Friedenssaal, am 4. Oktober 1992 das Ende des Bürgerkriegs in Mosambik eingeleitet hat. Diese erfolgreiche Mediation verdeutlicht, wie wichtig Organisationen wie die Ihre – wie wichtig kirchliche Organisationen im Allgemeinen – für die internationalen Beziehungen sein können. Selbstverständlich ist das nicht. Und längst nicht jeder hat es begriffen. Aber gerade da, wo es nicht der Politik, aber Ihnen gelingt, von der Bevölkerung als unparteiisch und glaubwürdig wahrgenommen zu werden, da öffnen Sie Räume und Möglichkeiten für Versöhnung, die zum Besten gehören, was internationale Diplomatie ausmacht. Gerade in Zeiten, in denen Religion als Begründung für Auseinandersetzungen, Feindseligkeit und Gewalttaten herangezogen und missbraucht wird, sind die Religionsgemeinschaften besonders gefordert, ihrer Friedensverantwortung gerecht zu werden. Die Gemeinschaft von Sant’Egidio tut dies seit Jahrzehnten auf ihre leise, aber sehr wirkungsvolle und beispielhafte Weise.

Zu dieser Friedensarbeit gehört der Dialog mit und unter den Kirchen weltweit ebenso wie der vertrauensvolle Austausch zu Fragen, die uns alle betreffen und unser künftiges Leben prägen werden. Ich denke da nicht nur an Klimaveränderung und Umweltzerstörung, sondern auch an von Unterentwicklung und Armut ausgelöste Migrationswellen. Ein in diesen Zeiten zentrales Thema in den politischen Debatten Europas. Eine Debatte, die schon jetzt dazu beigetragen hat, Europa nicht zum Besseren zu verändern. Das macht mir große Sorge. Religiös getragene Organisationen können dazu beitragen, ein gesamtgesellschaftliches Gespräch zu ermöglichen in Fragen, die polarisieren und das Potenzial haben, Gesellschaften zu spalten.

Besonders dankbar bin ich für Ihr von ganz praktischer Vernunft und Solidarität getragenes Engagement in der Flüchtlingspolitik. Mit der Schaffung der humanitären Korridore haben Sie einen Weg aufgezeigt, der vielen der Schwächsten in der Welt Schutz und Aufnahme in Europa gewährt, ohne dass sie sich in die Hände von skrupellosen Menschenhändlern begeben müssen. Auch Deutschland hat über humanitäre Aufnahmeprogramme in den vergangenen Jahren fast 50.000 Menschen eine legale Einreise nach Deutschland ermöglicht. Was Ihre humanitären Korridore besonders auszeichnet, ist die intensive Betreuung der Flüchtlinge nach der Aufnahme. Durch Ihr Patenschaftsprogramm wird sichergestellt, dass die Integration begleitet wird und so gelingen kann. Das ist ein Modell, von dem wir in Deutschland lernen können.

Diplomatie steht oft im Ruf, sich in sehr abstrakten Sphären zu bewegen. Sie sind das beste Gegenbeispiel. Ein Grund für den Erfolg der Friedensarbeit von Sant’Egidio ist zweifellos die Nähe zu den Menschen. Von Anfang an, als Sie sich mit den ""Schulen des Friedens"" den Kindern aus sozial schwachen Vierteln widmeten, haben Sie dem nachgespürt, was die Menschen bedrückt und ängstigt. Sie verstehen wie nur wenige, woraus die Menschen neue Hoffnung schöpfen und was sie befähigt, Gräben des Misstrauens und alte Feindschaften zu überwinden. Die ganz persönliche, sehr menschliche Dimension eines jeden Verhandlungsprozesses steht im Mittelpunkt Ihrer Arbeit für den Frieden. Das hat uns beide auch bei der Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien wieder zusammengebracht.

Deshalb sage ich auch aus persönlicher Erfahrung: Dieses aus der Nähe zu den Menschen erwachsende friedensstiftende Potenzial von Sant’Egidio ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Ihr Wirken ist eine Inspiration und eine Ermutigung für alle, die dem Ziel verpflichtet sind, diese Welt zu einem friedlicheren Ort zu machen.

Ich danke Ihnen für Ihr großes und wichtiges Engagement, ich wünsche mir, dass wir auch in meiner neuen Rolle Kontakt behalten und natürlich danke ich auch, dass ich heute hier zu Gast sein darf.

 

Grußwort von Marco Impagliazzo an den Bundespräsidenten Steinmeier

Herr Bundespräsident, Frau Büdenbender,
liebe Frau Schavan und lieber Herr Steinlein,
Herzlich willkommen in diesem Haus der Armen, des Friedens und des Gebetes. Hier vermischt sich der, der hilft, mit dem, dem geholfen wird, und sie werden zu einer Umarmung.  Es ist ein Haus der Freundschaft, und wir freuen uns, Sie im Namen der Freundschaft zwischen Sant’Egidio und Deutschland hier begrüßen zu können, die in diesen Jahren sehr gewachsen ist. Unser Wunsch ist, dass sich unser Bündnis hohe Ziele setzt für Europa, für Afrika, und für die Welt.

Sant’Egidio ist ein Haus des Friedens. In diesem Friedenssaal, in dem wir Sie begrüßen, wurde für den Frieden in Mosambik gearbeitet, der genau vor 25 Jahren am 4. Oktober 1992 unterzeichnet wurde. Danach sind viele von weit entfernt gekommen, um Wege eines verlorenen Friedens zu suchen und diese Wege mit Geduld wieder zu gehen. Dadurch entstanden politische Abkommen, die heute von der internationalen Diplomatie anerkannt sind, wie Sie, durch Ihre Erfahrung als Außenminister, ja wissen.

Sant’Egidio ist auch ein Ort der Freiheit für den, der fremd ist. Wir wissen, wie viel Polemik heute die Ankunft von Geflüchteten und Migranten in Europa hervorruft. Hier haben wir – gegen den Zeitgeist von heute – versucht, konkret die Kultur des Zusammenlebens aufzubauen und zu erneuern. Denn das ist unser gemeinsames Schicksal. Hier haben wir die humanitären Korridore geplant und vorgeschlagen. Sie sind eine vernünftige und realistische Lösung für ein Problem unserer Welt.

Trotz der großen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in Europa haben viele Angst. Wie Sie, H.B., erklärt haben: “Es sind andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne Stacheldraht… die Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung oder Wut… Hinter diesen Mauern wird tiefes Misstrauen gegenüber der Demokratie und ihren Repräsentanten geschürt.”

Die Demokratie wird herausgefordert, während die Mehrheit unserer Bürger vor der Zukunft und vor der Geschichte Angst hat. Viele fangen an zu glauben, dass die Demokratie zu schwach ist, während neue autoritäre Modelle scheinbar Erfolg haben. Doch die europäischen Demokratien sind im Feuerofen des Krieges entstanden, durch unvorstellbare Opfer, die unsere Väter gebracht haben. Die Union muss die Demokratien heute entschiedener und ehrgeiziger vertreten. Auch der Aufbau Europas scheint nämlich heute weniger zu überzeugen, sondern mehr ein technokratisches Werk mit einigen Verdiensten zu sein, das jedoch nicht träumen lässt. Wie Prof. Andrea Riccardi bei der Verleihung des Karlspreises sagte, scheint Europa mehr etwas Nebulöses und Fernes zu sein, nicht mehr eine Ananké, eine Notwendigkeit für diese Zeit, wie es für die Gründerväter nach dem Abgrund des Weltkrieges war.

Herr Bundespräsident,
was kann eine Gemeinschaft von gläubigen Männern und Frauen in diesem Kontext tun? Die sich in über 70 (siebzig) Ländern der Welt einsetzen?
Sant’Egidio möchte in Zeiten, in denen sich scheinbar alles auflöst, auch die Gesellschaft, eine “Familie sein für die, die keine Familie haben”: die Armen, die Ausländer, die Verlassenen, die alten Menschen, die Kinder… Jeden Tag muss der soziale Zusammenhalt neu aufgebaut werden, dieses zerbrechliche und doch unerlässliche Umfeld für den Erhalt der Zivilgesellschaft, dort wohin die Politik nicht kommt.

Sant’Egidio ist auch ein Ort des Nachdenkens in stürmischen Zeiten, in denen es scheinbar nutzlos ist, stehenzubleiben: alles geht so schnell voran! Doch man muss über unsere Welt nachdenken und konkrete Auswege finden. Wir glauben – mit Papst Franziskus – dass man von den Letzten ausgehen muß. Sie sind das feine Gespür für unsere Gesellschaft. Das ist keine ideologische Entscheidung: wenn man bei den Letzten beginnt, dann versteht man die Realität besser. Bei den Letzten und in den Peripherien haben wir viel gelernt.

Herr Bundespräsident, vor allem haben wir viel durch das Hören auf das Wort Gottes gelernt. Jeden Abend wird – hier wie in vielen Städten Europas und der Welt – gemeinsam gebetet. Das Gebet ist die einzige Waffe der Armen, der Verzweifelten, auf die niemand hört. Mit ihnen schließen wir uns zusammen, Herr Bundespräsident, um nicht nur aus unseren Kräften und für uns zu leben, sondern um wachsam zu sein. Wir wollen keine resignierten Europäer sein und uns “aus der Geschichte verabschieden” – wie es Papst Benedikt besorgt gesagt hat. Wir glauben “an die historische Kraft des Gebetes, das die Völker und Nationen in Bewegung setzt”, wie Giorgio La Pira sagte, eine Kraft, die verändert und verwandelt.
Vielen Dank für Ihren Besuch!


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