Brief des evangelischen Pastors Paul Schneider an die Familie aus dem nationalsozialistischen Konzentrationslager Buchenwald, wo er am 18. Juli 1939 starb
Mitte der 1920er Jahre wurde Paul Schneider Pastor der evangelischen Kirche und war in zwei kleinen Ortschaften im Rheinland tätig. Im Rahmen seiner pastoralen Tätigkeit geriet er in Konflikt mit dem Führer der Ortsgruppe der NSDAP. Mit 33 Jahren heiratete Paul Schneider seine Frau Margarethe, mit der er schon vier Kinder hat, als er am 8. Oktober 1933 nach der ersten Anzeige schreibt: "Am letzten Sonntag habe ich über Römer 1,16 gepredigt. Denn ich schäme ich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt, zuerst den Juden, aber ebenso den Griechen. Ich glaube nicht, dass unsere evangelische Kirche der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Staat aus dem Weg gehen kann, dass sie diese auch nicht lange hinauszögern kann...".
Im Februar 1934 hatte er sich öffentlich von der Kanzel gegen Goebbels und die Deutschen Christen geäußert, einer dem Führer ergebenen Vereinigung evangelischer Christen. Daraufhin wird Paul Schneider in die Dörfer Dickenschied und Womrath in den Hunsrück versetzt mit insgesamt 500 Gläubigen. Seine evangelische Strenge führt dazu, dass er ausdrücklich gegen nationalsozialistische Führer und sogar gegen Hitler Vorwürfe erhebt. Dabei verteidigt er öffentlich die Juden und wendet sich in Predigten gegen die Abschaffung der Konfessionsschulen, die durch das Regime geschlossen wurden. Er verhängt die christliche Bußpraxis der reformierten Tradition gegen einen Parteiangehörigen, wodurch das Leben der kleinen Gemeinden aufgewühlt wird. Außerdem unterstützt er die bekennende Kirche, sodass er zunächst verhaftet wird, weil er Widerstand gegen einen nationalsozialistischen Ortsgruppenführer geleistet habe, als dieser bei einer Beerdigung eine heidnische Rede hielt. Nach dieser Verhaftung folgen weitere bis 1937. Seine Ehefrau Margarethe, die gerade das sechste Kind geboren hat, unterstützt ihn weiter in der Eintracht eines tiefen Glaubens.
Die Seiten seines Tagebuches sind von einer zärtlichen Liebe zu seinen Angehörigen durchdrungen. Am 31. Juni 1937 wird er von der Gestapo acht Wochen lang in das Gefängnis von Koblenz verlegt, wo ihm schließlich der Beschluss bekannt gegeben wird, dass er aus dem Rheinland ausgewiesen wird. Als er diesen Beschluss aus Gehorsam gegenüber dem Evangelium und aus Liebe zu den kleinen Gemeinden, die ihm anvertraut worden waren, nicht beachtet, wird er erneut verhaftet und nach Buchenwald deportiert. Aus der letzten Predigt fünfzig Tage vor Ostern: "Liebe Gemeinde, wir gehen heute wieder durch ein neues Tor, durch das Eingangstor der heiligen Passionszeit, da unser lieber Herr und Heiland auch uns zu sich nehmen möchte und zu uns sprechen: ‚Sehet, wir gehen hinaus nach Jerusalem!' ... Auch für die Jünger und die Gemeinde kann es nur durch Leiden zur Herrlichkeit, durch das Kreuz zur Krone gehen... Ein Blick nach Russland sollte uns belehren. Dort ist jede äußerlich organisierte Kirche zerschlagen, die Pfarrer sind verschwunden, die Kirchenhäuser zerstört bis auf wenige. Und doch lebt dort die Kirche Jesu Christi wohl mehr als je ... in denen, die sich hin und her in den Häusern sammeln, in den schlichten Laienpriestern, die das Wort verkündigen und willig die darauf gesetzten Strafen auf sich nehmen... Und täusche dich nicht: Auch du kannst an Jesu Herrlichkeit und Sieg nicht Anteil haben, als indem du das heilige Kreuz um Jesu willen auf dich nimmst und mit ihm den Leidens- und Sterbensweg gehst. Dazu bedarf es des Glaubens, der von der Kraft und dem Sieg des Kreuzes weiß. Solcher Glaube ist ja eine verborgene, stille Kraft, aber er ist darum nicht untätig und träge, sondern betätigt sich im herzandringenden Gebet".
Im Lager Buchenwald fand Schneider den Tod, nachdem er Misshandlungen erfuhr und besondere Folter ertragen musste, weil er sich weigerte das Hakenkreuz und Hitler zu grüßen. Seit April 1938 war er in Isolationsbunker des Lagers, wo er die letzten vierzehn Monate seines Lebens verbrachte. Trotzdem setze er auch im Bunker seine Predigttätigkeit fort, er erhob Anklage gegen Verbrechen und tröstete die Gefangenen. Ein Mitgefangener erinnert sich folgendermaßen: "In dem Bunker, in dem sich die Dunkelarrestzellen befanden, lernte ich den Pfarrer Schneider kennen, der neben mir in der Zelle lag. Jeden Morgen hielt er für uns Häftlinge eine Morgenandacht, wofür der stets Schläge und Misshandlungen ... einstecken musste ... Am Ostersonntag zum Beispiel hörten wir plötzlich die mächtigen Worte: ‚So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben!' Bis ins Innerste aufgewühlt durch den Mut und die Kraft dieses gewaltigen Willens, standen die langen Reihen der Gefangenen ... Mehr als einige Sätze konnte er nie sprechen. Dann klatschten schon die Prügel der Bunkerwächter auf ihn nieder".