Kiew (Ukraine): Urlaub mit den alten Menschen, um zu sagen, dass ein langes Leben für alle wertvoll ist
1. Juli 2011
Vom 15. bis 18. Juni waren einige alte Menschen aus zwei Heimen Kiews (Ukraine) im Urlaub mit den Freunden der Gemeinschaft in einem Bergort in der Nähe der Stadt. Es waren ereignisreiche und frohe Tage. Die alten Menschen konnten ganz einfache Dinge tun, die für sie alle nur noch eine ferne Erinnerung waren: Friseurbesuch, Museumsbesichtigung, Kaffee trinken in einem modernen Lokal oder ein Spaziergang im Wald.
Viele hatten seit Jahren das Heim nicht verlassen.
Die alten Menschen in der Ukraine befinden sich in einer sehr schwierigen Lage. Sie gehören zu den Schwächsten in der Bevölkerung und leider mehr als andere unter der Verarmung der vergangenen zwanzig Jahre zwischen dem Ende des Sozialismus und der neueren Wirtschaftskrise. Auch eine Rente nach einer guten Arbeitsstelle reicht nicht einmal bis zur Hälfte des Monats, auch weil es keine ehrenamtlichen Einrichtungen oder Zuwendungen im Alltagsleben gibt. Vor allem Medikamente sind schwer zu finden, fast nichts wird von der Versicherung abgedeckt. Aber auch Lebensmittel und sonstige Ausgaben können kaum bezahlt werden.
Viele alte Menschen müssen Zuhause noch Kinder oder Verwandte versorgen, die arbeitslos sind oder unter Alkoholismus leiden. Viele sind zum Betteln gezwungen oder suchen kleine Arbeiten, die man im Alter besser nicht übernehmen sollte, um das Leben zu meistern. Viele Menschen, an die die Gemeinschaft Essen auf der Straße verteilt, sind solche alte Menschen.
Solche bedürftigen alten Menschen sind immer in Gefahr, durch Betrügereien oder undurchsichtige Verträge ihre Wohnung zu verlieren. Viele alte Menschen sterben auch allein in der Wohnung, wenn sie das Haus nicht mehr verlassen und sich Hilfen besorgen können.
In diesem Zusammenhang ist das Leben im Heim paradoxerweise nicht einmal die schlimmste Alternative, denn dort wird zumindest ein Mindestmaß an Überleben garantiert. Doch durch die Wirtschaftskrise hat sich die Lage auch dort in den vergangenen Jahren verschlechtert, es gibt wenig und minderwertiges Essen, Medikamente sind knapp, die Gesundheitsversorgung und die Mindestversorgung im Alltag sind unzureichend.
Zusätzlich lastet die Isolation, der Verlust der Identität und damit auch der Hoffnung auf vielen alten Menschen im Heim, die noch durch eine allgemeine soziale Gleichgültigkeit und sogar durch ein aggressives Verhalten ihnen gegenüber erschwert wird.
Es gibt eine Entwicklung, die Sorgen bereitet: Immer häufiger dürfen alte Menschen in Kiew keinen Bus mehr benutzen, obwohl sie das Recht auf kostenlose Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Die Ausrede der Kompanien lautet, dass der Staat diese Kosten nicht mehr erstatten kann.
In diesem dramatischen Zusammenhang sind die Aufmerksamkeit und Betreuung der Gemeinschaft für viele arme alte Menschen ein Grund zur Hoffnung. Sie widersprechen auch der Idee, dass die alten Menschen in Zeiten geringerer Mittel eine Last für die Gesellschaft darstellen, und möchten Zeichen für eine Menschlichkeit sein, die die Reduzierung der Person und des Lebens auf Produktivität akzeptiert und das Alter als wertvoll für alle ansieht.