Frau Bundeskanzlerin,
herzlich willkommen im Haus der Gemeinschaft Sant'Egidio! Herzlich willkommen im Friedenssaal! Hier haben viele Völker Hoffnung und wahren Frieden gefunden. An erster Stelle Mosambik im Oktober 1992, dann verschiedene andere Länder: von Guatemala bis Burundi... Hier sind Afrika und verschiedene leidende Völker Zuhause! In diesem Saal begrüße ich Ihren Einsatz für den Frieden und den Einsatz Ihrer Regierung, vor allem in der Ukraine und zum Schutz der verfolgten Christen im Nahen Osten und an anderen Orten. Ich danke Ihnen auch, dass Ihre Regierung Sant'Egidio für Frieden und Entwicklung der Völker konkrete Unterstützung gewährt. Vielleicht sehnen sich die Menschen am meisten nach Frieden. Für uns Europäer ist der Friede ein Grundpfeiler unserer Integration. Wir haben zu sehr durch Krieg gelitten und Leid zugefügt. Deshalb wollen wir uns als Europäer, und lassen sie mich auch sagen als Christen, für den Aufbau des Friedens einsetzen. Denn der Krieg ist der Vater aller Armut, wie Andrea Riccardi sagt.
Ein italienischer Intellektueller mit jüdischer Herkunft hat geschrieben: "Jede diplomatische Vermittlung ist in wichtigen Momenten auch ein Werk kultureller und humaner Aufklärung. Dazu ist am Ende auch ein Akt des Glaubens notwendig. Das gilt für den, der dazu aufruft, wie auch für den, der ihn vollzieht." Der Friede ist ein Werk "kultureller und humaner Aufklärung". Um das zu tun, greift Sant'Egidio auch auf ein großes Netzwerk von interreligiösen Beziehungen zurück, das in den vergangenen dreißig Jahren des Dialoges der Religionen aufgebaut wurde. Ich denke an Ihre Anwesenheit beim Treffen von München. Die Religionen können viel für den Frieden tun. Sie müssen dem Krieg und der Gewalt die Rechtfertigung entziehen und die spirituelle und menschliche Dimension des Friedens fördern.
Heute steht Europa vor einer Herausforderung: das friedliche Zusammenleben. Dazu ist ein Werk von kultureller und humaner Aufklärung notwendig, um Misstrauen, Vorurteile und Spaltungen zu überwinden. Sant'Egidio leistet dazu einen Beitrag durch den interreligiösen Dialog, durch Aufmerksamkeit für die Peripherien und viele Leidende. Die Immigranten sind ein Zeichen für das, was außerhalb Europas vor sich geht. Die Europäer haben oft Angst. Die Gemeinschaft hilft den Europäern, den Reichtum derer zu schätzen, die aus der Ferne kommen.
Bei seinem Besuch unserer Gemeinschaft im Juni letzten Jahres hat Papst Franziskus die Gemeinschaft mit drei "P" charakterisiert (ich weiß, dass es leider auf Deutsch nicht passt): Prayer, poor, peace. Gebet, Arme, Frieden.
Frau Bundeskanzlerin,
so lebt Sant'Egidio überall in den 73 Ländern der Welt, wo die Gemeinschaft anwesend ist: im Norden und im Süden, im Osten und im Westen. Indem wir das Evangelium leben, haben wir erfahren, dass es kein persönliches Glück ohne Großzügigkeit gibt. Wir möchten diese Entscheidung mit vielen Christen teilen, vor allem mit denen, die unter fehlender Freiheit leiden. In dieser Entscheidung, Frau Bundeskanzlerin, fühlen wir uns mit Ihren Überzeugungen und Ihrem Einsatz für den Frieden und die Entwicklung der Völker verbunden. Gehen wir gemeinsam voran auf diesem Weg für das Gemeinwohl und für das Glück aller.
Sant’Egidio, 21/2/2015
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