Ein Jahr nach dem dramatischen Erdbeben in Japan wurde am 11. März 2012 ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft Sant'Egidio und der Gemeinde Rikuzentakata in der Region Tohoku unterzeichnet. Es geht um ein gemeinsames Engagement zum Aufbau eines Tageszentrums für ältere Menschen, die heute über 30% der überlebenden Bevölkerung in der Region sind. Rikuzentakata gehört zu den beiden am meisten zerstörten Orten der Tsunamikatastrophe. Die lange Freundschaft der Gemeinschaft Sant'Egidio mit Japan wird in diesem gemeinsamen solidarischen Einsatz sichtbar.
Der 11. März 2011 war ein Freitag, um 14.46 Uhr - in Europa war es 6.46 Uhr - hat ein Erdbeben mit dem Schweregrad 8,9 den Nordosten der Insel Honshu erschüttert. Es ist die größte Insel Japans und liegt 380 km von Tokio entfernt. Wenige Minuten danach hat ein Tsunami mit sehr hohen Wellen die Pazifikküste heimgesucht und in der Gegend von Sendai ganz in der Nähe des Epizentrums Tod und Verwüstung verursacht.
Weitere Erdstöße haben die Region heimgesucht, während die Wellen Opfer forderten und ganze Städte an der Küste zerstörten.
Seit der Haupterschütterung gab es durchschnittlich alle 5-7 Minuten Erdstöße der Stufe 5. Dieser Erdstoß war der schlimmste der jemals an der Ostküste registriert wurde. Die Ausstrahlungen des Bebens waren bis Peking deutlich spürbar. Das Erdbeben hat die Erdachse um fast 10 Zentimeter verschoben.
Über die Hälfte der Opfer des Bebens und des Tsunamis vom 11. März waren über 65 Jahre alt. Vor der Tragödie lag der Anteil der alten Menschen an der Wohnbevölkerung bei 25%. Asahi Shinbum, eine der größten japanischen Tageszeitungen schreibt: "Viele von ihnen starben, weil sie nicht rechtzeitig fliehen konnten oder keine Hilfe hatten, nachdem Tsunamialarm ausgelöst worden war".
Sant'Egidio und Japan
Drei Monate nach der Tragödie besuchte eine Delegation der Gemeinschaft Sant'Egidio die heimgesuchte Region. Die Opferbilanz zählt über 25.000 (zusätzlich noch viele Vermisste). Doch die Suche ist immer noch nicht abgeschlossen. Durch die Gewalt des Wassers wurden ganze Dörfer im Norden des Landes vernichtet. Viele Orte lagen an der 400 km langen Küste am Pazifik. Wir haben besonders eines der beiden Dörfer besucht, die fast vollkommen zerstört wurden: Rikuzentakata im Norden von Sendai. Von 26.000 Einwohnern wurden bis zu 4.000 Opfer gezählt, 15.000 Menschen wurden obdachlos.
Die meisten Überlebenden sind alte Menschen, ca. 35% sind über 65 Jahre alt, viele von ihnen stehen jetzt ganz allein da. Wir trafen den 46jährigen Bürgermeister Futoshi Toba, der seine Frau durch den Tsunami verloren hat. Der Bürgermeister berichtete von dem Drama an jenem Freitag, den 11. März: nur 20 Minuten nach dem Erdbeben wurde der Ort von den Wellen des Meeres überschwemmt, die bis 13 Kilometer ins Landesinnere vordrangen. Wir haben auch Notunterkünfte besucht, in denen die Menschen leben. Anschließend trafen wir Bischof Hiraga von der Diözese Sendai, zu der alle betroffenen Gebiete gehören. Wir überbrachten ihm die Anteilnahme und Solidarität der Gemeinschaft Sant'Egidio, die seit vielen Jahren freundschaftlich mit Japan verbunden ist.
Ein Zeichen der Freundschaft und Solidarität
Diese lange Freundschaft zwischen Sant'Egidio und Japan, die 1987 bei den Dialogtreffen der Religionen und Kulturen für den Frieden im Geist von Assisi begann und über die Jahre hinweg in Treue gepflegt wurde, drängt uns heute dazu, eine bedeutsame Geste zum Ausdruck unserer ganzen Anteilnahme zu zeigen.
Wir haben in Hinblick auf die Lage der vielen alten Menschen, die in den vom Tsunami zerstörten Dörfern und Städten überlebt haben, an den Bau eines Tageszentrums für sie gedacht. Es soll für Bedürftige als Sozialzentrum der Gemeinschaft dienen und ein Ort der Begegnung für einsame und verlassene alte Menschen sein. Es möchte ausgehend von den alten Menschen ein Zeichen der Freundschaft und Hoffnung für Rikuzentakata und Japan sein.
Die Initiative ist auch von kultureller Bedeutung und soll der sozialen Forschung dienen. Denn im Projekt des Zentrums sind auch Archivräume vorgesehen, in denen Daten und Erfahrungen zum allgemeinen Leben der alten Menschen in Japan gesammelt werden. Es ist das Land mit der weltweit höchsten Zahl von alten Menschen (an zweiter Stelle steht Italien), sodass hier für die Zukunft bedeutsame Studien und Projekte entwickelt werden könnten.
Das Zentrum soll sowohl in der Bauphase als auch im Betrieb von örtlichen japanischen Einrichtungen geführt werden und damit in das Wiederaufbauprogramm der heute zerstörten Region eingegliedert werden. Eine weitere Hilfe und Zusammenarbeit wurde im Bezug auf die Jugendlichen vereinbart, die als Betreuungspersonal eingestellt werden. Denn sowohl das Pflegepersonal als auch das Betreuungspersonal sollen aus Kooperativen junger Menschen der Region ausgewählt werden und von der örtlichen Verwaltung angestellt werden. Der Bau des Zentrums soll beginnen, wenn die Umstände es erlauben und ein passendes Grundstück von der Kommune Rikuzentakata zur Verfügung gestellt wird.
In einer Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft Sant'Egidio und der Kommune Rikuzentakata, die am 11. März 2012, dem Jahrestag der Tragödie unterzeichnet wurde, wird die genaue Zusammenarbeit festgelegt.
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