Es war ein wunderbares Erlebnis für alle Beteiligten: Vom 26. bis 29. Mai verbrachte eine Gruppe von Mitgliedern und Freunden der Gemeinschaft Sant‘Egidio aus Würzbrg im Alter zwischen Kleinkind und knapp hundert Jahren gemeinsam im Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach. Wieder einmal. Denn diese Urlaubsfahrt ist für viele alte Menschen, die von Mitgliedern der Gemeinschaft in Senioren- oder Pflegeheimen oder auch im eigenen Zuhause betreut werden, die einzige Gelegenheit, dem Alltagstrott zu entfliehen. Diese Art des Urlaubs bietet Sant‘Egidio aus Würzburg nunmehr seit zehn Jahren an.
„Eigentlich ist dieser Urlaub von Anfang bis Ende schön – es gefällt mir alles“, schwärmt eine Dame in den 90ern, die gerade im Gästehaus der Abtei ihr Abendessen einnimmt. „Ich bin viel allein, wenn ich daheim bin“, erzählt sie. „Ich finde es besonders schön, dass hier viel geplaudert wird.“ Denn „daheim“, das ist für sie seit einigen Jahren das Seniorenheim Ehehaltenhaus/St. Nikolaus im Würzburger Stadtteil Sanderau, komme sie kaum noch unter Leute, geschweige denn, nach draußen. Als Rollstuhlfahrerin sei sie nämlich immer auf Hilfe angewiesen. Ein Zustand, der sie nicht glücklich macht, denn damit gehe im Grunde der Kontakt zur Welt verloren, sagt sie. Nur einmal im Jahr, gewöhnlich in den Tagen nach Pfingsten, da verlässt sie das Heim und verbringt einige erfrischende Tage in Münsterschwarzach bei der alljährlichen Urlaubsfahrt der Gemeinschaft Sant‘Egidio für die alten Menschen.
Auch Tagesgäste
Etwa 20 Menschen jeden Alters waren es heuer, die diesen Urlaub in Münsterschwarzach zusammen verbrachten, wo sie zusätzlich noch jeden Tag Besuch von diversen Tagesgästen bekamen. Organisiert wird diese Urlaubsfahrt rein ehrenamtlich, von Mitgliedern der Gemeinschaft, die mit den alten Menschen, die sie das Jahr über besuchen, hierherkommen, teilweise auch mit der ganzen Familie.
Routine
Eine von ihnen ist Brigitte Kern, die sich seit Jahren für die alten Menschen engagiert und gerade im Ehehaltenhaus/Nikolausheim viele Freunde unter ihnen gefunden hat. „Mittlerweile brauchen wir nicht mehr viel Vorbereitungszeit für die Fahrt, weil wir schon seit zehn Jahren nach Schwarzach kommen und eigentlich alles sehr gut läuft. Man muss halt planen, wer mit wem kommt, mit wem im Zimmer ist und wer wen pflegt, aber das ist immer ganz entspannt“, erzählt sie. Dabei bemühe man sich stets, dass auf einen alten Menschen ein Pflegender komme, der sich dann auch intensiv um seinen Schützling kümmern könne. „Wir sind heuer nicht so viele hier, weil wir von den pflegenden Mitfahrern Krankheitsausfälle hatten, ansonsten waren wir auch schon 30 oder 40 Leute. Was schön ist, ist aber, dass immer ganz viele aus Würzburg zu Besuch kommen“, erklärt Kern. Dabei handle es sich auch um Mitglieder der Gemeinschaft, die mit ihren betagteren Freunden nur für einen oder zwei Tage vorbeikämen.
Gut vorbereitet sein
Zur Vorbereitung gehört natürlich auch, dass sich die Pflegenden genau über die Bedürfnisse ihrer Schützlinge informieren: Medikamente und Körperpflege, besondere Ess- und Schlafgewohnheiten oder körperliche Einschränkungen. Doch da sich die meisten schon seit längerer Zeit – oft seit Jahren – von den Aktivitäten der Gemeinschaft kennen, stellt das normalerweise kein größeres Problem dar.
„Ich freue mich immer auf Münsterschwarzach, weil man unterm Jahr immer nur einen gewissen Ausschnitt von den Mitgliedern von Sant‘Egidio und auch von den alten Leuten trifft“, erzählt etwa eine Dame, die normalerweise Besuche im Juliusspital-Altenheim macht. Der Kreis bei dieser Fahrt sei viel größer, da hier eben auch Menschen aus dem Ehehaltenhaus, dem Heim der AWO in der Zellerau oder auch noch zu Hause Lebende mit ihren jeweiligen Freunden zusammenkämen.
Gerne mitgefahren
„Es war für mich ein sehr angenehmer Nachmittag“, meint eine andere Dame. „Ich habe eine Einladung bekommen, da bin ich dann gerne mitgefahren.“ Ihr Mann sei im Pflegeheim, dort habe sie auch die Gemeinschaft kennengelernt – und habe sich überreden lassen, hier einen Nachmittag lang nur an sich selbst zu denken, ohne die Verantwortung für ihren Mann zu haben. Und ein anderer Besucher aus Würzburg, der mit einem alten Freund für den Tag vorbeigekommen ist, erklärt: „Ich fand das war ein sehr schöner Nachmittag, den wir mit alten und jungen Menschen verbracht haben: Ein entspannter Ausflug ins Grüne mit netten Menschen“.
Den Tag genießen
Der Aufenthalt in Münsterschwarzach selbst sieht so aus, wie man sich Urlaub eigentlich vorstellt: Es gibt – bis auf die Mahlzeiten – keine festen Termine oder Pflichten, jeder darf tun, wonach ihm ist und was ihm Freude macht. Man singt und musiziert gemeinsam, macht aber auch Ausflüge in die Umgebung, nach Dettelbach, Iphofen, zur Mainfähre oder einfach eine Fahrt über Land, Spaziergänge über das Gelände der Abtei mit der Kirche, der Gärtnerei und den landwirtschaftlichen Anlagen. Oder wagt auch einmal einen Besuch im Freibad, der dieses Jahr aus wettertechnischen Gründen ausfallen musste. Wer es weniger anstrengend liebt, sitzt einfach mit Freunden im Innenhof des Gästehauses, plaudert über Gott und die Welt, und genießt das Beisammensein. Und dieses schlichte Beisammensein sei eigentlich das Schönste an den Urlauben in Münsterschwarzach, ist sich Brigitte Kern sicher. „Die gemeinsame Zeit, die Ausflüge zu machen, den Tag und auch die Nacht miteinander zu verbringen: So lernt man sich wirklich kennen, wie man den ganzen Tag über ist, was man braucht.“ Das sei nicht nur so ein Ausschnitt, wie man ihn bekomme, wenn man jemanden nur einmal die Woche für eine Stunde im Altenheim besuche.
Nur frische Produkte
Jeden Abend kommt die Gruppe zum Gebet der Gemeinschaft zusammen und nimmt anschließend das Abendessen ein, das – wie alle Mahlzeiten im Gästehaus –, fast ausschließlich aus eigenen Produkten der Abtei zubereitet ist und den Besuchern stets hervorragend mundet: „Allein, dass wir hier Vollkornbrot und so viele frische Salate bekommen, ist toll“, freut sich eine alte Dame. So etwas gebe es in ihrem Heim nie. Und von den „Schlemmereien“ des Aufenthalts schwärmt eine andere. Aber auch Bruder Jakobus, Leiter des Gästehauses, freut sich immer über die Gruppe: Es sei schon lange Tradition, dass Sant‘Egidio komme, meint der Benediktiner „Und für uns ist es immer was besonderes, weil es eben nicht die klassische Gruppe ist – Bildung – sondern Erholung: speziell für Randständige, Behinderte, Arme, alte Menschen.“ Von daher habe dieser Besuch auch immer ein besonderes Gepräge. „Und sie sind uns alle herzlich willkommen.“ Das merken die Besucher, die sich sichtlich wohl in Münsterschwarzach fühlen – nicht nur wegen der Qualität und Schmackhaftigkeit des Essens, sondern auch wegen der freundlichen Atmosphäre des Hauses, der Ruhe, der schönen Umgebung.
Aus eigener Tasche
Doch für die Mitglieder der Gemeinschaft Sant‘Egidio bedeutet diese Fahrt auch einen gewissen Aufwand. Nicht nur müssen sie gegebenenfalls Urlaub nehmen und ihre betagten Freunde irgendwie nach Münsterschwarzach transportieren, sondern sie müssen den Aufenthalt auch aus eigener Tasche bezahlen. Und während der vier Tage dann unter Umständen auch einiges an Pflege leisten. Ist das nicht auch ein großes Opfer, das man hier für das Ehrenamt bringt? „Nein“, winkt Brigitte Kern ab, das sei es wirklich nicht: „Das zählt man gar nicht als Aufwand, weil wir ja den Urlaub auch schön finden.“ Die Senioren seien ja einfach auch – oft langjährige – Freunde. „Insofern ist das für uns auch eine wunderbare Sache.“