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Unterstützung der Gemeinschaft

  

Dankgottesdienst zum 50. Jahrestag der Gemeinschaft Sant’Egidio

10. Februar um 17.30 Uhr in der Lateranbasilika des Hl. Johannes

Die ersten Personen sind 2018 durch die humanitären Korridore in Italien angekommen. Die neue Phase des Projektes, das zum Modell der Gastfreundschaft und Integration für Europa geworden ist


 
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10 September 2012 09:30 | Catholic School Centre (Theatre Hall)

Die Stadt – Einsamkeit und gemeinsames Schicksal



Jaron Engelmayer


Engelmayer Rabbiner

Städte, Gemeinschaft, gemeinsames Schicksal

Wir leben in einem Zeitalter, in dem großen Wert auf Individualismus und die Rechte des Einzelnen gelegt wird. Andererseits sind wir auf eine Gemeinschaft angewiesen, allein vereinsamt der Mensch und ist nicht im Stande, für sich zu sorgen. Diese Erkenntnis ergibt sich schon aus der Schöpfung des Menschen, als G"tt feststellt, daß "es nicht gut sei, daß der Mensch allein ist", es solle ihm "ein Gegenüber" zur Seite gestellt werden, woraus im Bericht der Torah die Frau entstand.

Zwischen Individualismus und Gemeinschaftsgefühl
Aus dem Zusammenspiel zwischen dem Bedürfnis des Rechts auf Individualität und Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem Angewiesensein auf die Gemeinschaft und deren Errungenschaften auf der anderen Seite können wir verschiedene Gesellschaftsformen erkennen, die von einem Extrem ins andere reichen.
So weist die moderne, aufgeklärte und westlich orientierte Kultur einen starken Hang zum Individualismus auf, sodass in manchen Gesellschaften der eigenen Entfaltung, der Selbstverwirklichung und Realisierung persönlicher Ziele größte Bedeutung beigemessen wird. Dies kann gleichzeitig zu gesellschaftlichen Defiziten führen und Werte wie Beziehungen zu Mitmenschen oder zur Umwelt in Mitleidenschaft ziehen.
Auf der anderen Seite gibt es verschiedene Gesellschaftsformen, welche die Selbstaufgabe des Individuums gegenüber der Gemeinschaft, die totale Identifikation der eigenen Persönlichkeit mit gemeinsamem Gedankengut und die Einverleibung aller individuellen Interessen in die gemeinsame Sache fordern. Solche Gesellschaftsformen können sowohl für die Individuen einer solchen, welche oft ohne Selbstbestimmung und ohnmächtig dem System gegenüberstehen, als auch für die äußeren Gesellschaften, welche diese Ideologie nicht teilen, eine große Gefahr werden.
Welchen Bezug finden wir in den jüdischen Quellen zu dieser Frage?
Einerseits werden da die Individualität jedes Einzelnen und die spezielle Bedeutung jedes Individuums betont, wie z.B. in folgender Mischnah aus der mündlichen Lehre, Traktat Sanhedrin (4, 5):
"Deswegen wurde der Mensch einzeln erschaffen, um dich zu lehren, daß wer einen Menschen vernichtet, dem wird es angerechnet, als ob er eine ganze Welt vernichtete, und wer einen Menschen aufrecht erhält, dem wird es angerechnet, als ob er eine ganze Welt aufrecht erhielte… und die Größe G"ttes aufzuzeigen: Denn ein Mensch prägt viele Münzen mit einer Prägung, und alle gleichen sie sich, aber der König aller Könige, der Heilige, gelobt sei sein Name, prägt alle Menschen mit der Prägung des ersten Menschen, und keiner gleicht seinem Mitmenschen. Deswegen ist jeder Einzelne verpflichtet zu sagen: "Für mich wurde die Welt erschaffen!"
Der Torah-Kommentator Rabbi Awraham Ibn Esra bringt es mit einer kurzen und prägnanten Formulierung auf den Punkt: (2. Buch Moses 25, 40) "...denn der Mensch ist die Gestalt einer kleinen Welt"! Jeder Mensch ist eine eigene Welt für sich, komplex und aus jedem Augenblick seines Lebens zusammengesetzt, verschieden von allen anderen Menschen!
Andererseits kann der Mensch nicht ohne die Gemeinschaft und Gesellschaft leben und überleben, wie in den Worten des Talmudgelehrten Hillel kurz und präzise auf den Punkt gebracht: "Wenn nicht ich für mich bin, wer ist dann für mich, und wenn ich alleine bin, was bin ich dann" (Sprüche der Väter 1, 14). Derselbe Hillel empfiehlt im zweiten Kapitel der Sprüche der Väter: (2, 5) "Sondere dich nicht von der Gemeinschaft ab!" So verwundert es nicht, daß schon Kajin, der Sohn der ersten Menschen Adam und Chawa (Eva) (und der bekanntlich seinen Bruder tötete), seinem Sohn Chanoch eine Stadt baute.
 In der Gemeinschaft liegt nicht nur eine Kraft, welche über die Summe der dazugehörigen Individuen weit hinaus reicht, sondern eine völlig andere Dimension, welche ungeahnte Möglichkeiten eröffnet!
"(G"tt) zählt die Zahl der Sterne, sie alle benennt Er mit Namen" heißt es in den Psalmen (147,4). Zahlen können jegliche Indiviualität vergessen lassen - der Einzelne ist an sich unbedeutend, trägt nur als Zahl zur Bedeutung des Gesamten bei, ähnlich wie an einer Demonstration. Ein Name jedoch bezeichnet das Spezifische, das Spezielle und das Unersetzliche eines jeden Individuums! Es beschreibt sein Wesen und sein Sein, welches sich von dem des anderen grundlegend unterscheidet.
Jeder Mensch ist speziell und unersetzbar! Jedem läßt G"tt eine besondere Funktion in der Welt zukommen, die nur durch ihn und sonst durch niemand anderen auf der gesamten Erde erfüllt werden kann! Eine gute Tat, welche von einem bestimmten Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeübt wurde, konnte nur von diesem Menschen auf diese Art und Weise ausgeübt werden - unersetzbar!!! So rufen uns die Weisen der mündlichen Lehre zu (Sprüche der Väter 4, 3) "Halte keinen Menschen für gering und keine Sache für zu weit entfernt: Denn es gibt keinen Menschen, der nicht seine Stunde, und keine Sache, die nicht ihren Ort hat".

Ein gelungenes Zusammenleben und was dazu gehört
Um eine Gemeinschaft gelungen zu gestalten gehört vermeintlich das Zauberwort "Toleranz" dazu, für welches viel und oft geworben wird. Doch kürzlich war ich an einer interreligiösen Veranstaltung, an der mich ein Muslim im persönlichen Gespräch ganz zu recht auf die Problematik hinter diesem Wort aufmerksam machte. Etwas zu tolerieren, zu dulden, bedeutet, es zuzulassen, obwohl man es selber nicht gutheißt, das heißt, eigentlich würde man es lieber nicht zulassen, wäre da nicht die Toleranzgrenze. Das Problem hierbei ist, daß der Tolerierende seine persönliche Sichtweise auf den Andersdenkenden überträgt, und dies in der Regel mit einer gewissen Wertung, genauer gesagt: Abwertung. Im Grunde genommen denkt der Tolerierende: "Der andere irrt, ist leider verblendet und erkennt die Wahrheit nicht, doch in unserer unendlichen Großzügigkeit muß auch dies geduldet werden…" Statt für Toleranz sollten wir aber vielmehr für Begegnung mit Respekt auf Augenhöhe werben! Eine Geschichte wird hoffentlich näherbringen, wieso:
Vor einigen Jahrhunderten beschloß ein Herrscher, die Juden aus seinem Herrschaftsbereich zu vertreiben, und gab ihnen dafür eine Woche Zeit. Alle Argumente und Bemühungen des Rabbiners der jüdischen Gemeinschaft, den Herrscher umzustimmen, halfen nicht, diesen von seinem Beschluss abzubringen. Als schon alle Hoffnung aufgegeben war, sprach die Rebbezen - die Frau des Rabbiners - zu ihrem Mann: "Lass mich nur machen!" Sie zog sich gemeinsam mit weiteren Frauen für die ganze Nacht in einen Raum zurück, ohne bekannt zu machen, was sie planten. Am nächsten Morgen machte sich die Rebbezen zusammen mit einer Delegation von Frauen auf zum Herrscher, während sie zwei Pakete mit sich führte, und sprach alsdann zu ihm: "Großer Herrscher, wir sind sehr traurig über den Abschied, den wir nun nehmen müssen, möchten uns jedoch bei Euch für die über Jahrhunderte währende Gastfreundschaft bedanken! Als Dank haben wir ein Geschenk mitgebracht…" Mit diesen Worten öffnete sie die beiden Pakete und rollte zwei große Teppiche aus, welche von den Frauen in der Nacht davor gewoben wurden. "Großer Herrscher, wählt, welchen Teppich Ihr als Geschenk bevorzugt!" Beide Teppiche waren wunderschön gewoben. Der eine durchwegs in starkem Rot, einfarbig. Der andere leuchtete in einem prächtigen Farbenmeer, während die vielen Farben herrliche Bilder im Teppich darstellten. Dem Herrscher fiel die Entscheidung nicht schwer - sie fiel auf den farbenprächtigen Teppich. Darauf sprach die Rebbezen: "Großer Herrscher, seht nur, Ihr selbst habt Euch für den farbenfrohen Teppich entschieden. Jedoch Euer Reich wollt Ihr in einen einfarbigen und monotonen Teppich verwandeln, in dem andere Kulturen keinen Platz finden sollen!" Natürlich endete die Geschichte mit einem Happy-End, und der einsichtige Herrscher trat von seiner Entscheidung zurück und ließ die jüdische Gemeinschaft weiterhin unbehelligt in seinem Herrschaftsbereich leben.
Die Botschaft dieser Begebenheit ist ebenso klar und einfach wie auch elementar für das Zusammenleben multikultureller Gesellschaften: Wir sollten die Verschiedenartigkeit nicht als Problem und Trennwand, sondern als gegenseitige Bereicherung verstehen! Wir sollten eine Chance darin sehen, unser eigenes Leben und Verständnis durch weitere Farben zu ergänzen und zu verschönern, anstatt diese durch den Anspruch auf nur eine eigene Wahrheit auszuschließen! Nicht umsonst befindet sich auf dem Symbol von St. Egidio ein farbenfroher Regenbogen.
Rabbi Nachman von Braslav, ein berühmter chassidischer Rabbi, verfasste hierzu ein Lied: "Wisse, daß jedes einzelne Gras seine Melodie hat, und von den Melodien der Gräser ergibt sich ein wundervolles Lied…"   

Vom Prinzip zur aktuellen Situation
Welche enorme Wichtigkeit und Bedeutung diese Einsicht in unserer Zeit hat zeigt die jüngste Religions-Debatte, welche in Köln ihren Beginn nahm, ausgerechnet! Ausgerechnet in Köln, welches sich enormer Vielfalt erfreut und auf sie offen stolz ist, welches jeglichem Rechtsextremismus geschlossen die Stirn bietet, weswegen ich unter anderem auch gerne und mit Stolz da Rabbiner bin, ausgerechnet da wurde ein unseliges Gerichtsurteil gegen eine uralte religiöse Tradition im Judentum und im Islam ausgesprochen, welches die Beschneidung an Babys und Kindern unter Strafe stellen will. Seitdem das Urteil im vergangenen Juni öffentlich bekannt wurde, gibt es eine heftige Debatte in ganz Deutschland und über dessen Grenzen hinaus, ob diese religiöse Tradition zulässig ist. Diese Debatte wird mitunter von vielen antireligiösen Stimmen aus der Bevölkerung getrieben und getragen, welche nicht nur die Begegnung mit Religionen und andersartigem Denken auf Augenhöhe ablehnen, sondern selbst ein Mindestmass an Toleranz hierfür vermissen lassen. Umso mehr erfreute uns die schnelle, klare und eindeutige Positionierung der katholischen und der evangelischen Kirchen in Deutschland zugunsten der Freiheit der jüdischen und muslimischen Religionsausübung und zugunsten der Vielfalt - ein starkes Zeichen der Religionen nicht nur für Toleranz, sondern für viel mehr: für gegenseitigen Respekt!
Zurzeit blicken wir zuversichtlich auch auf die deutsche Politik, daß sie mit einer gesetzlichen Formulierung das Recht auf Beschneidung schützt und das Grundrecht auf Religionsfreiheit im Lande stärkt, damit ein Zusammenleben in gegenseitiger Bereicherung und Anerkennung auch weiterhin möglich sein wird. Dafür sollten auch wir als Religionen und Religionsvertreter zusammenstehen und füreinander einstehen, um die Vielfalt und die Freiheit der einzelnen Religionen weiterhin zuzulassen, zu fördern und zu stärken.  

 

Message of His Holiness Benedict XVI
Benedict XVI

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