In diesem Jahr findet das Friedenstreffen im Geist von Assisi in Münster und Osnabrück statt. Hier werden kurz die bedeutungsvollen Hintergründe für diese Entscheidung dargestellt.
EIN KREUZPUNKT DER GESCHICHTE
Nordrhein-Westfalen ist das größte Bundesland Deutschlands. Die beiden Städte Münster und Osnabrück (in Niedersachsen) sind mittlere Städte, die 50 km voneinander entfernt sind. Beide Städte wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bombardierungen völlig zerstört und wurden nach dem Krieg mit großen Einsatz wiederaufgebaut.
Die beiden Städte verbindet, dass dort die Verhandlungen stattfanden, die dann in den Westfälischen Frieden mündeten, durch den 1648 der dreißigjährige Krieg beendet werden konnte. Dieser 1618 ausgebrochene Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten war äußerst blutig.
Der Vertrag umfasst verschiedene Teile, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten unterzeichnet wurden. Die katholischen Mächte und der päpstliche Nuntius waren mit den Vertretern des Kaisers (Österreich) in Münster versammelt, während die Bevollmächtigten der wichtigsten protestantischen Nation Schweden, die die Vermittlung durch den Papst nicht akzeptierte, sich für Osnabrück entschied.
Die Westfälischen Friedensschlüsse bedeuteten eine Niederlage für die Bestrebungen Habsburgs, den Katholizismus als Reichsreligion durchzusetzen, sie führten zum Aufstieg Frankreichs, das nun zur größten europäischen Macht aufgestiegen war, und garantierten den vielen deutschen Staaten eine nie dagewesene Handlungsfreiheit in der Innen- und Außenpolitik.
Die heutige Bedeutung dieses Friedens
In Bezug auf das internationale Recht wird der Westfälische Friede traditionell als Beginn einer auf gegenseitige Anerkennung gegründete souveräne und unabhängige Autorität angesehen. Diese Ordnung sollte bis zum 20. Jahrhundert fortdauern, als versucht wurde, kollektive Sicherheitsorgane zu schaffen, die über die staatliche Souveränität hinausgehen, wie beim Völkerbund und den Vereinten Nationen (UNO).
Am wichtigsten ist jedoch, dass 1648 mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges in Europa eine von Religionskriegen geprägte Epoche endete, deren Ursprung in der Reformation zu finden ist und die durch Streitigkeiten zwischen Menschen und Völkern geschürt wurden, die mehr auf die Unterschiede achteten als auf das, was sie vereint.
In Münster und Osnabrück könnte man vielleicht die Absurdität des Krieges verstehen, sicherlich kann man jedoch die Absurdität des Tötens im Namen Gottes begreifen. Dieses Thema ist von herausragender Aktualität. In den Straßen dieser historischen Stadtzentren, die wiederaufgebaut wurden, aber nicht original sind, kann man das durch Menschen verursachte zerstörerische Potential begreifen, wie auch die Zerbrechlichkeit der Zivilisation und der Menschheit.
EIN WICHTIGER JAHRESTAG
2017 wird der 500. Jahrestag des Beginns der protestantischen Reformation durch Martin Luther begangen. Traditionell ist das Datum des Beginns der 31. Oktober 1517, als Luther nach der Überlieferung die 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche von Wittenberg anschlug und veröffentlichte. Es war ein Dokument seines Denkens, das zur Grundlage der Reformation wurde. Seitdem schlugen Luther und die römische Kirche verschiedene Wege ein. 1521 wurde Luther exkommuniziert und konnte nur durch den Schutz einiger deutscher Fürsten, an erster Stelle Friedrich von Sachsen, vor dem Scheiterhaufen bewahrt werden.
Fast 450 Jahre hat es gedauert, bis durch das Zweite Vatikanische Konzil ein neuer Weg des Verständnisses, Dialogs und der Freundschaft eingeschlagen wurde. Das Friedenstreffen in Deutschland ist Teil dieses Weges von ökumenischem und interreligiösem Dialog und zugleich ist es eine der bedeutendsten Feierlichkeiten auf dem Anlass des Jahres 2017 in Europa.
Im Zentrum der lutherischen Reformation steht die Schrift. Das Lesen der Bibel war damals nur auf Latein möglich und kirchlichen Würdenträgern vorbehalten. Luther übersetzte die Bibel auf Deutsch in der Überzeugung, dass sie wieder in die Hände der Gläubigen gehört. Zwischen 1530 und 1540 gab es 34 Auflagen und 72 Neudrucke und in den fünf nachfolgenden Jahren weitere 18 Auflagen und 26 Neudrucke. Es ist nicht zu leugnen, dass die lutherische "Revolution" viel der Erfindung des Buchdrucks zu verdanken hat. Allein in Deutschland wurde die Bibel in den fünfzig Jahren danach 100.000 mal verkauft. In kurzer Zeit wurde Deutschland und dann ganz Europa von diesem Reformator geprägt, der sein ganzes Leben für die Predigt eingesetzt hat. Kernpunkt seiner Predigt war die Rechtfertigung durch den Glauben. Der Mensch ist sozusagen nicht fähig, sich das Heil allein zu erwerben, auch nicht durch die besten Werke, denn die Distanz zu Gott ist unermesslich. Nur die große Barmherzigkeit Gottes rettet den Menschen, der seine unendliche Schwäche eingesteht. Die schnelle und auch umfassende Verbreitung der Lutherischen Reformation hatte auch politische Gründe: das Habsburgerreich und die deutschen Fürsten bekämpften sich schon über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Reformation wurde von den Fürsten als Gelegenheit erkannt, um sich von der zentralen Macht zu emanzipieren. Wie sich Luther von Rom und vom Papst distanzierte, so konnten sich die Fürsten durch den Schutz des Reformators eine größere Autonomie vom Kaiser verschaffen.
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