Andrea Riccardi wurde heute in der neuen italienischen Regierung zum Minister für Entwicklungshilfe und Integration berufen. Er erklärte:
"In einem schwierigen Augenblick der Prüfung für das Land, während eine gemeinsame Anstrengung zur Bewältigung der aktuellen Krise im Gang ist, habe ich die Einladung des beauftragten Präsidenten, Prof. Mario Monti, angenommen, Mitglied der neuen Exekutive zu sein in der Hoffnung, dem Werk der nationalen Erholung dienen zu können. Um auf die anstehenden Herausforderungen unseres Landes zu antworten, stelle ich mich in der Überzeugung zur Verfügung, dass Italien Einheit benötigt.
Der Einsatz für sozialen Zusammenhalt, nationale Integration und Entwicklungshilfe sind Teil meiner Kultur und der in diesen Jahren herangereiften Erfahrungen. Das sind meiner Meinung nach wesentliche Elemente für das Land, um Kraft für einen Ausweg aus der Krise zu finden."
Einige Hinweise zur Biographie:
Andrea Riccardi (1950), Historiker und Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio gehört zu den Persönlichkeiten Italiens mit großer internationaler Bekanntheit. Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. Er lehrte Zeitgeschichte an den Universitäten Bari, La Sapienza in Rom und an der Universität Rom III. Er gilt als einer der bekanntesten Experten der zeitgenössischen Kirche und des Dialogs unter den Religionen und Kulturen, sowie als Kenner des zeitgenössischen humanistischen Denkens und als anerkannte Stimme auf internationaler Ebene, wie verschiedene Ehrendoktorwürden während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit von der Universität Löwen bis zur Georgetown University bezeugen
Riccardi ist auch als Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio bekannt (1968), die heute in 73 Ländern der Welt mit besonderer Ausbreitung in Europa, Lateinamerika und Afrika tätig ist. Sie ist Träger innovativer Projekte im Bereich der Entwicklungshilfe und weltweit als eine der erfolgreichsten Subjekte auf dem Gebiet des Einsatzes für Frieden und Versöhnung anerkannt: Mosambik, Guatemala, die Wiedervereinigung der Elfenbeinküste, der "Präventivfrieden" in Niger und Guinea Conakry sind nur einige der wichtigeren Einsatzfelder. Das DREAM-Programm zur kostenlosen AIDS-Therapie in Schwarzafrika und das BRAVO!-Programm zur Registrierung der "verborgenen" Kinder beim Einwohnermeldeamt im Süden der Welt sind herausragende Beispiele dieser Fähigkeit zur Inkulturation und Innovation im Bereich der Entwicklungshilfe, wie sie die Gemeinschaft Sant'Egidio durchführt.
Die Zeitschrift "Time" hat Riccardi 2003 in die Liste der sechsunddreißig "modernen Helden" Europas aufgenommen, die sich durch ihren professionellen Mut und menschlichen Einsatz hervortun.
Andrea Riccardi wurde am 18. November 2004 von der Internationalen Stiftung Preis Balzan mit dem Balzanpreis 2004 für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern ausgezeichnet. Derselbe Preis wurde 1963 Papst Johannes XXIII. verliehen:
"Für den Einsatz zur Förderung des weltweiten friedlichen Zusammenlebens unter verschiedenen ethnischen Gruppen und zum Aufbau von humanitärem, friedlichem und brüderlichem Handeln unter den Völkern unabhängig von der religiösen Überzeugung und insbesondere für die Umsetzung des DREAM-Programms zur Bekämpfung von AIDS und Unterernährung, das in Mosambik durchgeführt wird und ein konkretes Modell für andere bedürftige afrikanische Länder ist".
Am 21. Mai 2009 wurde er mit dem Karlspreis ausgezeichnet, der Personen und Institutionen zuerkannt wird, die sich in besonderer Weise für den Aufbau eines vereinten Europas und die Verbreitung einer Kultur des Friedens und Dialogs hervorgetan haben. In den vergangenen Jahren wurden vor allem europäische Staatsmänner wie Alcide De Gasperi, Konrad Adenauer, Winston Churchill, Robert Schumann, Carlo Azeglio Ciampi und Angela Merkel ausgezeichnet. Er gehört zu den wenigen Nichtpolitikern, die den Preis erhalten haben. In der Begründung heißt es: "In Würdigung eines herausragenden Beispiels zivilgesellschaftlichen Engagements für ein menschliches und - innerhalb wie außerhalb seiner Grenzen - solidarisches Europa, für die Verständigung von Völkern, Kulturen und Religionen und für eine friedlichere und gerechtere Welt".
Für seine internationalen Aktivitäten vor allen Dingen in Afrika wurde Andrea Riccardi zudem der UNESCO Friedenspreis Houphuet Boigny verliehen.
Erklärung von Mario Marazziti über die neue Regierung und die Berufung von Andrea Riccardi zum Minister
Bekanntermaßen beteiligt sich die Gemeinschaft Sant'Egidio schon immer in Freiheit und mit Verantwortung am Leben des Landes in seiner Gesamtheit und im gesellschaftlichen Leben. Voller Leidenschaft und Sorge und ohne uns vor den Anforderungen in Notzeiten zurückzuziehen stellen wir uns nicht nur den großen Anfragen des Friedens und der Entwicklung auf internationaler Ebene, sondern auch den außergewöhnlichen Schwierigkeiten, in denen sich das Land befindet. Wir stehen auf der Seite derer, die die größten Probleme hatten und haben. Wir stehen an einer Wende mit außerordentlichen Schwierigkeiten für Italien, aber auch vor großen Chancen aufgrund mutiger Entscheidungen. Wir befinden uns in einer Krise, die schon länger Träume und Zukunftspläner der jungen Generationen in Frage stellt. In einige Fällen ist es eine Krise der Glaubwürdigkeit, die von den Märkten über die Maßen und Vorstellungen bestraft wurde und noch größere Probleme verursacht hat. Man muss gemeinsame Grundlagen, die Fähigkeit zum Zusammenleben und die Gestalt eines Landes wiederfinden, die es auch in Schwierigkeiten ermöglichen, großzügig zu sein, Offenheit für Menschlichkeit zu zeigen und eine Vision und Verantwortung für alle zu haben.
Auch für mich ist es eine Überraschung: Andrea Riccardi wurde gebeten, als Minister für internationale Zusammenarbeit und Integration einen außergewöhnlichen Beitrag zu leisten. Es ist eine zusätzliche Verantwortung und meinem Anschein nach ein sehr wichtiges Signal für die Qualität der neuen Regierung. Sie ist nicht nur neu, weil sie schnell zusammengestellt wurde und im Amt ist, sondern auch weil sie in der Struktur und den sich gestellten Aufgaben innovativ ist. Internationale Zusammenarbeit und Integration, hier wird meiner Meinung nach etwas Wichtiges in den Mittelpunkt gestellt, das bisher als Zusatz, Luxus oder Unnötiges angesehen wurde. Es ist meiner Meinung nach ein Hoffnungszeichen für alle, das in die richtige Richtung weist.
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