Comunità di S.Egidio


















von
Stefania Tallei

Die Todeskandidaten

Wir korrespondieren mit 350 Gefangenen, die zum Tod verurteilt wurden. Die meisten von ihnen sitzen in den Todestrakten in den Vereinigten Staaten ein. Ein kleiner Teil befindet sich in russischen Gef�ngnissen in Sibirien, (wobei dort derzeit die Urteile in lebensl�ngliche Freiheitsstrafen umgewandelt wurden) sowie in afrikanischen Haftanstalten.

 

 

Viele zum Tod Verurteilte fragen ausdr�cklich nach Briefkontakten mit Menschen in allen Teilen der Welt. Die Korrespondenz ist in der Tat der einzige Freiraum im Leben dieser Menschen. Briefe zu schreiben und zu erhalten bedeutet gleichsam, die Gitter zu zerbrechen, so da� Worte der Zuneigung von au�en hereinkommen k�nnen, auch von ganz fern. Diese Freundschaft "auf dem Papier" beinhaltet Interesse, W�rde, Zuneigung und Treue.

Allen Todestrakten ist die Einsamkeit gemeinsam und eine allm�hlich wachsende Unruhe, so da� die Hoffnung auf das �berleben abnimmt. In einer solchen Lage einen Freund zu haben, der einen gern hat und einem schreibt ist so, wie wenn man einen Schatz findet.

Die Geschichten der zum Tod Verurteilten sind in vieler Hinsicht Geschichten von armen Menschen, die denen vieler �hneln, die wir kennen. Durch den Briefwechsel mit den zum Tod Verurteilten haben wir besser verstanden, was es bedeutet, in der totalen Abgeschlossenheit zu leben, ohne auch nur ein bi�chen Hoffnung. Der gr��te Teil von ihnen verbringt 23 Stunden am Tag in einer Zelle, deren Raum auf ein Bett und einen Stuhl beschr�nkt ist. Es fehlt jede Intimit�t, das Licht brennt Tag und Nacht. Einige Gefangene sind Analphabeten oder haben kaum Schulbildung. Es gibt Menschen, die in ihrer Gefangenschaft Lesen und Schreiben gelernt haben. Unter den Gefangenen sind auch einige geistig Behinderte.

 


...Vor 15 Jahren, wenn ich in einem Schu�wechsel mit jemandem aus diesem Umfeld get�tet worden w�re, w�re ich ohne Freunde allein gestorben, und niemand, au�er meiner Familie, h�tte sich wegen meines Todes Sorgen gemacht. Jetzt wei� ich, da� ich nicht allein und ohne Freunde sterben werde. Ich wei�, da� ich sterben werde als einer, der von anderen geliebt wird, und nicht nur von meiner Familie. Die Familie mu� einen lieben, und sie kann dabei nicht w�hlen, doch bei den Freundschaften kann man w�hlen. Die Freunde w�hlen einen aus, weil es eine Bindung gibt, etwas gemeinsames, irgendwo. Vielleicht werden wir nie entdecken, wo es ist, doch es ist da.

Es ist so, um zum Schlu� zu kommen, Du bist ein Freund von mir, aus irgendeinem unbekannten Grund, und f�r diese Freundschaft danke ich Dir. Es ist ein Segen im Leben, da� jemand mit einer Vergangenheit wie der meinen sagen kann, da� er wahre Freunde hat. Du hast mir w�hrend der h�rtesten dreizehn Jahre meines Lebens geholfen. Danke, da� Du da warst. Danke, da� Du mein Freund warst. Danke f�r die Zeit Deines Lebens, die Du mir gewidmet hast. Danke zu sagen scheint mir nicht ausreichend, um all das auszudr�cken. Du sollst wissen, da� es Deine Freundschaft war, die alles anders gemacht hat.

Mit der tiefsten Liebe.

D.

 

Aus einem Brief eines zum Tod Verurteilten, drei Tage vor seiner Hinrichtung.