Am 26. November traf Andrea Riccardi, der Minister für Internationale Zusammenarbeit und Integration in der italienischen Regierung, Ahmad al-Tayyeb, den Großimam von Al-Azhar, der berühmten Universität von internationalem Rang für islamische Theologie. Der Großimam würdigte die Person von Minister Riccardi, den Einsatz der Gemeinschaft Sant'Egidio und das Land Italien wegen seiner Rolle in Ägypten und sprach seine große Anerkennung aus.
Er erwähnte die vielen Friedenstreffen, an denen er teilgenommen hat, und die Rombesuche, wobei er feststellte, dass er den Dialog in Sant'Egidio erlernt habe, denn die Gemeinschaft bildet eine Brücke zwischen Orient und Okzident. Andrea Riccardi brachte seine Hoffnung auf den im Land in Gang gekommenen Demokratisierungsprozess zum Ausdruck und betonte, dass die Behandlung der Minderheiten ein Qualitätsmerkmal der Demokratie sei. Zudem unterstrich er die Rolle des Großimams bei der Unterstützung der nachrevolutionären Übergangsphase.
Beim Treffen kam auch das Bayt al_'Aylah (Haus der ägyptischen Familie) zu Wort. Es ist eine 2010 entstandene Institution von Vertretern aller Religionen Ägyptens zum Aufbau von Zusammenarbeit und Verständnis untereinander. Der Verband trifft sich unter abwechselnder Leitung von al-Azhar und koptisch-orthodoxer Kirche. Der Großimam stellte Andrea und die Gemeinschaft folgendermaßen vor: "Die Gemeinschaft versammelt Menschen, die sich täglich engagieren und ihre Zeit den Armen widmen, Kindern und Behinderten, unabhängig von ihrer Sprache oder Religion. Das tut sie nicht nur in ihrem Land, sondern auch in fernen Ländern wie in Afrika. Dort helfen sie unterschiedslos allen und schaffen ein neues Bündnis zwischen Europa und Afrika. Das tun sie vor dem Angesicht Gottes und unentgeltlich. Die Gemeinschaft organisiert auch einen Dialog unter Gläubigen, Christen, Muslimen und Juden, und sucht das, was vereint, während sie beiseite lässt, was Konflikte auslösen könnte".
Anschließend hielt Andrea Riccardi auf Einladung des Großimams eine Konferenz mit dem Titel "Islam und der Westen - eine neue Zukunftsvision". Über 600 Zuhörer waren gekommen, darunter Professoren und Studenten der Universität Al-Azhar und Vertreter des Islam. Über die Veranstaltung würde im örtlichen und internationalen Fernsehen berichtet.
In seiner Rede warf Andrea Riccardi einen Blick auf die neuesten Veränderung in Ägypten und sagte: "Ich bin sehr froh, denn ich liebe Ihr Land wirklich. Seit fast dreißig Jahren komme ich immer wieder zu Besuch und freue mich, dass es heute ein demokratisches Ägypten gibt, das nicht nur die Stärke seiner berühmten und tausendjährigen Geschichte und seines Platzes unter den Völkern besitzt, sondern auch der rühmlichen Freiheit. In Ägypten, Europa und den Mittelmeerländern ist die Geschichte wirklich schnell vorangeschritten. Die Geschichte hat sich wieder in Bewegung gesetzt. Es gibt eine neue Jahreszeit an den Ufern unseres Meeres. Für Italien, für Ägypten und für die Mittelmeervölker müssen wir eine umfassende, weitsichtige und artikulierte Vision für den Mittelmeerraum entwickeln. Diese Vision muss solide und artikuliert sein unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und politischen, sowie der kulturellen und religiösen Beziehungen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass die unter den Völkern des Mittelmeerraumes zu entwickelnde solidarische Vision die Kultur des Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen sein muss. Diese Kultur benötigen unsere Städte, diese Kultur muss die Beziehungen unter unseren Ländern und den ganzen Mittelmeerraum prägen. Diese wahre Kultur drängt sich niemanden auf, sie wird vielmehr gemeinsam gestaltet, um eine Kultur des Zusammenlebens vieler Kulturen und politischer und religiöser Welten zu sein. Diese Kultur ist die Antwort auf Extremismus, der den anderen dämonisiert, wie den Fremden oder den Anderen. Unsere Vision für den Mittelmeerraum ist eine Kultur, die durch Demokratie und die Achtung der Freiheit aller gestaltet wird".
Die gesamte Rede von Andrea Riccard (IT - EN - FR - ARABIC)
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