Gemeinschaft Sant'Egidio
Es lebe, wer alt ist
Es gibt heute viele alte Menschen, und ihre Zahl wächst in allen Teilen der Welt. Das Leben, das länger währt, ist ein Zeichen für eine hochentwickelte Zivilisation. Dieser Wandel stellt für alle eine neue Herausforderung dar, die darin besteht, das Leben mehr zu schätzen.
Die lange Lebensdauer ist fast ein Wunder. Das höhere Lebensalter ist ein Geschenk Gottes und eine Errungenschaft für unsere Zeit, eine außergewöhnliche Chance für ein menschlicheres Zusammenleben. Die alten Menschen können durch ihr Dasein und ihre Erfahrungen auf entscheidende Weise zur Humanisierung der gesamten Gesellschaft beitragen.
Im Geist der Gemeinschaft Sant'Egidio haben wir uns entschieden, eine Bewegung ins Leben zu rufen, die dem Frieden und der Solidarität dient und die von den alten Menschen getragen wird. Es soll eine Bewegung der alten Menschen sein, eine Bewegung der Herzen zum Wohl aller, unter dem Motto „Es lebe, wer alt ist!"
In diesem besonderen historischen Moment, in dem ein Jahrtausend zu Ende geht und ein neues beginnt, spornt uns das alte Gebot "Du sollst Vater und Mutter ehren" dazu an, unser Leben großzügig für eine menschlichere Welt einzusetzen. Mit unserem ganzen persönlichen Einsatz wollen wir:
1. alle alten Menschen in jeder Lebenslage mit ihrem jeweiligen Glauben und ihrer Geschichte achten und ihnen liebevolle Zuwendung schenken;
2. in Liebe und Dankbarkeit das Glaubenszeugnis der alten Menschen aufnehmen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird;
3. die alten Menschen in ihrem Gebet unterstützen, das eine Quelle des Reichtums für alle ist;
4. am Beispiel der alten Menschen lernen, dass keiner sich selbst genügen kann, und dass wir alle auf Geschwisterlichkeit angewiesen sind;
5. die alten Menschen zum Engagement für andere und vor allem für andere alte Menschen ermuntern;
6. einen Bund zwischen den Generationen zur Verteidigung der Würde des Menschen in allen Lebensphasen schließen: Denn das Leben ist niemals unnütz und wertlos;
7. möglichst viele einbeziehen, um die alten Menschen zu verteidigen;
8. verhindern, dass alte Menschen physisch, sozial und gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden, und alle Möglichkeiten fördern, dass sie aktiv am Leben teilnehmen können;
9. dagegen kämpfen, dass alte Menschen, die krank sind, sich nicht mehr selbständig versorgen können und wenig finanzielle Mittel haben, in Heime eingewiesen und isoliert werden, und alles dafür tun, dass sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können;
10. allen Generationen den außergewöhnlichen Wert des Friedens und der Toleranz als wertvolle Errungenschaft der älteren Generation vor Augen führen.
Castelgandolfo, 18.10.1998
Würzburg, 01.05.1999
|