"Integration gelingt, wenn beide Seiten sich bemühen." So kommentierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstagabend am Ende seines Rom-Besuchs die Bemühungen der Gemeinschaft Sant'Egidio im Viertel Trastevere, die ihr Projekt zur Aufnahme und Integration von Migranten vorstellte. Betroffene aus Syrien, Mali oder Afghanistan erzählten, wie sie es schafften, in Italien Fuß zu fassen.
Der Afghane Davut etwa verließ bereits vor Jahren seine Heimat als 17-Jähriger und kam nach einer gefährlichen Odyssee, bei der er mehrmals mit dem Tod von Freunden konfrontiert wurde und 35 Stunden auf der Achse eines LKW zurücklegte, in Italien an. Dort nahm ihn die Gemeinschaft Sant'Egidio auf. Er wurde unterstützt, die Sprache zu lernen und in der Gesellschaft seinen Platz zu finden. "Heute bin ich 32 und versuche, anderen zu helfen", erzählte Davut. Er arbeitet in einer Schule mit behinderten Kindern und unterrichtet sogar selbst Italienisch in Anfängerkursen.
Davut war nur ein Beispiel unter mehreren, denen es gelang, dank Sant'Egidio in Italien ein neues Leben zu beginnen. "Wir glauben, dass es möglich ist, Mauern niederzureißen", erklärte daher Cesare Zucchoni, Generalsekretär der Gemeinschaft, gegenüber Van der Bellen. "Wir haben versucht, gegen den Strom und gegen den Zeitgeist eine Kultur des Zusammenlebens aufzubauen." Sant'Egidio sei ein "Ort der Freiheit, für den, der fremd ist."
Als Beweis, dass die Initiative durchaus Erfolge feiern kann, verwies Zucchoni auf eine Gruppe von Flüchtlingen und Migranten, die sich rund um den Bundespräsidenten an einem Tisch versammelt hatten. "Sie sehen hier 16 Personen aus 15 verschiedenen Nationen, die ein bisschen die Welt der Migranten in Italien darstellen." Mit anderen Worten ausgedrückt handle es sich auch um "neue Europäer aus vielen Ländern."
Integration von Flüchtlingen
Das ökumenische Gemeinschaftsprojekt katholischer und evangelischer Christen wird von ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen und finanziert sich großteils aus Spenden. Es ermöglichte zuletzt Flüchtlingen aus dem Libanon (überwiegend Syrer), Marokko (Opfer des Bürgerkriegs und der Gewalt in subsaharischen Ländern) oder Äthiopien (Eritreer, Somali und Sudanesen) die Einreise nach Italien mit humanitären Visa.
Damit sollen Todesfahrten über das Mittelmeer vermieden und die Ausbeutung durch Menschenhändler, die mit Kriegsflüchtlingen Geschäfte machen, verhindert werden, wie während des Besuchs von Van der Bellen konstatiert wurde. Andere Projekte dienen etwa dem Ziel, Frauen aus Nigeria aus der Sklaverei der Prostitution zu befreien. "Das sind Opfer des Menschenhandels. Wir wollen nicht, dass es zur sexuellen Ausbeutung kommt."
"Ich gratuliere Ihnen zu ihrer Verfestigung hier, zu ihrer Integration", sagte Van der Bellen, der am Vormittag mit Papst Franziskus zusammengetroffen war und sich über die Migrationsthematik ausgetauscht hatte. Es handle sich eben um einen "beidseitigen Prozess." Es brauche "die Hilfe und die Unterstützung des Gastgeberlandes , aber auch umgekehrt das Bemühen zu sehen, wie das Gastland tickt." Dann aber sei die Basis für ein gegenseitig befruchtendes und interessantes Miteinander gegeben, meinte der Bundespräsident sinngemäß. Nachsatz: "Ich möchte in keiner homogen Gesellschaft leben."
"In Österreich haben wir ähnliche Fragen zu lösen", erzählte Van der Bellen abschließend. In den vergangenen Jahren seien 150.000 Asylwerber aufgenommen worden. Für ein kleines Land wie Österreich sei das "ziemlich viel." Er sei aber optimistisch, dass auch die österreichische Gesellschaft diese Herausforderung bewältigen werde. "Um die Kinder mache ich mir dabei keine Sorgen. Sie lernen sehr schnell. Es sind eher die Eltern, bei denen es schwierig ist. Dass der Prozess lange dauert, darüber braucht man sich auch keine Illusionen machen."