"Ihr seid im Herzen der Kirche!"
Roma aus Europa in Audienz bei Papst Benedikt XVI.
11. Juni 2011
Heute Vormittag hat Papst Benedikt XVI. In der Aula Nervi im Vatikan eine Delegation von ca. 2.000 Roma, Sinti und mit ihnen verwandte Ethnien aus ganz Europa empfangen. Es war ein nie dagewesenes Ereignis, das durch die Zusammenarbeit der Gemeinschaft Sant'Egidio, dem Päpstlichen Rat für die Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs und der Stiftung Migrantes ermöglicht wurde.
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Im Namen aller Pilger wurden vier Zeugnisse vorgetragen:
Zeugnis von Ceija Stojka ?
(Eine österreichische Romafrau und Überlegende der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen)
Zeugnis von Schwester Atanazia Hobulova ?
(Eine slowakische Roma, die in den Orden der Basilianer eingetreten ist.)
Zeugnis von Carlo Mikic ?
(Ein Jugendlicher der Rudariroma. Obwohl er in einem Nomadenlager aufwuchs, hat er studiert und gibt Zeugnis für den Wunsch der Jugendlichen nach einer besseren Zukunft)
Zeugnis von Pamela Suffer ?
(Sie ist eine italienische Sintifrau. Als junge Mutter gibt sie ein Zeugnis über die Zuwendung zu den Kleinen und über den Glauben ihres Volkes.)
Nachdem sich der Papst für die Zeugnisse bedankt hatte, wandte er sich an die Pilger unter anderem mit folgenden Worten:
"Ihr seid aus allen Teilen Europas nach Rom gekommen, um euren Glauben und eure Liebe zu Christus, zur Kirche - die ein Haus für euch alle ist - und zum Papst zu zeigen. Der Diener Gottes, Paul VI., sprach 1965 zu Zigeunern diese unvergesslichen Worte: "In der Kirche seid ihr nicht am Rande, sondern gewissermaßen seid ihr im Mittelpunkt, ihr seid im Herzen. Ihr seid im Herzen der Kirche". Auch ich wiederhole heute voller Zuneigung: Ihr seid in der Kirche! Ihr seid ein geliebter Teil des pilgernden Gottesvolkes und ihr erinnert daran, dass wir "hier keine Stadt" haben, "die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige (Hebr 13,14) ...
Eure Geschichte ist komplex und in einigen Abschnitten mit Leid erfülle. Ihr seid ein Volk, das im Lauf der vergangenen Jahrhunderte keine nationalistischen Ideologien entwickelt hat, das keinen Landbesitz anstrebte und nicht versuchte, andere Völker zu beherrschen. Ihr habt kein Vaterland besessen und den ganzen Kontinent ideell als eure Heimat angesehen ...
Bei meinem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau am 28. Mai 2006 habe ich für die Opfer der Verfolgung gebetet und mich vor dem Gedenkstein in der Sprache Romanes niedergekniet, das an eure Opfer erinnert. Das europäische Gewissen kann so viel Schmerz nicht vergessen! Nie wieder soll euer Volk Objekt von Unterdrückung, Ablehnung und Geringschätzung werden! Eurerseits sucht immer die Gerechtigkeit, die Legalität, die Versöhnung, und versucht, niemals der Grund für das Leiden anderer zu sein!" (...)
Vollständige Ansprache des Heiligen Vaters Benedikt XVI. ?
Am Ende führte eine Gruppe von Romakindern vor dem Heiligen Vater einen traditionellen Tanz auf.
Der Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio, Marco Impagliazzo, erklärte nach der Audienz:
"Die Audienz des Papstes mit Vertretern der Roma und Sinti war ein historisches Ereignis, das von tiefer Freude erfüllt sowie bewegend und unbeschwert war. Dabei wurden das Leid und die vergangenen Verfolgungen der Roma im 20. Jahrhundert nicht ausgeklammert.
Der Papst hat Europa aufgerufen, dieses große Leid nicht zu vergessen.
Aus dem Schmerz einer leidvollen Geschichte geht nach dieser Audienz die Hoffnung hervor, dass die Romavölker zusammen mit allen europäischen Völkern in Frieden und Sicherheit leben können. Der Aufruf des Papstes, gemeinsam eine neue Seite in der Geschichte der Romaminderheiten in Europa zu schreiben, ist ein wichtiges Wort, um gemeinsam als Roma und Nichtroma neu aufzubrechen und eine Gesellschaft des Zusammenlebens aufzubauen".
Weitere Informationen:
Beitrag aus der Nachrichtensendung des italienischen Fernsehens